von Ferdinand Boischot
Der große griechische Historiker Herodot (484–426 v. C.) beschreibt in seinem Werk Historien über die Perserkriege in einem Nebenkapitel die rührende Geschichte vom Ring des Polykrates.
Der Ring des Polykrates
Polykrates war im 6. Jahrhundert vor Christus Tyrann und Alleinherrscher der Insel Samos in der Ägäis. Alle seine Unternehmungen waren von Erfolg gekrönt, und er galt als der glücklichste Mensch auf Erden. Damit die Götter auf ihn nicht neidisch würden, wollte er sich selbst ein Unglück zufügen.
Bei einer Bootsfahrt warf er seinen außerordentlich schönen, von ihm geliebten goldenen Ring ins Meer und verspürte tatsächlich Trauer. Wenig später fingen zwei Fischer einen großen goldenen Fisch und brachten ihn dem Tyrannen Polykrates als Geschenk. Groß war die Überraschung, als beim Ausnehmen des Fisches der goldene Ring des Herrschers zum Vorschein kam.
Polykrates weinte sehr, denn er wußte: Die Götter werden sich irgendwann für dieses unglaubliche Glück rächen.
Wenig später wurde Polykrates betrügerisch von den Persern aufs Festland gelockt und starb einen grausamen Tod.
Der Ring des Godfried Danneels
Ebenso unglaublich aber völlig real ist die Geschichte des Bischofsrings von Kardinal Danneels.
Die Geschichte nahm ihren Anfang an einem hochsommerlichen Montagnachmittag 1981 in der erzbischöflichen Stadt Mecheln in Belgien. Ein sehr blasser und schlanker junger Mann, etwas ungepflegt, betrat einen Juwelierladen und fragte, ob man den von ihm mitgebrachten Ring nicht schätzen könnte.
Der Juwelier erkannte als Fachmann sofort, was ihm gezeigt wurde, willigte ein und nahm den Ring zur Begutachtung ins Hinterzimmer:
Es war der Bischofsring seines Erzbischofs Godfried Danneels, der 1977 zum Erzbischof von Mecheln-Brüssel und Primas von Belgien ernannt worden war.
Sofort wurde die Polizei von Mecheln alarmiert, die aus allen Wolken fiel. Vom erzbischöflichen Ordinariat lag weder eine Verlustmeldung vor noch war ein Einbruch oder Diebstahl angezeigt worden.
Die Polizei benachrichtigte das Sekretariat des Erzbischofs, das sehr freundlich, dankbar und zuvorkommend regierte, sich zugleich aber recht zugeknüpft gab, was die Umstände des offensichtlichen Verlustes betraf.
Der mysteriöse Fall
Später fand sich irgendwo im erzbischöflichen Palast ein eingeschlagenes Fensterchen. Godfried Danneels sagte aus, daß er etwas Lärm gehört hätte und flüchtig zwei schattenhafte Gestalten fliehen hätte sehen. Die zwei betagten Ordensfrauen, die auch im Palast lebten, hatten weder etwas gesehen oder gehört.
Außer dem Ring fehlte nichts.
Nach Aussagen des Kardinals und seiner direkten Mitarbeiter habe der Bischofsring immer auf dem Schreibtisch des Erzbischofs gelegen. Sein Verschwinden sei nicht aufgefallen gewesen.
Wieso das Fehlen eines der wichtigsten Insignien und Pontifikalien eines Bischofs[1]Bei der Bischofsweihe, wenn ihm der Ring übergeben wird, wird ihm gesagt: „Nimm den Ring, das Siegel der Treue, damit du Gottes heilige Braut, die Kirche, geschmückt durch unwandelbare Treue, … Continue reading mindestens mehrere Tage unbemerkt bleiben konnte, und dies trotz täglicher Meßverpflichtung, blieb eine offene Frage.
Der blasse Jüngling war auch nicht sehr auskunftsfreudig.
Ein sehr mysteriöser Fall mit vielen Ungereimtheiten.
Vergeben und (fast) vergessen
Das Erzbistum, offensichtlich sehr glücklich, daß das verlorene Stück wieder zurück war, übte sich großzügigste Misericordia und wollte alles vergeben und vergessen und nicht an die große Glocke hängen.
Das aber war schlecht möglich. Inzwischen wußten schon zu viele Personen von diesem kuriosen Fall. Noch ärgerlicher war, daß Danneels, schon durch andere Eigenheiten und merkwürdige Kontakte aufgefallen und immer wieder mit sexuellen Themen hantierend, erneut in eine pikante Situation geraten war.
Freunde aus Danneeels Umfeld, die den Erzbischof stümperhaft verteidigten, kamen so auf die wirklich dumme Idee, das mysteriöse Auftauchen des erzbischöflichen Bischofsrings mit einer Diebstahlgeschichte in Verbindung zu bringen, die verspätet, aber dafür ausgiebig an die Presse weitergereicht und auch international verbreitet wurde.
In den folgenden Dekaden der kirchlicher Zerstörung und Vertuschung von kirchlichen und bischöflichen Skandalen konnten die belgischen Medien fast völlig auf Mainstream-Linie gebracht und von Kritik dazu gesäubert werden.
International und später mit den neuen Medien klappte das natürlich nicht. Paradoxerweise führte gerade die von Erzbistum gesteuerte Presseaktion dazu, daß diese mysteriöse Ring-Geschichte dokumentiert wurde.
Die holländische Zeitung Leidse Courant (komplett im Internet archiviert) vom Mittwoch, 22. Juli 1981 berichtete über den Diebstahl. Der Ring war damals schon aufgetaucht! Eine solche Episode ließ sich eben nicht verstecken.
Sie wird auch kurz in der großen Danneels-Biographie erwähnt, die 2015 von seinem Freund und Bewunderer Jürgen Mettepenningen, einem ausgetretenen und inzwischen verheirateten Ex-Benediktinermönch, veröffentlicht wurde.
Typisch für die Ära
Von dem blassen jungen Mann, der den Ring schätzen lassen wollte, wurde übrigens nie mehr gesprochen.
Theoretisch dürfte als Straftatbestand Diebstahl/Einbruch/Hehlerei oder Beteiligung daran vorgelegen haben. Wie Kardinal Danneels aber immer wieder sagte, und wohl noch bis zum bitteren Ende (in den Danneelstapes mit dem mißbrauchten Neffen seines Freundes und pädophilen Bischofs von Brügge, Roger Vangheluwe) sagen wird: „Man muß vergeben und vergessen können“.
Von großem Respekt für die Bischofsinsignien und Sinn für das Sakrale kündet die Geschichte jedenfalls nicht. Vielmehr ist sie typisch für die Ära Danneels: jede Menge Unsinn, Häresien und Fehler, und alles vertuscht, beschönigt und zurechtgebogen.
Die Mafia von Sankt Gallen hatte schon sehr merkwürdige Mitglieder.
Text: Ferdinand Boischot
Bild: Ebay/Wikicommons/MiL (Screenshots)
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↑1 | Bei der Bischofsweihe, wenn ihm der Ring übergeben wird, wird ihm gesagt: „Nimm den Ring, das Siegel der Treue, damit du Gottes heilige Braut, die Kirche, geschmückt durch unwandelbare Treue, unverletzt behütest“. Der Ring ist das Symbol der dauernden Bindung des Bischofs an sein Bistum. |
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