(Rom) Während die Kardinäle, die Dubia (Zweifel) am umstrittenen, nachsynodalen Schreiben äußerten, seit bald einem Jahr vergeblich auf ein päpstlichen Zeichen warten, empfing Papst Franziskus einen Katholiken und dessen Familie in Privataudienz, der die vier Kardinäle erst vor kurzem bezichtigt hatte, mit ihren Dubia einen „satanischen Mißbrauch“ zu betreiben.
Das argentinische Kirchenoberhaupt gewährte jüngst „einem relativ unbekannten katholischen Autor und Klavierprofessor eine lange Privataudienz“, so LifeSiteNews. Vor zwei Monaten hatte er in einem Artikel die Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner eines „satanischen Mißbrauchs“ bezichtigt, weil sie Zweifel am Lehramt von Papst Franziskus über die Ehe und die Sakramente geäußert hatten. Von den vier Unterzeichnern ist einer, Kardinal Meisner, inzwischen verstorben.
Den Kardinälen, die ernste Bedenken haben, die sich mit dem Papst besprechen möchten, verweigert Franziskus seit September 2016 jeden Dialog, obwohl sie keine direkte Kritik geübt, sondern Fragen an den Papst gestellt hatten. Ein Ansuchen um Audienz vom vergangenen April blieb unbeantwortet.
Den Kardinälen verweigert – Stephen Walford im Eilverfahren gewährt
Bei Stephen Walford ging hingegen alles ungewöhnlich schnell. Er hatte seinen Artikel „Offener Brief an die vier Kardinäle der Dubia“ am vergangenen 27. Juni veröffentlicht. Nur einen Monat später wurde er bereits mit seiner ganzen Familie vom Papst in Privataudienz empfangen. Und das Kirchenoberhaupt nahm sich viel Zeit. Ganze 45 Minuten gewährte er der Unterhaltung mit seinen Gästen.
Zum Vergleich: Die Vorsitzende der französischen Bürgerrechtsbewegung Manif pour tous, die Katholikin Ludovine de la Rochère, die Millionen Bürger gegen die sozialistische Gesellschaftspolitik mobilisiert und auf die Straßen Frankreichs gebracht hatte, hatte Franziskus mehr als ein Jahr warten lassen. Selbst dann gewährte er ihr keine Audienz, sondern ließ sie Anfang Juni 2014 lediglich am Rande einer morgendlichen Heiligen Messe in Santa Marta, neben zahlreichen anderen Besuchern, zu einem kurzen Shakehand an sich heran. Gesamtdauer der öffentlichen Begegnung: weniger als fünf Minuten.
Walford ist seit seinem Angriff gegen die Kardinäle der Dubia offensichtlich wohlgelitten im Vatikan. Sein Empfang durch Franziskus ist eine weitere Ohrfeige für die genannten Kardinäle und alle Kritiker von Amoris laetitia.
Der Autor überreichte dem Papst Geschenke, der ihn und seine Familie segnete. Die fünf Kinder hatten ihren Spaß daran, Selfies mit dem Papst zu machen.
„Solche Begegnungen sind ein sehr seltenes Privileg für katholische Laien, aber auch Kleriker, die normalerweise nur als Teil großer Gruppen zum Papst vorgelassen werden und in diesem Rahmen einige persönliche Worte mit dem Papst wechseln können“, so LifeSiteNews.
Angriff gegen „traditionalistische und konservative“ Kreise
Seinen „Offenen Brief an die Kardinäle der Dubia“ hatte Walford bei Vatican Insider veröffentlicht. Diese Nachrichtenplattform wird von Andrea Tornielli, dem Haus- und Hofvatikanisten von Franziskus, koordiniert. Womit sich der Kreis wieder schließt. Walford kritisierte „traditionalistische“ Internetseiten, die sich als Verteidiger der heiligen Kommunion aufspielen würden, die vor Ehebrechern zu schützen sei.
Er warf der „wachsenden Sektion der Traditionalisten und auch einiger konservativer Katholiken“ vor, die Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten als Instrument zu mißbrauchen, „dieses Papsttum abzulehnen“. Das, so Walford, sei ein „zutiefst besorgniserregendes“ Phänomen.
Apodiktische Urteile, die im päpstlichen Umfeld offenbar gerne gehört werden.
Die Kritik dieser „traditionalistischen Internetseiten und Blogs“ am Papst und jenen, die ihm loyal verbunden sind, so Walford weiter, sei „satanisch“. Ein Frontalangriff, der unausgesprochen als Begründung dient, sich jeder inhaltlichen Diskussion zu verweigern. Dies macht der Papst schließlich ja selbst auch so.
Vor allem ließ Walford keinen Zweifel daran, damit auch die vier Kardinäle zu meinen, die mit ihren Dubia, die gewichtigste Kritik an Amoris laetitia vorbrachten.
„Wir können den Menschen nicht die Hölle predigen“
Weiter bemüht auch er „Notwendigkeiten“ des „realen Lebens“, die berücksichtigt werden müßten. Wörtlich meinte er: „Wir können den Menschen nicht die Hölle predigen, die eine Ewigkeit im Himmel für abschreckend und sinnlos erachten.“ Und weiter: „Was ich sehe, ist ein Papst des wahren, christlichen Realismus“.
Walford veröffentlichte bisher bei Angelico Press zwei Bücher zu katholischen Themen und bezeichnet sich im Artikel bei Vatican Insider selbst als „Theologe“, „obwohl er über keine akademische Ausbildung in Theologie verfügt“, so LifeSiteNews. Laut der amerikanischen Nachrichtenseite soll er hauptberuflich Privatschülern Klavierunterricht erteilen.
Auf Twitter und Facebook zeigt Walford nun mit verständlichem Stolz, glücklich und zufrieden die Photos, die ihn und seine Familie mit Papst Franziskus zeigen. Die Umstände, die dazu führten, sind allerdings weniger glücklich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Facebook (Screenshots)