
(Ottawa) Kardinal Gerald Lacroix, der Erzbischof von Quebec und Primas von Kanada, will auch Katholiken kirchlich begraben, die sich euthanasieren lassen. Der Kardinal rechtfertigte seine Entscheidung mit der Frage: „Wer bin ich, um zu urteilen?“
Kardinal Lacroix erklärte, sich nicht zu weigern, Personen zu begraben, die sich dafür entscheiden, sich euthanasieren zu lassen. In diesem Sinn äußerte sich der Primas von Kanada gegenüber der US-Jesuitenzeitschrift America. Der Kardinal begründete seine Haltung mit dem Hinweis, daß es „schwierig sei, die Motive zu kennen“, warum sich jemand der Euthanasie unterziehe. Der Kirche stehe es nicht zu, darüber zu urteilen.
Entsprechend hätten alte Menschen, die sich für die Euthanasie entscheiden, ein „Recht“ auf ein kirchliches Begräbnis, da sie, „krank“ und „debil“, mit Nachrichten bombardiert würden, die sie auffordern, ihre Existenz künstlich zu beenden. Kanadas Bischöfe äußerten Mitte Juli ihr „große Sorge“ wegen der Entkriminalisierung der Euthanasie. Gleichzeitig meinte Msgr. Lacroix:
„Wer sind wir, um zu urteilen? Wir tun, was wir können und überlassen den Rest dem Herrn. Wenn Er uns vorwirft, zu barmherzig zu sein, gut, damit kann ich leben.“
So Kardinal Lacroix, „der beschlossen zu haben scheint, zumindest in dieser Frage, den Relativismus zu übernehmen“, so InfoVaticana.
Wie der Erzbischof von Quebec gegenüber der Jesuitenzeitschrift präzisierte, sei er aber nicht der Meinung, daß alle Euthanasierten ein Recht auf ein kirchliches Begräbnis haben. Kein solches Recht besitzen, so der Kardinal, jene, die zu Lebzeiten öffentlich die Euthanasie befürwortet haben.
Kirchenrechtler: Haltung des Kardinal im Widerspruch zum Kirchenrecht
Der Kirchenrechtler Edward Peters sieht hingegen einen offenen Widerspruch zum Codex Iuris Canonici. Wer sich euthanasieren lasse, sei, so Peters, von einem kirchlichen Begräbnis ausgeschlossen. Selbstmord ist für die Kirche eine schwere Sünde. Selbstmord und Euthanasie seien aber nicht in jedem Fall gleichzusetzen. Wer Selbstmord begehe, könne sich vielleicht nicht der schweren Sünde bewußt sein, die er begeht. Eine Entscheidung für eine gesetzlich geregelte Euthanasie setze aber eine bewußte Entscheidung voraus, die gegenüber dem Staat artikuliert werden muß.
Selbstmord wurde von der Kirche immer als schwere Sünde abgelehnt, weshalb sie in der Vergangenheit Selbstmördern ein kirchliches Begräbnis verweigerte. So hatte es bereits das Konzil von Braga im Jahr 563 verkündet. Inzwischen differenziere man, aus dem von Peters genannten Grund. Dieselbe Voraussetzung gelte aber nicht für die Euthanasie.
Msgr. Gerald Lacroix gehört dem Säkularinstitut St. Pius X. an, dessen Generaloberer er von 2001 – 2009 war. 2011 ernannte ihn Benedikt XVI. als Nachfolger von Marc Kardinal Ouellet zum Erzbischof von Quebec. Ouellet war von Benedikt XVI. als Präfekt der Kongregation für die Bischöfe nach Rom geholt worden.
2014 wurde Lacroix von Papst Franziskus in den Kardinalsstand aufgenommen. Von Franziskus stammt auch die von Kardinal Lacroix herangezogene Begründung: „Wer bin ich, um zu urteilen?“ Das katholische Kirchenoberhaupt hatte Ende Juli 2013 so auf die Journalistenfrage nach einem von ihm beförderten Vatikan-Diplomaten geantwortet, dem homosexuelle Aktivitäten nachgesagt wurden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons