Eugenio Scalfari: „Papst Franziskus hat die Hölle abgeschafft“


Kurienerzbischof Vincenzo Paglia und Eugenio Scalfari: "Papst Franziskus hat die Hölle abgeschafft".
Kurienerzbischof Vincenzo Paglia und Eugenio Scalfari: "Papst Franziskus hat die Hölle abgeschafft".

(Rom) Euge­nio Scal­fa­ri, beken­nen­der Athe­ist aus frei­mau­re­ri­scher Fami­lie, wird von Papst Fran­zis­kus seit dem Som­mer 2013 als bevor­zug­ter Gesprächs­part­ner behan­delt. Scal­fa­ri ist der Doy­en des lin­ken Jour­na­lis­mus und Grün­der von La Repubbli­ca, der ein­zi­gen Tages­zei­tung, die Papst Fran­zis­kus laut eige­nem Bekun­den täg­lich liest. Mit sei­ner gestern ver­öf­fent­lich­ten Bespre­chung des neu­en Buches von Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia ver­kün­det Scal­fa­ri erneut „im Namen von Papst Fran­zis­kus“ neue Lehren.

Scalfari der unheimliche Gesprächspartner des Papstes

Eugenio Scalfari, der Atheist aus freimaurerischem Haus, der als "Papstsprecher" auftritt
Euge­nio Scal­fa­ri, der Athe­ist aus frei­mau­re­ri­schem Haus, der als „Papst­spre­cher“ auftritt
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Mit Geneh­mi­gung des Pap­stes ver­öf­fent­lich­te Scal­fa­ri in der Ver­gan­gen­heit meh­re­re Inter­views und Kolum­nen, in denen er Papst Fran­zis­kus in direk­ter Rede Aus­sa­gen in den Mund legt, die für Auf­re­gung sorg­ten. Obwohl Scal­fa­ri selbst erklär­te, bei den Gesprä­chen mit dem Papst weder ein Ton­band zu benüt­zen noch sich Noti­zen zu machen, son­dern alles nach­träg­lich aus dem Gedächt­nis zu rekon­stru­ie­ren, erfolg­te bis­her kein Distan­zie­rung durch den Hei­li­gen Stuhl. Papst Fran­zis­kus steht Scal­fa­ri viel­mehr zu immer neu­en Gesprä­chen zur Ver­fü­gung, ob per­sön­lich oder am Telefon.

Die Liste der theo­lo­gisch zwei­fel­haf­ten bis halt­lo­sen Aus­sa­gen, die Scal­fa­ri dem Papst zuschreibt, wird immer län­ger: von der Abschaf­fung der Sün­de bis zum abso­lu­ten Pri­mat des Gewis­sens, von der Beteue­rung, nicht bekeh­ren zu wol­len, über die For­de­rung nach einem „uni­ver­sa­len Mesti­zen­tum“ bis zu den Kom­mu­ni­sten, die „wie Chri­sten denken“.

Die ersten Inter­views wur­den inzwi­schen vom Vati­kan­ver­lag als Buch her­aus­ge­ge­ben, die jün­ge­ren wur­den voll­in­halt­lich vom Osser­va­to­re Roma­no ver­öf­fent­licht. Dabei deu­te­te die Zei­tung des Pap­stes selbst an, daß es sich nicht wirk­lich um Inter­views han­de­le, son­dern um eine Nach­er­zäh­lung („Scal­fa­ri erzählt“). Die Publi­zie­rung durch offi­zi­el­le Medi­en des Vati­kans läßt die Fra­ge, ob es sich um einen Teil des päpst­li­chen Lehr­am­tes oder um Pri­vat­mei­nun­gen han­delt, in einem beklem­men­den Unentschieden.

Vincenzo Paglias neues Buch

Auszug aus Scalfaris Rezension: "Papst hat Hölle abgeschafft"
Aus­zug aus Scal­fa­ris Rezen­si­on: „Papst hat Höl­le abgeschafft“

Gestern ver­öf­fent­lich­te Scal­fa­ri eine von ihm ver­faß­te Bespre­chung des neu­en Buches von Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia und wuß­te dabei Erstaun­li­ches zu berich­ten. Paglia war lan­ge Zeit geist­li­cher Assi­stent der Gemein­schaft von Sant’Egidio und wur­de der erste Bischof aus deren Rei­hen. Der jüng­ste Aus­fluß die­ser Gemein­schaft war die Ver­wand­lung der Haupt­kir­che von Bolo­gna, anläß­lich des Papst­be­su­ches, in einen gro­ßen Spei­se­aal. Der von Fran­zis­kus ernann­te Nach­fol­ger von Kar­di­nal Car­lo Caf­farra als Erz­bi­schof von Bolo­gna, ist Msgr. Matteo Zup­pi von der Gemein­schaft Sant’Egidio. Durch die mul­ti­funk­tio­na­le Zweck­ent­frem­dung des Got­tes­hau­ses soll­te Fran­zis­kus ermög­licht wer­den, „mit Armen und Migran­ten“ das Mit­tag­essen ein­zu­neh­men. Eine sol­che Pra­xis wird von die­ser Gemein­schaft in ihrer Kir­che in Rom bereits seit Anfang der 80er Jah­re geübt.

Scal­fa­ri schrieb gestern:

„Papst Fran­zis­kus – ich wie­der­ho­le es – hat die Orte einer ewi­gen Wohn­statt der See­len im Jen­seits abge­schafft. Die von ihm ver­tre­te­ne The­se ist, daß die vom Bösen beherrsch­ten und nicht reu­igen See­len auf­hö­ren zu exi­stie­ren, wäh­rend jene, die sich vom Bösen befreit haben, in die Selig­keit auf­ge­nom­men wer­den, wo sie Gott schauen.
Das ist die The­se von Fran­zis­kus und auch von Paglia. Hier füge ich eine Anmer­kung ein: Das Jüng­ste Gericht, das zur Tra­di­ti­on der Kir­che gehört, wird sinn­los. Die See­len, die das Böse gewählt und prak­ti­ziert haben, ver­schwin­den und das Jüng­ste Gericht bleibt eine blo­ße Vor­la­ge für groß­ar­ti­ge Bil­der der Kunstgeschichte.“

Paglias Vorlieben

Scal­fa­ri schenkt in sei­ner Bespre­chung dem Autor, Msgr. Paglia, reich­lich Lob. Paglia brach­te es, wenig ver­ständ­lich, 2012 unter Papst Bene­dikt XVI., also in der End­pha­se des Pon­ti­fi­kats, zum „Fami­li­en­mi­ni­ster“ des Vati­kans, wo er gleich bei der ersten Pres­se­kon­fe­renz durch sei­ne homo­phi­len The­sen auf­fiel, wäh­rend er mit  ortho­do­xen Aus­sa­gen geiz­te und lie­ber schwieg. Unter Fran­zis­kus wur­de aus dem Schwei­ger ein elo­quen­ter Red­ner, der die Trom­mel für eine neue Ehe­mo­ral rühr­te und Mar­co Pan­nella, einen der radi­kal­sten Kir­chen­geg­ner, nach des­sen Tod zu einem Qua­si-Hei­li­gen emporlobte.

Paglias "homoerotisches" Jüngstes Gericht im Dom von Terni
Pagli­as „homo­ero­ti­sches“ Jüng­stes Gericht im Dom von Terni

Im Zuge der Kuri­en­re­form schaff­te Fran­zis­kus das „Fami­li­en­mi­ni­ste­ri­um“ (Päpst­li­cher Fami­li­en­rat) ab und ernann­te Paglia dafür zum Groß­kanz­ler des Päpst­li­chen Insti­tuts für Stu­di­en zu Ehe und Fami­lie und zum Vor­sit­zen­den der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben. In bei­den päpst­li­chen Insti­tu­tio­nen, die von Papst Johan­nes Paul II. zur Ver­tei­di­gung von Ehe und Fami­lie und des Lebens­rechts unge­bo­re­ner Kin­der gegrün­det wur­den, blieb kein Stein auf dem ande­ren. Ganz auf der Linie von Papst Fran­zis­kus, der nach Mona­ten des Schwei­gens im Sep­tem­ber 2013 erklär­te, daß die „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“ für ihn nicht von Bedeu­tung sei­en, bau­te Paglia im Auf­trag von Fran­zis­kus die bei­den Ein­rich­tun­gen radi­kal im Sin­ne eines „neu­en Huma­nis­mus“ um. Von dem spricht auch Euge­nio Scal­fa­ri in sei­ner Rezension.

Die Abschaf­fung des „Jüng­sten Gerichts“, das Scal­fa­ri im Namen von Papst Fran­zis­kus und Msgr. Paglia ver­kün­det, hat auch sei­ne „iro­ni­sche“ Sei­te. Paglia ließ 2007 als Bischof von Ter­ni in sei­ner Kathe­dra­le ein Jüng­stes Gericht von mit­tel­al­ter­li­chen Dimen­sio­nen anbrin­gen. Der Beson­der­heit, auf die eine Lokal­zei­tung gleich hin­wies. Es erin­ne­re sehr als „Homo­ero­tik“.

Der Kern in Paglias (und Franziskus‘) Denken

Doch zurück zu den „Leh­ren“, die Euge­nio Scal­fa­ri „im Namen von Papst Fran­zis­kus“ ver­kün­det. In der gest­ri­gen Buch­be­spre­chung schreibt er:

„Ich wer­de den Kern des Gedan­kens zitie­ren, den der Autor in den ersten Sei­ten des Buches zum Aus­druck bringt: ‚Wenn es einer­seits stimmt, daß der Mensch des 21. Jahr­hun­derts sich frei­er füh­len kann, ist er heu­te aber sicher auch allei­ner, gekrümmt unter dem Gewicht einer unsicht­ba­ren und den­noch sehr schwe­ren Last. Da ist das Ich, erfüllt von sei­ner vor­han­de­nen Kom­pe­tenz. Er fühlt sich ein­zig­ar­tig. Alles muß sich um ihn dre­hen. Das Indi­vi­du­um fühlt sich gezwun­gen, träu­men, ent­schei­den, wol­len und neu erfin­den zu müs­sen‘. Und er schließt, indem er die Wor­te eines sei­ner Kol­le­gen von höch­stem intel­lek­tu­el­len Niveau zitiert, der inzwi­schen lei­der nicht mehr ist: Car­lo Maria Mar­ti­ni. Die­se Wor­te wur­den von ihm 2003 gespro­chen. Das sind sie: ‚Ihr moder­nen Huma­ni­sten, die ihr gegen die Tran­szen­denz der höhe­ren Din­ge seid, müßt unse­ren neu­en Huma­nis­mus aner­ken­nen. Auch wir, wir mehr als alle, sind För­de­rer des Men­schen. Wir wol­len eine gemein­sa­me Sicht­wei­se und einen gemein­sa­men Ein­satz zwi­schen Gläu­bi­gen und Nicht-Gläu­bi­gen begün­sti­gen, um gemein­sam den gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit begeg­nen zu können.‘
Ich erlau­be mir an die­ser Stel­le, dar­an zu erin­nern, was der Papst und ich uns zu die­sem The­ma bei einer unse­rer Begeg­nun­gen sag­ten, bei denen wir Freun­de wur­den. Wir betrach­te­ten sei­nen Ein­satz für eine moder­ne Kir­che, die sich mit der lai­zi­sti­schen Moder­ne zu ver­stän­di­gen weiß. ‚Hei­lig­keit‘, sag­te ich, ‚berück­sich­ti­gen sie, daß wir nicht an die abso­lu­te Wahr­heit glau­ben. Wir sind Rela­ti­vi­sten, wie es die Kul­tur der Auf­klä­rung uns gelehrt hat. Ihr Katho­li­ken glaubt hin­ge­gen an das Abso­lu­te.‘ ‚Das stimmt‘, ant­wor­te­te der Papst, ‚wir Gläu­bi­ge glau­ben alle an das Abso­lu­te, was die von Gott aus­ge­hen­de Wahr­heit betrifft. Unser ein­zi­ger Gott reprä­sen­tiert für uns das Absolute.‘
An die­ser Stel­le unse­res Gesprächs frag­te ich ihn, wie eine Begeg­nung mit der Moder­ne mög­lich sein könn­te, und das war sei­ne Ant­wort: ‚Wir Gläu­bi­ge und natür­lich vor allem wir Prie­ster und wir Bischö­fe glau­ben an das Abso­lu­te, aber jeder auf sei­ne Wei­se, weil jeder sei­nen eige­nen Kopf hat und sein eige­nes Den­ken. Unse­re abso­lu­te Wahr­heit also, die wir alle tei­len, ist von Mensch zu Mensch ver­schie­den. Wir ver­mei­den daher Dis­kus­sio­nen nicht, wenn wir unser unter­schied­li­ches Den­ken ver­glei­chen. Eine Art von Rela­ti­vis­mus gibt es also auch unter uns.‘ Das war die Ant­wort von Papst Fran­zis­kus, die natür­lich am häu­fig­sten von Paglia in sei­nem Buch zitiert wird.

An die­ser Stel­le glau­be ich, die The­men auf­li­sten zu sol­len, die der Autor in sei­nem Buch behan­delt. Es sind fol­gen­de: die Armen, die Ungleich­heit, einer, du, Wir, Papst Fran­zis­kus, Rela­ti­vis­mus und Abso­lu­tes, Moder­ne, der ein­zi­ge Gott, Gesell­schaft, Jesus und der Sama­ri­ter, die Fami­lie, die Jugend, Gott und Lie­be, die Brü­der­lich­keit, die Zahl der Wider­sprü­che, der Huma­nis­mus, der Näch­ste, das Wort.

Die­se The­men sind unter­ein­an­der ver­wo­ben, und dar­in liegt der Wert des Buches. Zum Bei­spiel die Frei­heit: Sie ist eine für alles und für alle not­wen­di­ge Bedin­gung, aber ver­wirk­licht zugleich auch den Tri­umph der Indi­vi­dua­li­tät. Paglia schreibt dazu: ‚Das Ich ist allein geblie­ben, viel­mehr das Ein­zi­ge. Der Indi­vi­dua­lis­mus, der Ego­is­mus, die Selbst­ver­wirk­li­chung und das Stre­ben nach einem pri­va­ten Glück erin­nern an den anti­ken Mythos des Nar­zis­ses. Das nar­ziß­ti­sche Indi­vi­du­um hat die Sze­ne­rie über­nom­men.‘ Das ist ein Pro­blem, das sich direkt mit jenem der Armen ver­knüpft. Der Nar­ziß­mus schließt fak­tisch die Beach­tung des Näch­sten aus, außer der Näch­ste ist vom Nar­ziß bezau­bert und stellt sich in des­sen Dienst. Häu­fig ist es das, was von Mon­tai­gnes Freund, Eti­en­ne de la Boé­tie, als ‚frei­wil­li­ge Dienst­bar­keit‘ beschreibt, das auto­ri­tä­re Regime oder sogar tyran­ni­sche Dik­ta­tu­ren her­vor­bringt. Die anti­ke und moder­ne Geschich­te ist lei­der voll von sol­chen Fäl­len: Frei­heit, Nar­ziß­mus, Gebrauch des sou­ve­rä­nen Vol­kes als wert­vol­les Instru­ment, das die­se Sou­ve­rä­ni­tät in eine frei­wil­li­ge Unter­wür­fig­keit ver­wan­delt, die durch die Dem­ago­gie erreicht wird und die Dik­ta­tur zur Fol­ge hat. Das sind Mecha­nis­men, die sehr häu­fig funk­tio­niert haben und nicht nur Ego­is­mus, son­dern Haß und Krieg her­vor­ge­bracht haben. Der Wil­le zur Macht wird zum cha­rak­te­ri­sti­schen Zug der Geschich­te. Die Abhil­fe wäre, die bei­den gro­ßen Wer­te der Frei­heit und der Gerech­tig­keit zusam­men­zu­hal­ten. Frei­heit und Gleich­heit. Erin­nert Ihr Euch an die ursprüng­li­chen Wer­te der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on von 1789? Erin­nert Euch an die drei­far­bi­ge Fah­ne und an die Bedeu­tung die­ses Sym­bols des libe­ra­len Euro­pas: ‚Liber­té, Ega­li­té, Fra­ter­ni­té‘. Nicht zufäl­lig wur­den sie vom Faschis­mus getö­tet. Dazu zitiert Paglia einen Text von Ari­sto­te­les, der von höch­ster Bedeu­tung ist: ‚Wer nicht Teil einer Gemein­schaft sein kann oder nichts braucht, weil er sich selbst genügt, der ist nicht Teil einer Stadt, son­dern ein wil­des Tier oder ein Gott‘.

Im Buch, über das wir spre­chen, wid­met der Autor vie­le Sei­ten der Bibel des Alten Testa­ments und beson­ders dem Teil, der Gene­sis heißt und die Schöp­fung schil­dert und dann die Ver­trei­bung von Adam und Eva aus dem irdi­schen Para­dies, weil sie vom ver­bo­te­nen Baum geges­sen hat­ten, indem sie auf die Schlan­ge hör­ten, die nichts ande­res als der Teu­fel ist. Hier tut sich aber ein nicht leicht zu lösen­des Pro­blem auf: Wem ver­dan­ken wir die Exi­stenz des Teu­fels? Ist er eine Macht gegen Gott oder ist er Gott selbst in einem gewollt ande­ren Gewand als sei­nem natür­li­chen? Die katho­lisch-christ­li­che Reli­gi­on unter­schei­det natür­lich zwi­schen Gut und Böse, behan­delt aber nicht den Ursprung des Bösen: Hat Gott selbst es erschaf­fen, als er sei­nen mensch­li­chen Geschöp­fen das Recht des frei­en Wil­lens zuer­kann­te? Papst Fran­zis­kus hat, nach­dem ihm dar­in Johan­nes XXIII. und Paul VI. vor­aus­ge­gan­gen waren, aber mit mehr revo­lu­tio­nä­rer Kraft im Ver­gleich zur kirch­li­chen Theo­lo­gie, die Orte abge­schafft, in denen die See­len nach dem Tod gehen soll­ten: Höl­le, Fege­feu­er, Para­dies. Zwei­tau­send Jah­re der Theo­lo­gie haben sich auf die­se Art des Jen­seits gestützt, die auch die Evan­ge­li­en bestä­ti­gen. Mit einer beson­de­ren Auf­merk­sam­keit aber,  zum Teil auf die Brie­fe des hei­li­gen Pau­lus (den an die Korin­ther und den an die Römer) und zum noch grö­ße­ren Teil auf Augu­sti­nus von Hyp­po, für das The­ma der Gna­de. Alle See­len ver­fü­gen über Gna­de und wer­den daher völ­lig unschul­dig gebo­ren, und das blei­ben sie auch, außer sie beschrei­ten den Weg des Bösen. Wenn sie sich des­sen bewußt sind und es nicht ein­mal zum Zeit­punkt des Todes bereu­en, sind sie verdammt.

Papst Fran­zis­kus – ich wie­der­ho­le es – hat die Orte einer ewi­gen Wohn­statt der See­len im Jen­seits abge­schafft. Die von ihm ver­tre­te­ne The­se ist, daß die vom Bösen beherrsch­ten und nicht reu­igen See­len auf­hö­ren zu exi­stie­ren, wäh­rend jene, die sich vom Bösen befreit haben, in die Selig­keit auf­ge­nom­men wer­den, wo sie Gott schauen.

Das ist die The­se von Fran­zis­kus und auch von Paglia. Hier füge ich eine Anmer­kung ein: Das Jüng­ste Gericht, das zur Tra­di­ti­on der Kir­che gehört, wird sinn­los. Die See­len, die das Bösen gewählt und prak­ti­ziert haben, ver­schwin­den und das Jüng­ste Gericht bleibt eine blo­ße Vor­la­ge für groß­ar­ti­ge Wer­ke der Kunst­ge­schich­te. Nichts ande­res, nur das.

Natür­lich behaup­tet die Theo­lo­gie, daß ein gött­li­cher Fun­ke in allen Spe­zi­es vor­han­den ist, also der Schöp­fer in den See­len von allen Lebe­we­sen ist und beson­ders in der mensch­li­chen Spe­zi­es, die er ‚nach sei­nem Eben­bild‘ erschaf­fen hat. Die­se The­se, die bis­her nie in Fra­ge gestellt wur­de, ist jene, die Spi­no­za gebrauch­te, um zu behaup­ten, daß Gott in allen Geschöp­fen gegen­wär­tig ist und nur in die­ser Form exi­stie­re. Spi­no­zas The­se ver­wan­del­te kurz­um die Tran­szen­denz in Imma­nenz, und des­halb wur­de er aus der jüdi­schen Gemein­schaft exkom­mu­ni­ziert und sei­ne Schrif­ten von der Kir­che auf den Index gesetzt. Jüngst habe ich über die­ses Argu­ment mit Papst Fran­zis­kus gespro­chen. Ich habe ihn gefragt, ob die Ver­ur­tei­lung sei­ner The­sen rück­gän­gig gemacht wer­den könn­te. Sei­ne Ant­wort war aber nega­tiv: Die Tran­szen­denz Got­tes kann nicht in Fra­ge gestellt wer­den. Ohne die Tran­szen­denz wür­de das gött­li­che Wesen auf­hö­ren zu exi­stie­ren, sobald unse­re Spe­zi­es von der Erde ver­schwin­den wür­de. Wenn Gott imma­nent wäre, wür­de auch er ver­schwin­den. Des­halb kann jene Exkom­mu­ni­ka­ti­on nicht auf­ge­ho­ben wer­den. Für einen Nicht-Gläu­bi­gen ist eine sol­che The­se nicht akzep­ta­bel, auch wenn die Grün­de, die die Tran­szen­denz bekräf­ti­gen, ver­ständ­lich sind.

Ich been­de die­se Rezen­si­on mit einem Satz, den der Autor schreibt, um damit den Kern sei­nes Den­kens auf­zu­zei­gen: ‚Jene, die an Gott glau­ben (Reli­giö­se), und jene, die an den Men­schen glau­ben (Huma­ni­sten), fin­den in der Begeg­nung mit den Armen wie­der zu einer kost­ba­ren Alli­anz. Ich wür­de sagen, daß man von hier aus­ge­hen soll­te, um die in unse­rer Gesell­schaft vor­han­de­nen Ris­se zu flicken. Die Betei­li­gung an der Befrei­ung der Armen zeich­net eine Linie des erbau­li­chen Wan­dels. Für die Chri­sten ist die­ser Huma­nis­mus grund­le­gend: Wer den Armen begeg­net, begeg­net Gott selbst“.

Mei­ner­seits füge ich hin­zu: Für die Nicht-Gläu­bi­gen ist es eine Begeg­nung mit den lai­zi­sti­schen Wer­ten der Frei­heit, der Gleich­heit und der Brüderlichkeit.
Dan­ke, lie­ber Vin­cen­zo, für das Buch, das Du geschrie­ben hast.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Facebook (Anto­nio Socci)/La Repubbli­ca (Screen­shots)

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8 Kommentare

  1. Frü­he­re Päp­ste hät­ten nie von sich aus mit Athe­isten wie Scal­fa­ri ver­kehrt, doch auch hier stellt Papst Berg­o­glio eine Aus­nah­me dar. Und es scheint, als wür­de er, je nach Ort, Sze­ne und Gesprächs­part­ner sei­ne Glau­bens­über­zeu­gun­gen wech­seln. Ein­mal schmäht er die Rosen­kranz­be­ter, ein ande­res Mal pre­digt er posi­tiv zum Rosen­kranz. Ein­mal gibt er die katho­li­sche Glau­bens­leh­re kor­rekt wider, ein ande­res Mal leug­net er die­sel­be. Glau­bens- und Cha­rak­ter­fe­stig­keit sieht wohl anders aus.
    Und zu sei­ner Aus­drucks­wei­se wird mir doch eines immer wie­der augen­schein­lich, wenn ich Papst Fran­zis­kus‘ Wor­te lese. Er spricht häu­fig nicht, als wür­de der Hei­li­ge Geist aus ihm spre­chen, wie es bei Prie­stern der Fall sein soll­te. Er drückt sich ver­kürzt aus, es fehlt ihm oft die Geduld und auch der Lang­mut, Din­ge zu beschrei­ben und aus­zu­füh­ren. Dabei bringt der Hei­li­ge Geist Erleuch­tung, zu sei­nen Früch­ten gehört Erkennt­nis, Got­tes­furcht, Lang­mut und so wei­ter. Wie der Apo­stel Pau­lus in sei­nen Brie­fen sagt. Das alles fin­de ich bei Papst Fran­zis­kus nicht, und lan­ge schon fällt mir das bei ihm auf.

  2. Die beklem­men­de Fra­ge, die sich einem den­ken­den Katho­li­ken stel­len muss, ist doch die: Jor­ge Bergoglios/​ Papst Fran­zis­kus‘ Ansich­ten datie­ren doch nicht von 2017. Er hat­te sie schon vor dem 13. März 2013, und hat sie auch hie und geäu­ßert, in Pre­dig­ten, und sogar schrift­lich (zB Inter­view­buch mit Rab­bi Skorka). Gera­de im Jesui­ten­or­den kann man sei­ne Gesin­nun­gen nicht in einem Geheim­stüb­chen sei­nes Gehirns bzw. sei­ner Geist­see­le ver­stecken. Wie konn­te die­ser Mann Kir­chen­kar­rie­re bis hin­auf zum Kar­di­nal­erz­bi­schof machen? Wie konn­te er von rund hun­dert Kar­di­nä­len gewählt wer­den? Was läuft hier nicht rich­tig? Es geht hier nicht um Bei­läu­fi­ges, es geht an die Substanz.

    • Die­se Fra­ge stel­le ich mir auch immer wie­der. Es muss sich um eine grö­sse­re Bewe­gung han­deln, wel­che nun nach jahr­zehn­te­lan­gem Kampf end­lich die Macht über­neh­men konn­te und nun mit Fran­zis­kus an der Spit­ze aus den Schüt­zen­grä­ben steigt. Es ist offen­sicht­lich, dass Fran­zis­kus „Auf­trä­ge“ aus­führt. Die Spur führt Rich­tung Kard. Kas­per, des­sen Wün­sche er fast blind­lings erfüllt.
      Was führ­te dazu, dass Johan­nes Paul II ihn zum Bischof und Kar­di­nal erhob?

      • Es ist klar, daß „die Deut­schen“ Rom über­nom­men haben. Das einst vor­erst geschei­ter­te Pro­jekt „Deut­sche Chri­sten“ wird nun im ganz gro­ßen Stil fortgesetzt.

  3. Wenn man sich in der heu­ti­gen Wirk­lich­keit manch­mal fast wie im Alb­traum fühlt und sich bestürzt fragt: Wie konn­te es so weit kom­men, dann kann man fest­stel­len, dass in der Poli­tik und in der Kir­che die­sel­be Metho­de ange­wen­det wur­de, die der Schrift­stel­ler Hein­rich Böll in sei­nem letz­ten Roman „Frau­en vor Fluss­land­schaft“ beschrie­ben hat. (Die­ses Werk han­delt von Bon­ner Poli­ti­kern und ihren Frau­en und plau­dert sozu­sa­gen aus dem Näh­käst­chen der Poli­tik.) Es ist die Metho­de „Die Gren­zen des Zumut­ba­ren erwei­tern“. Unmo­ra­lisch, aber erfolg­reich. Damit kann man fast alles durch­set­zen und tut es auch. Das Gegen­mit­tel „Weh­ret den Anfän­gen“ ist dage­gen meist hilflos.

  4. Wür­de es irgend­je­mand über­ra­schen, wenn der Papst nicht auch schon Gott abge­schafft hätte?

  5. Die Aus­sa­gen, es gäbe kei­ne Höl­le und kein Fege­feu­er, Fran­zis­kus habe die Höl­le abge­schafft, pas­sen zu der unter Häre­sie­ver­dacht gestell­ten Aus­sa­ge: „Man kann kei­nen Men­schen auf ewig ver­ur­tei­len.“ Wenn man für „Man“, nicht den Men­schen ein­setzt, son­dern „Gott“, sind wir bei der Aus­sa­ge: „Gott kann kei­nen Men­schen … ver­ur­tei­len.“ Wer dies behaup­tet ist jeden­falls nicht mehr katholisch.

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