(Rom) Das katholische Hilfswerk Kirche in Not macht heute wieder mit einer spektakulären Aktion auf das Schicksal der verfolgten Christen aufmerksam, und Papst Franziskus wird endlich Familienangehörige von Asia Bibi empfangen.
Heute abend wird um 18 Uhr das Kolosseum in Rom ganz in rotes Licht getaucht werden. Damit soll das Blut der Märtyrer verdeutlicht und die Verfolgung von Christen in verschiedenen Ländern der Erde sichtbar gemacht werden. Für die Aktion wurde der Twitterkanal #RotesKolosseum eingerichtet.
In den vergangenen Jahren hatten sich im Zuge derselben Aktion bereits die berühmte Fontana die Trevi in Rom und die Basilika Sacré-Cœur in Paris blutrot gefärbt.
Parallel zum Kolosseum werden auch die Kirche zum heiligen Elija im syrischen Aleppo und die Pauluskirche im irakischen Mossul in rotes Licht getaucht.
Wie Kirche in Not bekanntgab, wird Papst Franziskus heute, zusammen mit einer Delegation des Hilfswerks, Familienangehörige von Asia Bibi sowie Rebecca Bitrus, ein Opfer der islamischen Terrormiliz Boko Haram empfangen.
Der Empfang für die Familie der pakistanischen Christin Asia Bibi bedeutet eine Wende in der bisherigen Haltung des Vatikans.
Die fünffache Mutter und Katholikin befindet sich seit dem 19. Juni 2009 in Haft. Am 11. November 2010 wurde sie wegen Beleidigung des Islams zum Tode verurteilt. Seither hängt das Damoklesschwert über ihrem Kopf. Der Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft war zu schwach, diese Frau zu befreien. Bemühungen, sie ins Exil gehen zu lassen, scheiterten an der Angst der pakistanischen Regierung, radikale, islamische Bewegungen könnten einen Massenaufstand inszenieren und Pakistan in einen Bürgerkrieg stürzen.
Versagen der westlichen „Zivilgesellschaft“
Das Schicksal Asia Bibis ist aber noch viel ernüchternder und hat nicht nur mit dem Islam zu tun: Als Katholikin und Christin findet Asia Bibi nicht jene Unterstützung der sogenannten, westlichen „Zivilgesellschaft“, die sie nötig hätte und verdienen würde. Im Westen herrscht nicht nur ein verordnetes Kuschen vor der Radikalität des Islams. Im Westen hegt der Mainstream auch eine latente Abneigung gegen das Christentum. Daraus ergibt sich eine gefährliche Mischung, die für die Betroffenen Verschweigen, Kälte und im schlimmeren Fall sogar den Tod bedeutet. Einer kampagnengeübten Organisation wie Amnesty International, für Anliegen der linken Agenda zahlungskräftiger Sponsoren immer einsatzbereit, fiel zum Fall Asia Bibi bisher herzlich wenig ein.
Seit 2010 befindet sich Asia Bibi in einem Hochsicherheitstrakt in Isolationshaft. Das geschieht tatsächlich zu ihrem Schutz, da radikale Muslime ein Kopfgeld für ihre Ermordung ausgesetzt haben. Die verschärften Sicherheitsbestimmungen bedeuten zugleich aber erhöhten psychischen Druck.
Auch das Leben ihres Mannes und der fünf Kinder hat sich grundlegend verändert. Seit der Verhaftung der Ehefrau und Mutter wird ihr Aufenthaltsort aus Sicherheitsgründen geheimgehalten. Sie können keiner geregelten Arbeit nachgehen. Hinter jeder Ecke könnte ihnen ein Killerkommando auflauern oder ein „Spontantäter“ ihrem Leben ein Ende setzen. Damit sind sie auf die Solidarität christlicher Organisationen angewiesen. Dafür sorgt die christliche Renaissance Education Foundation.
Seit Jahren fordern islamische Organisationen Asia Bibis Hinrichtung. Der Tod der Christin wurde von den Islamisten zur conditio sine qua non gemacht, mit der sie die pakistanische Regierung unter Druck setzen. 2013, 2015 und 2016 kam es in Pakistan zu antichristlichen Massakern. Alle drei Angriffe waren eine Warnung an die Regierung, was geschehen werde, sollte Asia Bibi begnadigt oder ihr der Weg ins Exil ermöglicht werden.
Hilferuf an den Papst und ein langes Schweigen
In mindestens zwei Briefen wandte sich die Christin mit Hilferufen aus dem Gefängnis an Papst Franziskus.
„Ich schreibe aus einer Zelle ohne Fenster…“.
Doch Papst Franziskus schweigt eisern zum Fall der katholischen Familienmutter. Im April 2016 schrieb der Vatikanist Sandro Magister:
„Jedesmal, wenn es um den Islam geht, ist Franziskus extrem vorsichtig, aber zu Pakistan ist seine Zurückhaltung maximal.“
Um dieses Schweigen zu durchbrechen, brachte Joseph Nadeem, der Direktor der Renaissance Education Foundation, den Ehemann von Asia Bibi, Ashiq Masih, und die jüngste Tochter Eishan nach Rom. Am 15. April 2016 nahmen sie an der Generalaudienz auf dem Petersplatz teil. Es gelang, sie so zu positionieren, daß der Papst an ihnen vorbeikommen würde. So geschah es auch. Doch es blieb bei einer flüchtigen Begegnung von gezählten zwölf Sekunden. „Nicht eine mehr“, wie Magister nicht ohne Enttäuschung anmerkte.
Der Videomitschnitt zeigt die hoffnungsvollen Blicke der Tochter und des Ehemanns, die sich auf den Papst richten. Nadeem versuchte Franziskus auf spanisch zu erklären, wer da hinter der Absperrung stand. Das Video hält die ganze Flüchtigkeit des Augenblicks fest. Der Papst warf nur einen kurzen Blick auf die katholischen Bittsteller aus Pakistan, die mit flehentlichem und ratlosem Ausdruck Franziskus um Hilfe baten für die Ehefrau, die Mutter, die Katholikin, die seit 2010 in der Todeszelle sitzt.
Magister beschrieb die Situation mit den Worten:
„Franziskus blieb nicht stehen. Er hörte ihnen nicht zu und segnete sie auch nicht. Das Mädchen blickte ihn erstaunt über soviel Kälte an. Es lief alles ab, als würde der Name Asia Bibi dem Papst nichts sagen.“
Papst Franziskus verhielt sich nicht anders als die westliche „Zivilgesellschaft“, der der Fall Asia Bibi unangenehm ist. Warum? Asia Bibi ist (nur) Christin, und es geht um den Islam.
Seither sind fast zwei Jahre vergangen. Asia Bibi sitzt seit fast neun Jahre im Gefängnis. Ein Ende ist nicht absehbar. Papst Franziskus wird heute aber erstmals Familienangehörige der pakistanischen Mutter in Audienz empfangen.
Was den Papst zur Haltungsänderung des Vatikans geführt hat, ist derzeit nicht bekannt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews/Kirche in Not (Screenshots)