Exerzitienmeister des Papstes will Kirche von ihren Dogmen „befreien“


Jose Tolentino
Jose Tolentino de Mendonça, Exerzitienmeister der Fastenexerzitien 2018 für Papst Franziskus und die Römische Kurie, mit der feministischen Theologin Sr. Teresa Forcades, die eine Queer-Revolution für die Kirche fordert.

(Rom) Gestern gin­gen in Aric­cia bei Rom die Fasten­ex­er­zi­ti­en der Römi­schen Kurie zu Ende, an denen auch Papst Fran­zis­kus teil­nahm. Der dies­jäh­ri­ge Exer­zi­ti­en­mei­ster wirft eini­ge Fra­gen auf.

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Für die Exer­zi­ti­en wur­de von Papst Fran­zis­kus der por­tu­gie­si­sche Prie­ster­po­et José Tolen­ti­no de Men­don­ça geru­fen. Er ist „als Fan von Sr. Tere­sa For­ca­des“ bekannt, so Cor­ri­spon­den­za Roma­na. Die kata­la­ni­sche Theo­lo­gin, Jahr­gang 1966, wird von ihren Anhän­gern als Ver­tre­te­rin einer „femi­ni­sti­schen Theo­lo­gie“, einer „kri­ti­schen Theo­lo­gie“ und der Befrei­ungs­theo­lo­gie bezeichnet.

Teresa Forcades i Vila

Forcades: Für eine Queer-Theologie
For­ca­des: Für eine Queer-Theologie

1990 schloß sie in Bar­ce­lo­na ein Medi­zin­stu­di­um ab, das sie durch eine Fach­arzt­aus­bil­dung für Inne­re Medi­zin in New York ver­voll­stän­dig­te. In Har­vard erwarb sie 1997 einen Stu­di­en­ab­schluß in pro­te­stan­ti­scher Theo­lo­gie und trat im sel­ben Jahr in das Bene­dik­ti­ne­rin­nen­klo­ster von Monts­er­rat bei Bar­ce­lo­na ein. In Kata­lo­ni­en absol­vier­te sie das Stu­di­um der katho­li­schen Theo­lo­gie, das sie 2009 mit dem Dok­to­rat in Fun­da­men­tal­theo­lo­gie abschloß. 2013 erhielt sie einen Lehr­auf­trag für Theo­lo­gie und Geschlech­ter­stu­di­en an der Ber­li­ner Hum­boldt-Uni­ver­si­tät.

Seit 2013 tritt sie auch als Akti­vi­stin für die Unab­hän­gig­keit Kata­lo­ni­ens in Erschei­nung. 2015 wur­de sie mit Zustim­mung des Vati­kans exklau­striert und ver­ließ ihr Klo­ster, um bei den kata­la­ni­schen Par­la­ments­wah­len kan­di­die­ren zu kön­nen. Sie gilt wei­ter­hin als Ordens­frau, unter­lie­ge deren Ver­pflich­tun­gen und kön­ne jeder­zeit wie­der in ihr Klo­ster zurück­keh­ren, wie spa­ni­sche Medi­en berichteten.

Unter ande­rem wirbt For­ca­des im Zuge ihrer femi­ni­sti­schen Theo­lo­gie inter­na­tio­nal für die Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät durch die Kir­che. Ob Zufall oder nicht, wäh­rend Tolen­ti­no dem Papst und den Kuria­len Exer­zi­ti­en hielt, befand sich auch For­ca­des in Ita­li­en, um die ita­lie­ni­sche Aus­ga­be ihres Buches „Wir sind alle ver­schie­den! Für eine Que­er-Theo­lo­gie“ vor­zu­stel­len.

Tolen­ti­no, ihr „Fan“, ist stell­ver­tre­ten­der Rek­tor der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Lis­sa­bon und Con­sul­tor des Päpst­li­chen Kul­tur­ra­tes. Für Papst Fran­zis­kus und die Lei­tungs­ebe­ne der vati­ka­ni­schen Dik­aste­ri­en wähl­te er als The­ma: „Lob des Durstes“.

Neues Klima für Homosexualität seit Franziskus

Wäh­rend er die Exer­zi­ti­en gab, bzw. kurz zuvor, tour­te For­ca­des durch Ita­li­en um für die Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät durch die Kir­che zu wer­ben, obwohl das offi­zi­el­le The­ma ihrer Vor­trä­ge meist „Die Theo­lo­gie der Frau­en“ lautete.

Auf der Inter­net­sei­te Gio­na­ta eines Krei­ses „christ­li­cher LGBT“ heißt es:

„Am Ran­de der Buch­vor­stel­lung beton­te For­ca­des, das Ver­hält­nis der Kir­che zur Homo­se­xua­li­tät habe sich durch die Wahl von Papst Fran­zis­kus end­lich geän­dert. Er ver­sucht das Mög­lich­ste zu tun, auch durch die Fami­li­en­syn­ode, um die Hal­tung der Kir­che gegen­über der Homo­se­xua­li­tät zu wandeln.“

Nota bene: For­ca­des spricht nicht von der Hal­tung der Kir­che gegen­über Men­schen mit homo­se­xu­el­len Nei­gun­gen, son­dern von der Homosexualität.

For­ca­des ent­hüllt noch mehr:

„Bei der Fami­li­en­syn­ode ist es ihm nicht gelun­gen, einen Schritt vor­wärts zu machen, aber die Atmo­sphä­re ist nicht mehr die­sel­be wie vor­her, bevor Papst Fran­zis­kus kam. Zum Bei­spiel Sr. Jean­ni­ne Gra­mick [beken­nen­de Les­be], die seit vie­len Jah­ren in den USA dafür kämpft, daß es nicht nur akzep­tiert wird, daß jemand homo­se­xu­ell ist, son­dern auch die homo­se­xu­el­len Hand­lun­gen, die phy­si­sche homo­se­xu­el­le Lie­be aner­kannt wird. Sie hat gesagt, daß sie, seit Fran­zis­kus Papst ist, kei­nem Druck mehr aus­ge­setzt ist, den sie vor­her erlebte.“

„Erneuerung“ der Kirche ist „queer“

Feministische Theologie der Geschichte
Femi­ni­sti­sche Theo­lo­gie in der Geschichte

Gera­de in Süd­ame­ri­ka und Ozea­ni­en, so For­ca­des, mache die Kir­che „gro­ße Schrit­te vor­wärts“ im Dia­log mit den Homo­se­xu­el­len: „viel schnel­ler als in Europa“.

Die „Erneue­rung“ der Kir­che ist für For­ca­des homo­se­xu­ell, oder um es mit ihren Wor­ten zu sagen: „que­er“. Wört­lich spricht sie von einer „Que­er-Revo­lu­ti­on“.

2015 sag­te sie in einem Inter­view des Cor­rie­re del­la Sera zur „Homo-Ehe“, daß sie dafür ist, weil „sexu­el­le Iden­ti­tä­ten kei­ne Schub­la­den sei­en, son­dern Gott sie kom­ple­men­tär zuein­an­der will, die einen und die ande­ren“. Und über­haupt: „Was soll an dar­an falsch sein? Sie schei­nen glück­lich. War­um soll­ten sie also nicht geseg­net wer­den? War­um nicht in der Kir­che? Müs­sen wir uns nicht über die Lie­be freu­en, egal wel­che Form und Aus­druck sie hat?“

Weni­ge Mona­te spä­ter sag­te sie im Febru­ar 2016 der La Repubbli­ca: „Die Lie­be ist immer ein Sakra­ment Got­tes.“ Sie sei auch für das Adop­ti­ons­recht für Homosexuelle:

„Was Kin­der brau­chen, ist eine erwach­se­ne, rei­fe und ver­ant­wor­tungs­be­wuß­te Lie­be von Eltern, die ihre Bedürf­nis­se für die Kin­der zurück­stel­len. Ob sie mit zwei Frau­en oder zwei Män­nern auf­wach­sen, stellt da kein Pro­blem dar.“

Tolentinos „Modell“ für die Zukunft des Christentums

Tolentino bei den Fastenexerzitien in Ariccia
Tolen­ti­no bei den Fasten­ex­er­zi­ti­en in Ariccia

Die Beru­fung von Jose Tolen­ti­no als Exer­zi­ti­en­mei­ster nach Aric­cia, eines Man­nes, der sich der Kon­tak­te zu einer zwei­fel­haf­ten Theo­lo­gin wie For­ca­des rühmt, wäre für jede katho­li­sche Grup­pe von zwei­fel­haf­ter Qua­li­tät. Sei­ne Beru­fung, um für die Römi­sche Kurie Exer­zi­ti­en zu hal­ten, „scheint Aus­druck eines poli­ti­schen Pla­nes“ zu sein, so Cor­ri­spon­den­za Roma­na. „Die Freund­schaft“ zwi­schen Tolen­ti­no und For­ca­des „beruht auf einer offen­kun­di­gen Gleich­heit des Den­kens“. In For­ca­des Buch „Die femi­ni­sti­sche Theo­lo­gie der Geschich­te“ fin­det sich ein Vor­wort von Tolen­ti­no. Dar­in träumt er von einer „ande­ren Geschichte“.

„Die Geschich­te des Westens (und der Kir­che) wäre viel­leicht anders ver­lau­fen, wenn eine sym­bo­li­sche, offe­ne und sen­si­ble Art als Ansatz für das Rea­le ange­wandt wor­den wäre, anstatt die ein­deu­ti­ge, tri­um­pha­li­sti­sche Gram­ma­tik zu schaf­fen, die wir ken­nen. Ich wie­der­ho­le: Viel­leicht wäre die Geschich­te eine ande­re. Genau hier kommt uns die außer­ge­wöhn­li­che Arbeit von Tere­sa For­ca­des i Vila, die femi­ni­sti­sche Theo­lo­gie der Geschich­te, die der Leser in Hän­den hält, zu Hilfe.“

Tolen­ti­no stellt For­ca­des Leh­ren als Modell dar, um das Chri­sten­tum aus den dog­ma­ti­schen Zwän­gen „zu befrei­en“. For­ca­des Ansatz, so der Priesterpoet,

„ist in jedem Fall mutig: die Wider­sprü­che auf­zei­gen und alter­na­ti­ve Inter­pre­ta­tio­nen suchen, die einen Bruch von Bedeu­tung und Zivi­li­sa­ti­on unter­stüt­zen. Eine Über­zeu­gung, die das Buch uns hin­ter­läßt, ist, daß die Zukunft des Chri­sten­tums beson­ders vom Ent­rüm­pe­lungs­pro­zeß abhängt, der uns zu sei­ner Ver­gan­gen­heit und sei­ner Gegen­wart gelingt“.

Es sei das Ver­dienst For­ca­des, so Tolen­ti­no, die Wich­tig­keit einer Bezie­hungs­ethik ver­deut­licht zu haben, die frei von stren­gen und kodi­fi­zier­ten Nor­men ist.

„Tere­sa For­ca­des i Vila ruft uns das Wesent­li­che in Erin­ne­rung: daß Jesus von Naza­reth weder kodi­fi­ziert noch regu­liert hat. Jesus leb­te. Das heißt, er hat eine Ethik der Bezie­hung geschaf­fen; er wan­del­te die Poe­sie sei­ner Bot­schaft in die Sicht­bar­keit sei­nes Flei­sches um; er zeig­te als Prä­mis­se sei­nen Körper.“

Cor­ri­spon­den­za Roma­na frag­te sich also:

“Wel­che geist­li­chen Früch­te kön­nen die Teil­neh­mer der Fasten­ex­er­zi­ti­en von Aric­cia wohl dar­aus gewinnen?“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Youtube/Vatican.va (Screen­shots)

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