Unterstützt Papst Franziskus Übersetzung von „pro multis“ als „für viele“?


Am vergangenen Freitag zelebrierte Papst Franziskus im Petersdom eine Heilige Messe für die verstorbenen Kardinäle.
Am vergangenen Freitag zelebrierte Papst Franziskus im Petersdom eine Heilige Messe für die verstorbenen Kardinäle.

(Rom) Unter­stützt Papst Fran­zis­kus, wenn auch ganz zurück­hal­tend, das Pro mul­tis in den Wand­lungs­wor­ten als „für vie­le“ in den Volkssprachen?

„Reform der Reform“ von Benedikt XVI. – was bleibt?

Papst Franziskus: "Viele"
Papst Fran­zis­kus: „Vie­le“
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Die Reform der Lit­ur­gie­re­form war das gro­ße Anlie­gen von Papst Bene­dikt XVI., das er bereits als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on unter Papst Johan­nes Paul II. anstreb­te. Die Sache war ihm beson­ders ernst, weil er dar­in eine Fra­ge von exi­sten­ti­el­ler Bedeu­tung für die Kir­che erkannte.

Jahr­zehn­te reich­ten jedoch nicht aus, um die gewünsch­te Wen­de, die auch eine Wie­der­ge­win­nung der Sakra­li­tät zum Ziel hät­te, welt­weit her­bei­zu­füh­ren. Nach einer lan­gen Anlauf­zeit wur­de die Instruk­ti­on Lit­ur­giam authen­ti­cam von 2001 zu einem Eck­pfei­ler. Seit­her sind auch wie­der 16 Jah­re ver­gan­gen. 2006 wies Bene­dikt die Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on an, daß die Über­set­zun­gen des Mis­sa­le Roma­num in die Volks­spra­chen das pro mul­tis als „für vie­le“ und nicht mehr als „für alle“ wie­der­zu­ge­ben haben.

Mit dem Motu pro­prio Magnum prin­ci­pi­um von Papst Fran­zis­kus, das am 1. Okto­ber in Kraft getre­ten ist, schei­nen wesent­li­che Bemü­hun­gen von Bene­dikt XVI. wie­der besei­tigt wor­den zu sein, noch ehe sie in man­chen Sprach­ge­bie­ten umge­setzt wur­den. Im eng­li­schen Sprach­raum, wo sie umge­setzt wur­de, regen sich durch mit Ver­weis auf das Motu pro­prio bereits Stim­men, die Reform Bene­dikts wie­der zurückzunehmen.

Im Gegen­satz zu Bene­dikt XVI. fehlt Papst Fran­zis­kus eine lit­ur­gi­sche Sen­si­bi­li­tät. Als Grund dafür wird häu­fig, auch in römi­schen Krei­sen, sei­ne Her­kunft als Latein­ame­ri­ka­ner und sei­ne Zuge­hö­rig­keit zum Jesui­ten­or­den genannt. Bei­de Fak­to­ren zusam­men wür­den ein wirk­li­ches Ver­ständ­nis für lit­ur­gi­sche Fra­gen verhindern.

Die Predigt von Papst Franziskus am 3. November

Am 3. Novem­ber, zele­brier­te Papst Fran­zis­kus im Peters­dom eine Hei­li­ge Mes­se für die im Lau­fe des ver­gan­ge­nen Jah­res ver­stor­be­nen Kar­di­nä­le. 2017 sind bis­her drei­zehn Kar­di­nä­le gestor­ben. Sie­ben von ihnen durf­ten im März 2013 aus Alters­grün­den schon nicht mehr mit­wäh­len. Drei von jenen, die am Kon­kla­ve teil­ge­nom­men hat­ten, die Kar­di­nä­le Meis­ner, Caf­farra und De Pao­lis, hat­ten sich dem Kurs von Fran­zis­kus beim The­ma Ehe­sa­kra­ment öffent­lich ent­ge­gen­ge­stellt. Kar­di­nal Cor­mac Murphy‑O’Connor, der aller­dings nicht mehr wäh­len durf­te, gehör­te hin­ge­gen zum Team Berg­o­glio, das im Vor­feld und im Kon­kla­ve für die Wahl von Kar­di­nal Berg­o­glio warb.

In sei­ner Pre­digt am ver­gan­ge­nen Frei­tag sag­te Franziskus:

„Die erste Lesung ist Aus­druck einer star­ken Hoff­nung auf die Auf­er­ste­hung der Gerech­ten: »Von denen, die im Land des Stau­bes schla­fen, wer­den vie­le erwa­chen, die einen zum ewi­gen Leben, die ande­ren zur Schmach, zu ewi­gem Abscheu« (Dan 12,2) Mit den­je­ni­gen, die im Land des Stau­bes schla­fen, d.h. in der Erde, sind offen­sicht­lich die Toten gemeint, und das Erwa­chen vom Tod ist nicht auto­ma­tisch eine Rück­kehr ins Leben: Eini­ge wer­den in der Tat zum ewi­gen Leben erwa­chen, ande­re zur ewi­gen Schmach. Der Tod macht die „Weg­ga­be­lung“ end­gül­tig, vor der wir schon hier in die­ser Welt ste­hen: vor dem Weg des Lebens, also mit Gott, oder vor dem Weg des Todes, also fern von Ihm. Die „Vie­len“, die zum ewi­gen Leben erwa­chen, sind zu ver­ste­hen als die „Vie­len“, für die das Blut Chri­sti ver­gos­sen wur­de. Es ist die gro­ße Zahl derer, die dank der barm­her­zi­gen Güte Got­tes die Wirk­lich­keit des unver­gäng­li­chen Lebens erfah­ren dür­fen, den durch die Auf­er­ste­hung errun­ge­nen voll­kom­me­nen Sieg über den Tod.“

Die ent­schei­den­de Stel­le ist vor dem Hin­ter­grund der lang­jäh­ri­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die Wand­lungs­wor­te zu wiederholen:

„Die ‚Vie­len‘, die zum ewi­gen Leben erwa­chen, sind zu ver­ste­hen als die ‚Vie­len‘, für die das Blut Chri­sti ver­gos­sen wurde.“

An der Sache erstaunt auch, daß das päpst­li­che Umfeld die­se Aus­sa­ge von Fran­zis­kus nicht son­der­lich her­vor­ge­ho­ben wur­de, um jene „Kon­ti­nui­tät“ zu sei­nen Vor­gän­gern zu behaup­ten, die in Wirk­lich­keit gar nicht gege­ben ist. Medi­en des päpst­li­chen Umfel­des berich­te­ten zwar über die Pre­digt und erwähn­ten dabei auch die Stel­le mit den „vie­len“, ohne aber direkt dar­auf einzugehen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shots)

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6 Kommentare

  1. Die deut­sche Bischofs­kon­fe­renz wür­de glatt der Schlag tref­fen, wenn Fran­zis­kus die Kor­rek­tur der falsch über­setz­ten Wand­lungs­wor­te for­dern würde.

  2. Mir scheint, das Wort Demut ist in der Kir­che in Deutsch­land verschollen.
    Und das Wort Umkehr ist das Unwort seit Jahrzehnten.

    Wie ist eigent­lich die Wider­stän­dig­keit und Wider­spen­stig­keit gegen den ober­sten Leh­rer der Kir­che zu werten?

    Ich sehe einen kata­stro­pha­len Unter­schied zwi­schen den Sün­den aus Schwä­che und denen aus Hochmut.

    • Es ist das alte Lied, wes­halb sich vie­le Men­schen (Gro­ße und Klei­ne, Gebil­de­te und Unge­bil­de­te, Kle­ri­ker und Lai­en …) ‑wider bes­se­ren Wis­sens- wei­gern, von ihrem fal­schen Weg umzu­keh­ren. Sie wis­sen, dass sie durch ihre Umkehr ihr vor­he­ri­ges fal­sches Tun zugäben.
      Und das wol­len sie eben schlicht­weg nicht.

      • Es ist nicht nur das zuge­ben, es ist auch das dar­an hal­ten. Wie ger­ne bekommt man doch sei­ne Laster und Sün­den und kann sich nicht vor­stel­len, ohne die­se zu leben. Man lebt in der irri­gen Mei­nung, dass die­se Laster etwas Gutes für einem sind („man gönnt sich ja sonst nichts“) und merkt nicht, dass das Los­las­sen eine Befrei­ung ist. Oder man müss­te das hal­be Leben umstel­len, das hin­dert auch vie­le an der Umkehr.

  3. „Im Gegen­satz zu Bene­dikt XVI. fehlt Papst Fran­zis­kus eine lit­ur­gi­sche Sen­si­bi­li­tät. Als Grund dafür wird häu­fig, auch in römi­schen Krei­sen, sei­ne Her­kunft als Latein­ame­ri­ka­ner und sei­ne Zuge­hö­rig­keit zum Jesui­ten­or­den genannt. Bei­de Fak­to­ren zusam­men wür­den ein wirk­li­ches Ver­ständ­nis für lit­ur­gi­sche Fra­gen verhindern.“

    Es sei dar­auf hin­ge­wie­sen, daß das Ver­schwin­den „lit­ur­gi­scher Sen­si­bi­li­tät“, mit ande­ren Wor­ten, die Anar­chie in der heu­ti­gen Lit­ur­gie (oder was von ihr noch übrig ist) mit dem Jesui­ten­or­den per se nichts zu tun hat. 

    Igna­ti­us lieb­te die hei­li­ge Mes­se und wird daher iko­no­gra­phisch meist im barocken Meß­ge­wand dar­ge­stellt. Weil er einen Mis­si­ons­or­den woll­te und kei­ne Mönchs­ge­mein­schaft, neh­men sich die Jesui­ten seit jeher zwar weni­ger Zeit für die Lit­ur­gie (wie die Bene­dik­ti­ner), aber das bedeu­tet kei­nen Frei­brief für Schlam­pig­keit oder Anarchie.

    Der Ver­fall der „lit­ur­gi­schen Sen­si­bi­li­tät“ und der Zusam­men­bruch der hl. Mes­se in der „latei­ni­schen Kir­che“ (Nicht mehr viel Latein da, oder?) ist eine Fol­ge der zu Unrecht so genann­ten „Lit­ur­gie­re­form“ von Papst Paul VI., die in einem tyran­ni­schen Akt den Prie­stern, Ordens­leu­ten und Lai­en auf­ge­nö­tigt wurde. 

    Sie hat daher nicht nur bei den Jesui­ten son­dern prak­tisch über­all zum Ver­fall der Lit­ur­gie geführt. Igna­ti­us hät­te das nicht gutgeheißen.

  4. Inter­es­sant ist, daß Papst Fran­zis­kus aus­ge­rech­net in der Pre­digt wäh­rend der Mes­se für die im letz­ten Jahr ver­stor­be­nen Kar­di­nä­le – Namen und Gei­stes­hal­tung eini­ger ste­hen im Arti­kel – die Ansicht ver­tritt, daß „vie­le“ und nicht „alle“ geret­tet werden…

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