Techno-Heuchelei in der Kirche


Electric Church, Österreichs Bischofskirchen mit Technomusik füllen.
Electric Church, Österreichs Bischofskirchen mit Technomusik füllen.

Der Blick von Außen­ste­hen­den hilft den Betrof­fe­nen manch­mal, die Din­ge deut­li­cher zu sehen und leich­ter anzu­neh­men. Andrea Zam­bra­no, Alt­phi­lo­lo­ge, der seit 20 Jah­ren als Jour­na­list tätig ist, nahm für die Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na das öster­rei­chi­sche Pro­jekt elec­tric church unter die Lupe, für das sogar Bischofs­kir­chen zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Dabei han­delt es sich um ein Musik­pro­jekt mit Mul­ti­me­dia­show, Licht­ef­fek­ten, Tanz- und Gesangs­ein­la­gen und vor allem Tech­no.

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Zwei Anmer­kun­gen vor­aus. Erstens: Das Pro­jekt beschränkt sich auf die „Aus­ein­an­der­set­zung mit facet­ten­rei­chen Sze­nen des Alten Testa­ments“. Das Neue Testa­ment, das wesent­lich Christ­li­che, wird aus­ge­klam­mert. Zwei­tens fällt auch, daß das Pro­jekt auf der offi­zi­el­len Inter­net­sei­te neun Stim­men zu Wort kom­men läßt: zwei Elec­tric-Church-Macher selbst, drei Prie­ster (zwei Dom­pfar­rer und ein Kir­chen­rek­tor), aber vier Poli­ti­ker (zwei Bür­ger­mei­ster von Lan­des­haupt­städ­ten und zwei Lan­des­haupt­män­ner), und alle vier gehö­ren der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Öster­reichs (SPÖ) an. Dar­auf kann sich nun jeder selbst sei­nen Reim machen, nach­dem er Zam­bra­nos Arti­kel gele­sen hat.

Electric Church, die Techno-Heuchelei in der Kirche

von Andrea Zambrano

Eine neue mysti­sche Erfah­rung. Die neue Front der kirch­lich kor­rek­ten Heu­che­lei nennt sich elec­tric church. Eine Katho­li­zi­tät, die Dog­men, Glau­ben, Fröm­mig­keit und Ver­ti­ka­li­tät auf­gibt, bringt Mon­ster her­vor. Das neue­ste hat sogar den bit­te­ren Bei­geschmack einer Pro­fa­nie­rung mit bischöf­li­chem Stem­pel und Siegel.

Stephansdom im Showeffekt
Ste­phans­dom im Showeffekt

Öster­reich. Die Haupt­kir­chen wer­den zum Thea­ter für Kon­zer­te elek­tro­ni­scher Musik. Es sind nicht irgend­wel­chen Kir­chen, wie es in Ita­li­en der Fall ist, näm­lich ent­weih­te Kir­chen. Es ist der Dom von Inns­bruck zum Bei­spiel. In St. Jakob wur­den bereits ver­schie­de­ne Per­for­mance von musi­ka­li­schen Künst­lern samt Tanz­ein­la­gen, Büh­nen­bild und vor allem stro­bo­sko­pi­schen oder „psy­che­de­li­schen“ Licht­ef­fek­ten. Sie sagen, daß das die neue Front sei, die der elek­tro­ni­schen Musik, gemein­hin als Tech­no bekannt. Kurz­um: Dis­ko­the­ken­mu­sik, über­ar­bei­tet und kor­ri­giert, um ver­dau­li­cher an einem hei­li­gen Ort hör­bar zu erschei­nen. Und da die Kir­che mit der Zeit Schritt­hal­ten soll, war­um nicht die­ser Musik auch in den Got­tes­häu­sern Gast­recht ein­räu­men, die aus habs­bur­gi­scher Zeit stam­men? Eben. Aber es geht nicht nur um Inns­bruck. Auch die Kathe­dra­len von Linz und Kla­gen­furt ver­schmä­hen es nicht, die­se Per­for­mance direkt auf ihren Inter­net­sei­ten zu bewerben.

Der Kla­gen­fur­ter Dom­pfar­rer Peter All­mai­er ist sogar begeistert:

„Die elec­tric church hat mit der pro­fes­sio­nel­len Pro­jek­ti­ons­tech­no­lo­gie den mysti­schen Cha­rak­ter der Dom­kir­che auch für mich zu einem ganz neu­en Erleb­nis wer­den las­sen. Und die musi­ka­li­sche Inter­pre­ta­ti­on der bibli­schen Frau­en­ge­stal­ten war sowie­so perfekt.“

Es genügt, die Per­for­mance mit irgend etwas reli­giö­sem zu deko­rie­ren, und schon ist es pas­sa­bel und man denkt, daß es akzep­tiert wer­den könnte.

Die Haupt­stadt Wien durf­te da natür­lich nicht nachstehen.

„ELECTRIC CHURCH ist ein ‚Ora­to­ri­um‘ mit den Mit­teln unse­rer Zeit, Sound, Licht und Per­for­mance – und dabei bleibt der sakra­le Cha­rak­ter einer Kir­che erhal­ten. Gratuliere!“

So Chri­sti­an Spa­lek (Opus Dei), Rek­tor von St. Peter in Wien. Und so kommt man zuletzt zum Ste­phans­dom. Der vor allem auf den Chronik­sei­ten bekann­te Toni Faber, Dom­pfar­rer der bedeu­tend­sten Kir­che Öster­reichs, meint:

„Bei der ELECTRIC CHURCH wird Glau­ben zum Erleb­nis. Ein vol­les Got­tes­haus, in dem sich die Kul­tur ent­fal­tet, ist auch für mich bewegend.“

Geht es noch heuch­le­ri­scher? Eine fra­gi­le Kir­che, die vor der Welt auf dem Bauch liegt, die sich dar­an erfreut, weil die Kir­chen sich fül­len, nicht um zu beten, son­dern um einem Musik­spek­ta­kel bei­zu­woh­nen, das fas­zi­nie­rend sein mag wie­viel es will, aber immer nur eine rein mensch­li­che und welt­li­che Erfah­rung bleibt. Wel­che Glau­bens­er­fah­rung soll­te man denn machen, indem der Altar in eine Büh­ne ver­wan­delt und die Fres­ken durch Licht­ef­fek­te ver­frem­det zum Büh­nen­bild wer­den? Wel­che Mystik kann das sein von Initia­ti­ven, die das Gött­li­che aus­schlie­ßen, obwohl genau die­se Begeg­nung die ein­zig erlaub­te in einer Kir­che ist?

Gra­be, gra­be und man fin­det, daß auch hier der Gott Geld eine Rol­le spielt. Um die Per­for­mance sehen zu kön­nen, muß man bezah­len. Für eine Ein­tritts­kar­te wer­den Prei­se bis zu 71 Euro ver­langt. Das Gesamt­pa­ket sieht aller­dings auch eine After-Show-Par­ty vor (immer­hin nicht in der Kir­che, son­dern in nahen Loka­len) mit Abend­essen und – sagen wir – After Hour. Auf­grund der ver­öf­fent­lich­ten Bil­der läßt sich unschwer erah­nen, daß es sich nicht um einen Moment der Anbe­tung han­delt als Fort­set­zung der Gna­den der Hei­li­gen Messe.

Es kommt einem das Lachen, wenn man dar­an denkt, daß die Kir­chen­ver­tre­ter ihre Zustim­mung zu die­sem Sakri­leg in der ver­steck­ten, aber illu­so­ri­schen Hoff­nung erteil­ten, dadurch Leu­te in die Kir­che zu brin­gen. Das Publi­kum ist aber nicht blöd: Sobald die Eupho­rie des Neu­en ver­fliegt, ist auch das Inter­es­se dahin. Den Beweis lie­fert ein Teilnehmer:

„Super Loca­ti­on. Lei­der mit bibli­schen Erzäh­lun­gen. Elec­tric Church in einer Super Loca­ti­on wie dem Ste­phans­dom. Aller­dings offen­bar zum Preis, daß bibli­sche Geschich­ten erzählt wer­den müs­sen… Das trübt das Pro­jekt etwas.“

Eben. Und das war vorhersehbar.

Beim näch­sten Mal wird man das anspruchs­vol­le, zah­len­de Publi­kum damit zufrie­den­stel­len, indem man jeden Bezug zum katho­li­schen Glau­ben streicht. Damit wird dann die Ope­ra­ti­on zur Umwand­lung der Kir­chen, der Kathe­dral­kir­chen, in viel­sei­ti­ge Are­nen voll­endet sein.

Wenn man bedenkt: Im Ste­phans­dom in Wien wur­de 1683 das histo­ri­sche Te Deum gefei­ert zum Dank für den Sieg, mit dem die osma­ni­schen Trup­pen zurück­ge­wor­fen und die isla­mi­sche Erobe­rung Euro­pas abge­wen­det wer­den konn­te. Der zuneh­men­de Isla­mis­mus unse­rer Tage dürf­te sich bald nicht mehr so schwer tun. Es wird rei­chen„ daß die Lich­ter in den Kir­chen aus und die Strom­zu­fuhr unter­bro­chen ist. Weit ist es bis dahin nicht mehr.

Ein­lei­tung: Mar­tha Burger-Weinzl
Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Elec­tric Church (Screen­shots)

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