Joachim Kardinal Meisner tot – Seine „Dubia“ zu Amoris laetitia blieben ohne Antwort


Kardinal Joachim Meisner (1933-2017), war von 1989-2014 Erzbischof von Köln.
Kardinal Joachim Meisner (1933-2017) war von 1980-1989 Bischof von Berlin und von 1989-2014 Erzbischof von Köln.

(Köln) Wie das Erz­bis­tum Köln mit­teil­te, ist Joa­chim Kar­di­nal Meis­ner, in den frü­hen Mor­gen­stun­den fried­lich entschlafen.

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„+++ In tie­fer Trauer +++
Kar­di­nal Meis­ner ist gestorben.
Wir trau­ern um unse­ren Alt-Erz­bi­schof Joa­chim Kar­di­nal Meisner.
Wir beten für den Ver­stor­be­nen und wer­den ihn immer in guter Erin­ne­rung behalten.
Er möge ruhen in Frieden.“

Die­se Nach­richt ver­öf­fent­lich­te das Erz­bis­tum Köln auf sei­ner Face­book-Sei­te.

Bischof an kirchlichen und politischen Brennpunkten

Kar­di­nal Meis­ner wur­de am 25. Dezem­ber 1933, dem Christ­tag, was er als beson­de­re Gna­de emp­fand, in der schle­si­schen Haupt­stadt Bres­lau gebo­ren. Nach der Mas­sen­ver­trei­bung der deut­schen Bevöl­ke­rung aus Ost­deutsch­land mach­te er in Thü­rin­gen eine Leh­re als Bank­kauf­mann und trat 1951 in Mag­de­burg in ein Spät­be­ru­fe­nen­se­mi­nar ein. 1962 wur­de er in Erfurt für das Bis­tum Ful­da zum Prie­ster geweiht und pro­mo­vier­te 1969 an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na in Rom.

Kardinal Meisner bei seiner Erstkommunion
Kar­di­nal Meis­ner bei sei­ner Erstkommunion

1975 ernann­te ihn Papst Paul VI. zum Weih­bi­schof des Bischöf­li­chen Amtes Erfurt-Mei­nin­gen, indem die Bis­tums­an­tei­le von Ful­da und Würz­burg zusam­men­ge­faßt wur­den, die in der DDR, jen­seits des Eiser­nen Vor­hangs lagen. Das Leben der Kir­che in der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur präg­ten Meis­ner tief. Ein beson­de­res Ver­hält­nis ent­wickel­te er zum katho­li­schen Eichs­feld in Thü­rin­gen, indem er sich an sei­ne schle­si­sche Hei­mat erin­nert fühlte.

1980 ernann­te ihn Papst Johan­nes Paul II. zum Bischof von Ber­lin, das staats­recht­lich geteilt und durch eine Mau­er zer­ris­sen, ins­ge­samt unter alli­ier­ter Besat­zung stand, aber kirch­lich eine Ein­heit bil­de­te. Der pol­ni­sche Papst hielt den Schle­si­er Meis­ner, den er per­sön­lich kann­te, für den geeig­ne­ten Mann für eines der damals schwie­rig­sten, weil poli­tisch hoch­bri­san­ten Bis­tü­mer, das zudem katho­li­sche Dia­spo­ra war. 1983 erhob ihn Johan­nes Paul II. in den Kar­di­nals­stand, um dem Bischof von Ber­lin beson­de­res Gewicht zu ver­lei­hen. Bis zum Mau­er­fall war er auch Vor­sit­zen­der der Ber­li­ner Bischofs­kon­fe­renz, in der die Ordi­na­ri­en der DDR zusam­men­ge­faßt waren.

Wortführer der „römischen“ Minderheit

Kurz vor dem Zusam­men­bruch der kom­mu­ni­sti­schen Dik­ta­tur und der deut­schen Wie­der­ver­ei­ni­gung ernann­te der Papst Meis­ner zum Erz­bi­schof von Köln, neben Mai­land und Chi­ca­go einer der bedeu­tend­sten und ein­fluß­reich­sten Bischofs­sit­ze der Welt. Johan­nes Paul II. ehr­te damit den Kar­di­nal und brach­te sei­ne Wert­schät­zung und sein Ver­trau­en zum Aus­druck und setz­te ein star­kes Zei­chen für die damals schon stark in Abwick­lung begrif­fe­ne Idee der Deut­schen Ein­heit. Vor allem signa­li­sier­te er, daß er in der inner­lich zer­rüt­ten deut­schen Kir­che eine Glau­bens­hal­tung, wie jene des Kar­di­nals, wünsch­te. Die Beru­fung auf den Köl­ner Erz­bi­schofs­stuhl war mög­lich gewor­den, weil sich das Dom­ka­pi­tel auf kei­nen Kan­di­da­ten eini­gen konn­te und der Papst des­sen Vor­schlags­recht für ver­fal­len erachtete.

Bischofsweihe 1975 in Erfurt
Bischofs­wei­he 1975 in Erfurt

In den fol­gen­den Jah­ren wur­de der Kar­di­nal zu einem festen, „römi­schen“ Bezugs­punkt im deut­schen Epi­sko­pat, das mehr­heit­lich in eine ande­re, pro­gres­si­ve­re Rich­tung dräng­te. Vie­le Katho­li­ken, und das im gan­zen deut­schen Sprach­raum, sahen in ihm einen „Fels in der Bran­dung“. Die Spal­tun­gen und Mehr­heits­ver­hält­nis­se im bun­des­deut­schen Epi­sko­pat wur­den dar­an deut­lich, daß Kar­di­nal Meis­ner nie Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz gewählt wur­de. Er blieb der Wort­füh­rer einer „römi­schen“ Min­der­heit, der es in der Nach­kon­zils­zeit nicht mehr gelin­gen soll­te, zur Mehr­heit zu wer­den. Mit dem Tod von Bischof Dyba, der Jagd auf Bischof Mixa, der Abset­zung von Bischof Tebartz van Elst und der Eme­ri­tie­rung von Kar­di­nal Meis­ner, die Papst Fran­zis­kus 2014 vor­nahm, nach­dem der Kar­di­nal sein 80. Lebens­jahr voll­endet hat­te, ver­schob sich die Ach­se noch deut­li­cher nach links (nicht im Sin­ne par­la­men­ta­ri­scher Gesäß­ord­nung, son­dern im Wort­sinn von rechts für rech­tens und rich­tig). Als der Kar­di­nal eme­ri­tiert wur­de, klag­ten nie weni­ge deut­sche Katho­li­ken, daß sie sich „ver­waist“ füh­len. Eine aus­sa­ge­kräf­ti­ge Beschrei­bung der Lage der Kir­che in Deutschland.

Der Schatten der „Pille danach“

Ein Jahr vor sei­ner Eme­ri­tie­rung leg­te sich ein Schat­ten über sein Epi­sko­pat. Dabei ging es um den medi­al in gro­ßer Auf­ma­chung prä­sen­tier­ten Fall einer angeb­lich ver­ge­wal­tig­ten Frau, die von katho­li­schen Kran­ken­häu­sern die „Pil­le danach“ gefor­dert hat­te, aber abge­wie­sen wor­den war. Wegen der poten­ti­ell abtrei­ben­den Wir­kung wur­de die „Pil­le danach“ von der katho­li­schen Kir­che abge­lehnt. Auf öffent­li­chen Druck hin revi­dier­te Meis­ner Ende Janu­ar 2013 sei­ne Ableh­nung, was einen ent­spre­chen­den Beschluß der Bischofs­kon­fe­renz mög­lich mach­te. Seit­her kann an katho­li­schen Kran­ken­häu­sern die „Pil­le danach“ ver­ab­reicht werden.

Kardinal Meisner mit Papst Benedikt XVI
Kar­di­nal Meis­ner mit Papst Bene­dikt XVI

Bis heu­te hält sich das Gerücht, Kar­di­nal Meis­ner sei von Per­so­nen, denen er ver­trau­te, über „Pil­le danach“ falsch infor­miert wor­den. Anhand einer Stu­die, die von einer füh­ren­den Abtrei­bungs­lob­by­istin ver­öf­fent­licht wor­den war, wur­de eine abtrei­ben­de Wir­kung in Abre­de gestellt und ein Beschluß her­bei­ge­führt, anstatt wei­ter­ge­hen­de Stu­di­en ein­zu­for­dern. Hin­ter den Kulis­sen hat­te die dama­li­ge grü­ne Gesund­heits­mi­ni­ste­rin mit dem Zudre­hen des Geld­hahns für die katho­li­schen Kran­ken­häu­ser gedroht, soll­ten sie die „Pil­le danach“ nicht ver­ab­rei­chen. Ein gutes Drit­tel der gesam­ten Gesund­heits­ver­sor­gung in Köln und Umge­bung wird von der katho­li­schen Kir­che getragen.

Amoris laetitia, die Dubia und das beredte Schweigen des Papstes

Zuletzt war der Kar­di­nal inter­na­tio­nal vor allem im Zusam­men­hang mit Kri­tik an dem umstrit­te­nen Doku­ment Amo­ris lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus bekannt gewor­den. Als einer von vier Kar­di­nä­len hat­te er mit Dubia (Zwei­fel) Papst Fran­zis­kus auf­ge­for­dert, zwei­deu­ti­ge Pas­sa­gen die­ses Doku­ments zu klä­ren. Mehr als neun Mona­te nach­dem die Kar­di­nä­le dem Papst ihre Beden­ken in Form von fünf Fra­gen vor­ge­legt haben, ist Kar­di­nal Mei­ner nun gestor­ben, ohne eine Ant­wort zu erhalten.

Weil sich der Papst wei­gert, Rede und Ant­wort zu ste­hen, und über­haupt nicht auf ihre Dubia reagier­te, baten sie im ver­gan­ge­nen April von ihm in Audi­enz emp­fan­gen zu wer­den, um ihre Beden­ken dar­zu­le­gen. Auch in die­sem Fall erhiel­ten sie kei­ne Ant­wort. Obwohl Fran­zis­kus den „Dia­log“ zum Wesens­merk­mal sei­nes Pon­ti­fi­kats erklär­te, hat sei­ne Dia­log­be­reit­schaft Gren­zen, aller­dings „in die fal­sche Rich­tung“, wie aus dem Umfeld der vier Kar­di­nä­le heißt.

Kar­di­nal Meis­ner sei, wie aus Köln zu hören ist, über die­se Ent­wick­lung in der Kir­che sehr besorgt und per­sön­lich ent­täuscht gewesen.

In sei­nen letz­ten Lebens­mo­na­ten muß­te der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof von Köln eine Flut von Angrif­fen durch „Chu­pa­me­di­as“ von Papst Fran­zis­kus ertra­gen. Chu­pa­me­di­as nennt man in Bue­nos Aires, wie Fran­zis­kus in einem Inter­view erklär­te, Krie­cher und Schlei­mer. Wört­lich bedeu­tet der Begriff „Spei­chel­lecker“, wie Papst Fran­zis­kus aus­führ­te. Kar­di­nal Meis­ner äußer­te sich nicht zu den Wort­mel­dun­gen die­ser „Chu­pa­me­di­as“. Wie­viel Schmerz sie ihm berei­tet haben, ist aller­dings nicht bekannt.

Requiescat in pace

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Erz­bis­tum Köln/​Facebook (Screen­shot)

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