Papst Franziskus legt dem heiligen Paulus (erneut) Worte in den Mund


Heiliger Paulus, stigmatisiert, von Carpaccio, 1520
Heiliger Paulus, stigmatisiert, von Carpaccio, 1520

(Rom) Auf wel­che Fas­sung der Hei­li­gen Schrift stützt Papst Fran­zis­kus sei­ne mor­gend­li­chen Pre­dig­ten in San­ta Mar­ta? Die­se Fra­ge drängt sich nach der heu­ti­gen Homi­lie auf, und das nicht zum ersten Mal.

Papst zitiert erneut Paulus-Worte, die es nicht gibt

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Liest Papst Fran­zis­kus viel­leicht gar die Arti­kel des renom­mier­ten Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster, der in sei­ner Zunft das aktu­el­le Pon­ti­fi­kat beson­ders kri­tisch begleitet?

Vor vier Tagen leg­te Magi­ster einen bemer­kens­wer­ten Arti­kel über die „Letz­ten Din­ge“ laut Papst Fran­zis­kus vor. Dar­in zeig­te er auf, daß „Fran­zis­kus die Nei­gung hat, das Gericht ver­schwim­men zu lassen“.

Als Beleg führ­te der Vati­ka­nist eine Stel­le aus der mor­gend­li­chen Pre­digt von Fran­zis­kus vom 4. Sep­tem­ber 2014 an. Der Papst zitier­te damals den Zwei­ten Brief an die Korin­ther (2 Kor 11,30), leg­te aber dem hei­li­gen Pau­lus Wor­te in den Mund, die sich in der Hei­li­gen Schrift nicht fin­den. Pau­lus habe laut Fran­zis­kus gesagt:

„Ich prah­le nur mit mei­nen Sünden.“

Zugleich for­der­te der Papst die Gläu­bi­gen auf, eben­falls mit ihren Sün­den „zu prah­len“, weil sie durch Jesus am Kreuz ver­ge­ben sei­en. Die Aus­sa­ge erin­nert an kei­nen katho­li­schen Theo­lo­gen, son­dern an Mar­tin Luther.

In Wirk­lich­keit zählt der Apo­stel an die­ser Stel­le näm­lich die Ver­fol­gun­gen auf, die er erlit­ten hat­te: Gefäng­nis, Stei­ni­gung, Schiff­bruch, Fol­ter. Eine Auf­li­stung die er mit dem Satz abschließt:

„Wenn schon geprahlt sein muß, will ich mit mei­ner Schwach­heit prahlen.“

Im zwölf­ten Kapi­tel des­sel­ben Pau­lus-Brie­fes (2 Kor 12,5) wie­der­holt sich die Stel­le in ähn­li­chem Kontext.

„Ich rühme mich nur meiner Sünden …“

Die­se zitier­te Fran­zis­kus heu­te mor­gen in sei­ner Pre­digt in San­ta Mar­ta und wie­der leg­te er dem Apo­stel die­sel­ben Wor­te in den Mund, die sich in der Hei­li­gen Schrift nicht finden.

„Die­ses Geheim­nis, das der hei­li­ge Pau­lus als eine ‚Narr­heit‘ beschreibt, und von der er auch sagt: ‚Wenn ich mich etwas rüh­men soll­te, wür­de ich mich nicht des­sen rüh­men, was ich in der Syn­ago­ge mit Gam­a­liel stu­diert habe, auch nicht des ande­ren, das ich gemacht habe, nicht mei­ner Fami­lie oder mei­nes edlen Blu­tes: Nein, ich wür­de mich des­sen nicht rüh­men. Ich kann mich nur zwei­er Din­ge rüh­men: mei­ner Sün­den und des gekreu­zig­ten Jesus Christus.“

Predigt vom 24. Oktober 2017
Pre­digt vom 24. Okto­ber 2017

Die Stel­le ist zitiert nach der Wie­der­ga­be im Osser­va­to­re Roma­no. Pau­lus spricht in Wirk­lich­keit von „Erschei­nun­gen und Offen­ba­run­gen“, die „mir der Herr geschenkt hat“. Er spricht von einem „Sta­chel“, der ihm „ins Fleisch gesto­ßen“ wur­de von einem „Boten Satans, der mich mit Fäu­sten schla­gen soll, damit ich mich nicht über­he­be“. Drei­mal habe er den Herrn „ange­fleht“, daß die­ser Bote Satans „von mir ablasse“.

„Er aber ant­wor­te­te mir: Mei­ne Gna­de genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwach­heit. Viel lie­ber also will ich mich mei­ner Schwach­heit rüh­men, damit die Kraft Chri­sti auf mich herabkommt.“

In wel­chen Bibel­über­set­zung man auch nach­schlägt, die Wor­te, die Fran­zis­kus dem Apo­stel in den Mund legt, fin­den sich nicht.

Was Jorge Mario Bergoglio und Papst Franziskus lesen

Nun ist bekannt, weil Fran­zis­kus es selbst sag­te, daß eine über­zeug­te Kom­mu­ni­stin und deren mar­xi­sti­sche Bücher maß­geb­lich sein Poli­tik­ver­ständ­nis geprägt haben. Was man öffent­lich von dem erwähnt, was man gele­sen hat, dem wird in der Regel Bedeu­tung beigemessen.

Eben­so weiß man aus sei­nem eige­nen Mund, daß er die Bücher von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per liest, den er als „gro­ßen Theo­lo­gen“ bezeich­ne­te, der „Theo­lo­gie auf den Knien“ mache. Da er gera­de­zu wort­wört­lich das Luther-Lob von Kas­per kur­ze Zeit dar­auf wie­der­hol­te, darf ange­nom­men wer­den, daß er des­sen Luther-Buch vom Früh­jahr 2016 gele­sen hatte.

Nach Karl Marx und Walter Kasper auch Eugen Drewermann

Am 16. Juni 2016 gab Papst Fran­zis­kus einem Kapi­tell in der mit­tel­al­ter­li­chen Basi­li­ka von Vezelay in Frank­reich eine kunst­hi­sto­risch halt­lo­se Inter­pre­ta­ti­on. Das Kapi­tell zeigt auf einer Sei­te, wie Judas Iska­ri­ot sich erhängt. Auf der ande­ren Sei­te trägt eine Gestalt mit frat­zen­haf­tem Gesicht Judas Iska­ri­ot fort. Was der mit­tel­al­ter­li­che Künst­ler sich genau dabei dach­te, ist nicht über­lie­fert. Sicher ist, daß es sich nicht um eine Dar­stel­lung des „Guten Hir­ten“ han­deln kann, weil die­ses Motiv zu jener Zeit über­haupt nicht dar­ge­stellt wur­de. Vor allem aber wäre Chri­stus nie so wie­der­ge­ge­ben wor­den, wie er auf dem Kapi­tell zu sehen ist. Fran­zis­kus aber sprach vom „Guten Hir­ten“ auf die­sem Kapi­tell, der Judas zu „ret­ten“ schei­ne. Der Papst lies zwar die Fra­ge offen, ob Judas wirk­lich geret­te­te wur­de, leg­te aber mit dem gan­zen Hin­weis genau die­se Annah­me nahe, die Rich­tung Aller­lö­sung zu gehen scheint.

Die­se Inter­pre­ta­ti­on des Kapi­tel­ls von Vezelay, des vom „Guten Hir­ten“ geret­te­ten Judas, stammt vom moder­ni­sti­schen Theo­lo­gen Eugen Dre­wer­mann, der die­se The­se erst­mals 1987 im Buch „Das Mar­kus­evan­ge­li­um“ vor­leg­te. Wirk­lich bekannt mach­te sie erst Fran­zis­kus, der Dre­wer­mann nicht erwähn­te. Der Vor­fall zeigt aber, daß ent­we­der der Papst selbst, oder einer sei­ner eng­sten Mit­ar­bei­ter, Eugen Dre­wer­mann liest. „Eine wenig ver­trau­ens­er­wecken­de Vor­stel­lung“, so Mes­sa in Lati­no im Okto­ber 2016.

Dre­wer­mann wur­de wegen Unge­hor­sams und häre­ti­scher Leh­ren von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ver­ur­teilt und trat 2005 sogar aus der Kir­che aus.

Obwohl die Kunst­hi­sto­ri­ker die­se Inter­pre­ta­ti­on ableh­nen und Fran­zis­kus auf­merk­sam gemacht wur­de, daß die theo­lo­gisch zwei­fel­haf­te The­se von Dre­wer­mann stammt, wie­der­hol­te sie Fran­zis­kus am 2. August 2016 vor den pol­ni­schen Bischö­fen in Kra­kau und am 2. Okto­ber 2016 gegen­über Jour­na­li­sten auf dem Rück­flug aus Aserbaidschan.

Womit sich seit heu­te mor­gen die Fra­ge stellt: Und auf­grund wel­cher Quel­le legt Fran­zis­kus dem hei­li­gen Pau­lus wie­der­holt Wor­te in den Mund, die sich in der Hei­li­gen Schrift nicht finden?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wkicommons/Vatican.va (Screen­shots)

 

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