Ist die „Correctio filialis“ eine Papst-Kritik?


"Amoris laetitia" sorgt in der Kirche für Zwietracht und Spaltung: „Nur ein Blinder kann leugnen, daß wegen Amoris laetitia in der Kirche die größte Verwirrung herrscht“ (Kardinal Carlo Caffarra, 14. Januar 2017).
"Amoris laetitia" sorgt in der Kirche für Zwietracht und Spaltung: „Nur ein Blinder kann leugnen, daß wegen Amoris laetitia in der Kirche die größte Verwirrung herrscht“ (Kardinal Carlo Caffarra, 14. Januar 2017).

Von Giu­sep­pe Nardi*

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Das jüng­ste Vor­ge­hen der Hoch­schul­lei­tung Hei­li­gen­kreuz wirft eine grund­sätz­li­che Fra­ge auf: Han­delt es sich bei der Cor­rec­tio filia­lis zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia um eine Papst-Kri­tik? Dazu eini­ge poin­tier­te, aber ernst­ge­mein­te Gedan­ken, die durch die Hei­li­gen­kreu­zer „Erklä­run­gen“ pro­vo­ziert wurden.

Ein Unter­zeich­ner der Cor­rec­tio filia­lis lehr­te als Gast­pro­fes­sor auch an der Phi­lo­so­phisch-Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Bene­dikt XVI. in Hei­li­gen­kreuz. Rek­tor und Groß­kanz­ler gin­gen am 15. Okto­ber auf maxi­ma­le Distanz. Ins­ge­samt wur­den dazu von der Hoch­schul­lei­tung zwei öffent­li­che Erklä­run­gen abgegeben.

In der „Mit­tei­lung des Herrn Abtes und des Rek­tors“ ist von einer „öffent­li­chen Kri­tik an Papst Fran­zis­kus“ die Rede. Die­se kön­ne man, „auch wenn der Betref­fen­de nur als Gast­pro­fes­sor tätig ist und sei­ne Unter­schrift ein­zig und allein in sei­nem Namen gelei­stet“ habe, „nicht hin­neh­men“. War­um? Weil die­se „öffent­li­che Kri­tik“ an Papst Fran­zis­kus „einen Schat­ten auf unse­re Hoch­schu­le wirft“.

Den Unter­zeich­nern der Cor­rec­tio filia­lis, zum gro­ßen Teil Pro­fes­so­ren der Theo­lo­gie und der Phi­lo­so­phie, wur­de in der Mit­tei­lung impli­zit unter­stellt, nicht „unver­brüch­lich cum Petro et sub Petro“ zu leh­ren und zu han­deln“, nicht „dem römi­schen Lehr­amt aufs eng­ste ver­bun­den“ zu sein und dem „jewei­li­gen Petrus­nach­fol­ger“ nicht „die Treue zu halten“.

Als die offen­kun­di­ge Tren­nung vom „an unse­rer Hoch­schu­le zeit­wei­se wir­ken­den Gelehr­ten“ wegen der Unter­zeich­nung der Cor­rec­tio filia­lis in den Medi­en the­ma­ti­siert wur­de, so auch von Katho​li​sches​.info, bezich­tig­ten Abt und Rek­tor in einer zwei­ten Erklä­rung, „Klar­stel­lung“ genannt, mit die­ser Medi­en­ar­beit „viel­leicht sogar kir­chen­spal­te­risch“ wir­ken zu wollen.

Der Inhalt der bei­den Erklä­run­gen der Hoch­schul­lei­tung Hei­li­gen­kreuz legt nahe, daß man dort die Cor­rec­tio filia­lis nicht gele­sen hat.

Die Cor­rec­tio ist in der Spra­che sach­lich und respekt­voll for­mu­liert. Sie nennt sich sogar im Titel „kind­lich“ (filia­lis), eine zutiefst katho­li­sche For­mel, die man kaum mehr ins Deut­sche zu über­set­zen wagt, ohne im stark säku­la­ri­sier­ten Umfeld nur Hohn und Spott zu provozieren.

Die Treue und Ver­bun­den­heit zu Petrus wird von den Unter­zeich­nern aus­drück­lich und über­zeu­gend betont: „bewegt von der Treue zu Unse­rem Herrn Jesus Chri­stus, von der Lie­be zur Kir­che und zum Papst­tum und von der kind­li­chen Hin­ga­be zu Ihrer Per­son“. Wei­ters heißt es: „Wir stim­men bedin­gungs­los der Leh­re von der päpst­li­chen Unfehl­bar­keit zu, wie sie vom Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zil defi­niert wur­de“. Auf die „Römi­sche Kir­che“ bezo­gen schrei­ben sie: „deren loya­le Söh­ne wir sind und immer sein wollen“.

Der Beweg­grund für die Cor­rec­tio filia­lis wird bereits in den ersten Wor­ten deut­lich benannt: weil die Unter­zeich­ner von „tie­fem Schmerz“ bewegt sind.

Mit der Erklä­rung vom 15. Okto­ber haben Rek­tor Wall­ner und Abt Heim den Unter­zeich­nern impli­zit unter­stellt, dem römi­schen Lehr­amt nicht „aufs eng­ste ver­bun­den“ zu sein. Was aber steht in der Cor­rec­tio filialis?

„Unse­re Zurecht­wei­sung ergibt sich zwin­gend aus der Treue zu den unfehl­ba­ren päpst­li­chen Leh­ren, die mit eini­gen Aus­sa­gen Eurer Hei­lig­keit unver­ein­bar sind.“

War­um also die Unter­stel­lung des Gegen­teils durch Rek­tor und Groß­kanz­ler der Hoch­schu­le Hei­li­gen­kreuz? Die nahe­lie­gen­de und noch „harm­lo­se­ste“ Annah­me ist, wie erwähnt, weil die Cor­rec­tio gar nicht gele­sen wurde.

Die Kern­fra­ge aber lau­tet:  Ist die Cor­rec­tio filia­lis eine Papst-Kri­tik? Das behaup­ten ja Rek­tor und Groß­kanz­ler in ihrer „Mit­tei­lung“ vom 15. Okto­ber und begrün­den damit ihre Distanzierung.

Die Unter­zeich­ner der Cor­rec­tio filia­lis schreiben:

„Durch die­se Wor­te, Taten und Unter­las­sun­gen und durch die oben genann­ten Stel­len im Doku­ment Amo­ris lae­ti­tia hat Eure Hei­lig­keit auf direk­te oder indi­rek­te Wei­se (mit wel­chem und wie­viel Bewusst­sein wis­sen wir nicht noch wol­len wir das beur­tei­len) fol­gen­de fal­schen und häre­ti­schen The­sen unter­stützt, die in der Kir­che sowohl mit dem offi­zi­el­len Amt als auch durch pri­va­te Hand­lun­gen pro­pa­giert werden.“

Die Kri­tik bezieht sich kon­kret auf Amo­ris lae­ti­tia. Es wird aus­drück­lich betont, daß die Unter­zeich­ner sich kein Urteil dar­über anma­ßen oder aus­spre­chen, ob und wie bewußt Papst Fran­zis­kus „fal­sche und häre­ti­sche The­sen“ durch Amo­ris lae­ti­tia „pro­pa­giert“.

Es han­delt sich um eine Kri­tik in der Sache (Amo­ris lae­ti­tia). Die Unter­zeich­ner sind besorgt, daß The­sen in der Kir­che ver­brei­tet wer­den, bewußt oder unbe­wußt, „die von Gott offen­bar­ten Wahr­hei­ten wider­spre­chen, die Katho­li­ken durch Zustim­mung zum Gött­li­chen Glau­ben zu glau­ben haben“. Dar­aus schlie­ßen die Unterzeichner:

„Für das Wohl der See­len ist es nötig, dass sie erneut von der kirch­li­chen Auto­ri­tät ver­ur­teilt werden“.

Mit die­ser Bit­te und Auf­for­de­rung tre­ten sie an Papst Fran­zis­kus her­an und schreiben:

„Respekt­voll behar­ren wir dar­auf, dass Eure Hei­lig­keit öffent­lich die­se The­sen zurück­weist und so den Auf­trag erfüllt, den Unser Herr Jesus Chri­stus dem Petrus und durch ihn allen sei­nen Nach­fol­gern über­tra­gen hat bis zum Ende der Welt: „Ich aber habe für dich gebe­tet, dass dein Glau­be nicht erlischt. Und wenn du dich wie­der bekehrt hast, dann stär­ke dei­ne Brü­der“ (Lk 22,32).“

Abschlie­ßend heißt es noch:

„Respekt­voll bit­ten wir um Euren Apo­sto­li­schen Segen und ver­si­chern Sie unse­rer kind­li­chen Erge­ben­heit in Unse­rem Herrn und unse­res Gebets für das Wohl der Kirche.“

Das ist kei­ne Papst-Kritik.

Eine besorg­te Anfra­ge und besorg­te Hin­wei­se mit der Bit­te an den Papst, das kirch­li­che Lehr­amt zu bekräf­ti­gen und durch Ver­ur­tei­lung von objek­tiv ein­deu­ti­gen Häre­si­en für Klar­heit zu sor­gen, ist kei­ne Papst-Kritik.

Eine Papst-Kri­tik, wie die Hoch­schul­lei­tung Hei­li­gen­kreuz sie mit der Erklä­rung vom 15. Okto­ber behaup­tet, wäre die Cor­rec­tio filia­lis in der Tat, aller­dings nur dann, wenn Papst Fran­zis­kus tat­säch­lich eine oder meh­re­re der dar­in genann­ten sie­ben Häre­si­en bewußt und wil­lent­lich pro­pa­gie­ren würde.

Dann aber wäre es eine berech­tig­te, ja zwin­gend not­wen­di­ge Kri­tik an Papst Fran­zis­kus, der sich auch Pater Wall­ner und Abt Heim nicht ent­zie­hen könn­ten, wenn sie wirk­lich „unver­brüch­lich cum Petro et sub Petro leh­ren und han­deln“ und „dem römi­schen Lehr­amt aufs eng­ste ver­bun­den“ sind.

Es ist kaum anzu­neh­men, daß aus­ge­rech­net Rek­tor Wall­ner und Abt Heim aber behaup­ten wol­len, daß Papst Fran­zis­kus bewußt Häre­si­en lehrt und ver­brei­tet. Ihre „Mit­tei­lung“ vom 15. Okto­ber läßt sich durch die Behaup­tung einer „öffent­li­chen Kri­tik an Papst Fran­zis­kus“, wört­lich genom­men, aber genau so lesen.

Wenn Wall­ner und Heim aber nicht behaup­ten, daß Papst Fran­zis­kus bewußt und wil­lent­lich Häre­si­en lehrt, war­um spre­chen sie dann von Papst-Kri­tik und begrün­den damit ihre Distan­zie­rung von der Cor­rec­tio filia­lis und vom Unter­zeich­ner, der an der eige­nen Hoch­schu­le lehrt?

Auch in die­sem Punkt schei­nen sie Opfer ihres eige­nen Eifers gewor­den zu sein, die Cor­rec­tio nicht gele­sen und sich mit dem Inhalt nicht aus­ein­an­der­ge­setzt zu haben. Das mein­te wohl auch die Tages­zei­tung Il Foglio vom 19. Okto­ber, die zur Vor­ge­hens­wei­se der Hoch­schul­lei­tung schrieb, „die sich als über­eif­rig erweist, dem Papst immer und über­all zu gehorchen“.

Anders aus­ge­drückt: Das pas­siert, wenn der Sub­text wich­ti­ger genom­men wird als der Text, wenn das „gefühl­te Kli­ma“, Äng­ste und Befürch­tun­gen, über den sach­li­chen Inhalt bestimmt.

Bild: Wiki­com­mons

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