Kardinal Müller: Gefahr für die Einheit der Kirche


Kardinal Gerhard Müller sagte in einem Gespräch mit der Neuen Passauer Presse, im Motu proprio Magnum principium eine Gefahr für die Einheit der Kirche zu sehen.
Kardinal Gerhard Müller sagte in einem Gespräch mit der Neuen Passauer Presse, im Motu proprio Magnum principium eine Gefahr für die Einheit der Kirche zu sehen.

(Rom) Nach Kar­di­nal Robert Sarah erteil­te auch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler den Bestim­mun­gen des neu­en Motu pro­prio Magnum Prin­ci­pi­um von Papst Fran­zis­kus eine Absa­ge. Dies geht aus einem gestern von der Pas­sau­er Neu­en Pres­se ver­öf­fent­lich­ten Inter­view mit dem ehe­ma­li­gen Prä­fek­ten der römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on hervor.

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Im Vor­spann zum Inter­view schreibt die baye­ri­sche Tageszeitung:

„Kar­di­nal Ger­hard Lud­wig Mül­ler hat sich in einer wich­ti­gen theo­lo­gi­schen Fra­ge gegen Papst Fran­zis­kus gestellt. Im Inter­view mit der PNP kri­ti­sier­te er des­sen Ent­schei­dung, den natio­na­len Bischofs­kon­fe­ren­zen bei der Über­set­zung lit­ur­gi­scher Tex­te mehr Kom­pe­ten­zen zuzu­ge­ste­hen. Der frü­he­re Prä­fekt der Römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on sag­te: ‚Die letz­te Auto­ri­tät im Zwei­fels­fall kann nicht bei den Bischofs­kon­fe­ren­zen lie­gen. Das wür­de die Ein­heit der katho­li­schen Kir­che im Glau­ben, im Bekennt­nis und im Gebet zerstören‘.“

Bereits Kar­di­nal Robert Sarah, der zustän­di­ge Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung, hat­te die „Dezen­tra­li­sie­rung“ kri­ti­siert und eine Inter­pre­ta­ti­on des Motu pro­prio erlas­sen, das des­sen Wir­kung ein­schrän­ken sollte.

Dreifaches fideliter und 120 Gremien statt einem

Franziskus widersprach Kardinal Sarah energisch: Dezentralisierung bleibt
Fran­zis­kus wider­sprach Kar­di­nal Sarah ener­gisch: Dezen­tra­li­sie­rung bleibt

Fran­zis­kus wider­sprach sei­nem zustän­di­gen Mini­ster jedoch ener­gisch und hob des­sen ein­schrän­ken­de Inter­pre­ta­ti­on wie­der auf. Der Papst bekräf­tig­te, daß die Über­set­zung des römi­schen Meß­bu­ches in die Volks­spra­chen, aber auch Kor­rek­tu­ren an dem­sel­ben, seit dem 1. Okto­ber pri­mä­re Zustän­dig­keit der Bischofs­kon­fe­ren­zen ist. Rom kom­me nicht mehr die Auf­ga­be zu, die­se Über­set­zun­gen und Kor­rek­tu­ren zu geneh­mi­gen, son­dern nur mehr zu bestätigen.

Kri­ti­ker, dar­un­ter Kar­di­nal Sarah als zustän­di­ger Dik­aste­ri­en­lei­ter, sehen zwei schwer­wie­gen­de Gefah­ren, durch wel­che die Uni­ver­sa­li­tät und die Ein­heit der Kir­che gefähr­det sei. Da es welt­weit bereits 120 Bischofs­kon­fe­ren­zen gibt, bestehe die Gefahr, daß die­se unter­schied­li­che Ent­schei­dun­gen tref­fen und damit Unter­schie­de in den Inhal­ten auf­tre­ten. Wie kön­ne näm­lich gewähr­lei­stet wer­den, daß alle die­se Bischofs­kon­fe­ren­zen, die mit Mehr­heits­be­schlüs­sen ent­schei­den, sich fide­li­ter, treu, an das latei­ni­sche Ori­gi­nal halten.

Da die Bischofs­kon­fe­ren­zen nach Staa­ten und nicht nach Völ­kern orga­ni­siert sind, haben zudem teils meh­re­re Bischofs­kon­fe­ren­zen über die­sel­be Spra­che zu ent­schei­den und könn­ten nicht nur zwi­schen, son­dern auch inner­halb der­sel­ben Spra­che unter­schied­li­che Ent­schei­dun­gen tref­fen. Die Lit­ur­gie in der deut­schen Spra­che betrifft min­de­stens sechs ver­schie­de­ne Bischofs­kon­fe­ren­zen. Über die Meß­tex­te in der spa­ni­schen Spra­che ent­schei­det eben­so die Bischofs­kon­fe­renz von Spa­ni­en, von Uru­gu­ay, aber auch jene der USA. Dies alles könn­te die Ein­heit der Kir­che sicht­bar gefährden.

Vor allem wer­de grund­sätz­lich die Stel­lung Roms als sicht­ba­res Band der Ein­heit in der Kir­che geschwächt.

Kardinal Müller: „Habe oftmals erlebt …“

Zur Pas­sau­er Neu­en Pres­se sag­te Kar­di­nal Mül­ler, es sehr zu bedauern,

„dass bei der Fra­ge der rich­ti­gen und treu­en Über­set­zung der ori­gi­na­len latei­ni­schen Lit­ur­gie­spra­che des römi­schen Ritus sol­che Frik­tio­nen ent­stan­den sind“.

Er habe es

„oft­mals erlebt, dass die von den Bischö­fen her­an­ge­zo­ge­nen Über­set­zer die bibli­schen und lit­ur­gi­schen Tex­te unter dem Vor­wand der bes­se­ren Ver­ständ­lich­keit ver­wäs­sert haben“.

Die Neue Pas­sau­er Pres­se schrieb:

„Als Bei­spie­le nann­te Mül­ler ‚hoch anspruchs­vol­le Leh­ren‘ wie etwa den stell­ver­tre­ten­den Süh­ne­tod Jesu am Kreuz: Die­se wür­den ‚in man­chen Län­dern weg­ra­tio­na­li­siert oder auf ethi­sche Appel­le her­un­ter­ge­bro­chen und so des katho­li­schen Heils­rea­lis­mus entkleidet‘.“

Papst verordnet Aufweichung der Treue

Schwer­wie­gen­de Vor­wür­fe, die Papst Fran­zis­kus offen­bar kalt­las­sen. In sei­ner schar­fen Replik auf den Ver­such einer Kurs­kor­rek­tur durch Kar­di­nal Sarah leg­te Fran­zis­kus fest, daß es nicht mehr nur eines, son­dern drei Kri­te­ri­en für die Über­set­zun­gen gebe. Das bis­her ent­schei­den­de wird damit gegen­über neu­en Kri­te­ri­en in den Hin­ter­grund gedrängt.

Wäh­rend Kar­di­nal Sarah dar­auf beharr­te, daß die Über­set­zung in die Volks­spra­che in Treue (fide­li­ter) zum ver­bind­li­chen latei­ni­schen Ori­gi­nal zu erfol­gen habe, ver­kün­de­te Fran­zis­kus nun eine „drei­fa­che Treue“. Die Über­set­zun­gen müß­ten dem Ori­gi­nal, der Volks­spra­che und der Ver­ständ­lich­keit für die Adres­sa­ten ent­spre­chen. Die „drei­fa­che Treue“ meint damit nicht eine noch grö­ße­re Treue, son­dern eine Auf­wei­chung der Treue gegen­über der latei­ni­schen Edi­tio typi­ca des Mis­sa­le Roma­num. Rober­to Cascio­li, der Chef­re­dak­teur der Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na schrieb dazu am 23. Oktober:

    „Das läßt ver­ste­hen, daß Magnum Prin­ci­pi­um als Beginn eines Pro­zes­ses ver­stan­den wird, der sehr weit [weg] füh­ren kann“.

Neu­see­lands Bischö­fe haben bereits den Wunsch depo­niert, eine „alter­na­ti­ve Über­set­zung“ des Mis­sa­le Roma­num zu wollen.

Konflikt hausgemacht

Bis­her im Kon­flikt nicht erwähnt wur­de das Tabu­the­ma, daß die­ses Pro­blem durch die Lit­ur­gie­re­for­men von 1965 und 1969 haus­ge­macht ist. Bis dahin galt als uni­ver­sa­le Kult­spra­che der katho­li­schen Kir­che das Latein. Die Über­set­zungs­pro­ble­me tra­ten erst mit der Zulas­sung der Volks­spra­chen auf, wie sie vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil erlaubt wurde.

Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und dann als Papst Bene­dikt XVI. ver­such­te gegen Fehl­ent­wick­lun­gen die­ser Lit­ur­gie­re­for­men kor­ri­gie­rend ein­zu­grei­fen, vor allem was die Wand­lungs­wor­te betrifft. Das Motu pro­prio Magnum prin­ci­pi­um ist die Retour­kut­sche für die­se Bestre­bun­gen und drängt noch deut­li­cher und struk­tu­rell in eine ande­re Richtung.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Neue Pas­sau­er Pres­se (Screen­shot)

 

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