Reliquie des heiligen Nikolaus in Rußland – Millionen Pilger, endlose Schlangen, stundenlange Wartezeiten


Verehrung der Nikolaus-Reliquie in der Christus-Erlöser-Kathedrale von Moskau.
Verehrung der Nikolaus-Reliquie in der Christus-Erlöser-Kathedrale von Moskau.

(Mos­kau) Zum ersten Mal in der Geschich­te Ruß­lands befin­den sich Reli­qui­en des hei­li­gen Niko­laus von Myra, eines in der ortho­do­xen Kir­che beson­ders ver­ehr­ten Hei­li­gen, auf rus­si­schen Boden. Nach fast tau­send Jah­ren hat erst­mals dazu eine Reli­quie des Hei­li­gen Ita­li­en verlassen.

Ankunft des Reliquienschreins am Moskauer Flughafen
Ankunft des Reli­qui­en­schreins am Mos­kau­er Flughafen
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Bei ihrer Begeg­nung auf Kuba hat­ten Papst Fran­zis­kus und der rus­sisch-ortho­do­xe Patri­arch Kyrill I. im Febru­ar 2016 ver­ein­bart, daß eine Reli­quie des Hei­li­gen Ruß­land besu­chen wer­de. Am ver­gan­ge­nen 21. Mai war es soweit. Alle Kir­chen­glocken in der rus­si­schen Haupt­stadt Mos­kau läu­te­ten zum Zei­chen der gro­ßen Freu­de über die Ankunft der Reli­quie. In einer spek­ta­ku­lä­ren Pro­zes­si­on wur­de sie in die Chri­stus-Erlö­ser-Kathe­dra­le gebracht, wo Patri­arch Kyrill die hei­li­ge Lit­ur­gie zelebrierte.

Seit dem 22. Mai kann die Reli­quie in der Patri­ar­chal­kir­che von den Gläu­bi­gen ver­ehrt wer­den. Mil­lio­nen von Gläu­bi­gen sind gekom­men. Seit­her ste­hen die Men­schen jeden Tag gedul­dig in kilo­me­ter­lan­gen Schlan­gen vor der Kathe­dra­le, um Ein­laß zu fin­den. Oft dau­ert es acht bis neun Stun­den, bis sie vor die Reli­quie tre­ten und gera­de ein­mal weni­ge Sekun­de ver­har­ren kön­nen. Das genügt, um den Schrein zu berüh­ren oder zu küs­sen. Gebe­tet wird „im Her­zen“ auf dem Weg dort­hin, wie die Rus­sen sagen. Aus die­sem Grund bewegt sich der Pil­ger­strom ziem­lich schnell vor­wärts. Um so mehr erstaunt die nicht enden wol­len­de Schlan­ge vor der Kathedrale.

Auf einer eigens ein­ge­rich­te­ten Inter­net­sei­te berich­ten Gläu­bi­ge über ihre Pil­ger­fahrt zur Reli­quie, dar­un­ter auch eine jun­ge Frau, Ale­na Roma­nen­ko. Sie berich­te­te: „Nach­dem ich mich bekreu­zigt und den Reli­qui­en­schrein geküßt hat­te, erlaub­te mir der Prie­ster, ihn noch ein zwei­tes Mal zu küs­sen, nie­mand drän­gel­te oder pro­te­stier­te … Ich den­ke, daß alles davon abhängt, was man im Her­zen trägt, und der Hei­li­ge holt es hervor.“

Wenige Sekunden am Reliquienschrein
Weni­ge Sekun­den am Reliquienschrein

Auf allen Mos­kau­er U‑Bahnlinien (die rus­si­sche Haupt­stadt ver­fügt nach Shang­hai, Lon­don und New York über das viert­größ­te U‑Bahnnetz der Welt) wer­den seit Mai Hin­wei­se zum Besuch der Niko­laus­re­li­quie durch­ge­ge­ben, um den Pil­ger­fluß zu lenken.

Bis­her hat­ten nur die Aus­stel­lung des Gür­tels Mari­ens im Jahr 2011 und der Reli­qui­en des hei­li­gen Andre­as 2003 sol­che Volks­mas­sen bewegt. Um Ähn­li­ches in der Ver­gan­gen­heit zu fin­den, muß man bis ins Jahr 1989 zurück­ge­hen, als die Lei­che Sacha­rows in Mos­kau aus­ge­stellt wur­de, und die Men­schen bei unwirt­lich­sten Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu Minus 20 Grad in lan­gen Schlan­gen aus­harr­ten und damit zu ver­ste­hen gaben, daß sie der kom­mu­ni­sti­schen Herr­schaft im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes den Rücken kehrten.

Der heu­ti­ge Staats­prä­si­dent Ruß­land, Wla­di­mir Putin, besuch­te noch am Abend des 21. Mai die Reliquie.

Bis zum 12. Juli bleibt die Reli­quie in Mos­kau, dann wird sie nach St. Peters­burg über­führt, wo sie vom 13.–28. Juli im Alex­an­der-New­s­ki-Klo­ster ver­ehrt wer­den kann. In St. Peters­burg wird eine eine eben­so beein­drucken­de Zahl an Gläu­bi­gen erwar­tet. Auf dem Weg zum Schrein des Hei­li­gen, den sie berüh­ren oder küs­sen wer­den, wer­den sie an den Grä­bern von Dosto­jew­ski und Mus­orgg­ski vor­bei­kom­men, die dort begra­ben sind.

Überreste des Heiligen 1087 vor den Muslimen nach Bari überführt

In endlosen Schlangen warten die Gläubigen geduldig
In end­lo­sen Schlan­gen war­ten die Gläu­bi­gen geduldig

Die sterb­li­chen Über­re­ste des berühm­ten Mär­ty­rer­bi­schofs wer­den seit 1087 im süd­ita­lie­ni­schen Bari auf­be­wahrt, wohin sie zum Schutz vor den sel­dschu­ki­schen Mus­li­men aus dem klein­asia­ti­schen Myra (heu­te Dem­re in der Tür­kei) gebracht wor­den waren. Seit­her haben sie die Apen­ni­nen­halb­in­sel nicht mehr ver­las­sen. Nach­dem Papst Fran­zis­kus sich mit Patri­arch Kyrill ver­stän­digt hat­te, wur­de am 19. Juni 2016 der Teil einer Rip­pe des Hei­li­gen aus der Kryp­ta unter­halb des Alta­res der nach ihm benann­ten Basi­li­ka in Bari gebor­gen. Am Mor­gen des 21. Mai 2017 zele­brier­te Metro­po­lit Hila­ri­on, der „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats in der Niko­laus-Basi­li­ka von Bari eine fei­er­li­che Mes­se, bei Msgr. Fran­ces­co Cacuc­ci, der Erz­bi­schofs der apu­li­schen Stadt, anwe­send war. Am Ende der Lit­ur­gie nahm der Metro­po­lit die Reli­quie von den Ver­tre­tern der katho­li­schen Kir­che in Emp­fang. In einem eigens ange­fer­tig­ten Schrein brach­te sie Hila­ri­on nach Ruß­land, wo die Reli­quie auf dem Mos­kau­er Flug­ha­fen mit mili­tä­ri­schen Ehren emp­fan­gen wurde.

Auf Wunsch des Patri­ar­chen läu­te­ten zum Jubel über die­ses Ereig­nis um 18 Uhr alle Kir­chen­glocken Mos­kaus. Die Reli­quie erreich­te rus­si­schen Boden genau am Vor­abend des Festes, mit dem die ortho­do­xe Kir­che an die Über­füh­rung der Reli­qui­en von Myra nach Bari gedenkt. Mit einer gran­dio­sen Pro­zes­si­on beglei­te­te Patri­arch Kyrill die Reli­quie in die Chri­stus-Erlö­ser-Kathe­dra­le, der Haupt­kir­che der rus­si­schen Ortho­do­xie. Die Kathe­dra­le war 1931 von den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern gesprengt, aber nach dem Ende der Sowjet­dik­ta­tur wie­der ori­gi­nal­ge­treu auf­ge­baut wor­den. Am 19. August 2000 konn­te sie von Patri­arch Ale­xi­us II., dem Vor­gän­ger Kyrills, ein­ge­weiht werden.

Große Nikolaus-Prozession von Velikoretskoye

Prozession von Velitoretskoye
Pro­zes­si­on von Velitoretskoye

Auch die dies­jäh­ri­ge Gro­ße Pro­zes­si­on von Veli­ko­rets­koye, einer der gro­ßen Pro­zes­sio­nen Ruß­lands, stand ganz im Zei­chen der Anwe­sen­heit der Reli­quie des hei­li­gen Niko­laus. Die Pro­zes­si­on, die am 8. Juni zu Ende ging, ist eigent­lich eine mehr­tä­gi­ge Wall­fahrt. Sie dau­ert vom 3.–8. Juni und fin­det ihren Abschluß in dem unschein­ba­ren Ort Veli­ko­rets­koye am Fluß Veli­ka­ja in den wei­ten Ruß­lands. In Veli­ko­rets­koye, das rund 50 Kilo­me­ter nord­west­lich von Kirow liegt, befin­det sich ein Klo­ster, in dem eine alte Iko­ne des hei­li­gen Niko­laus auf­be­wahrt wur­de. Die Iko­ne war 1383 von einem Bau­ern namens Aga­la­kow am Ufer des Flus­ses gefun­den wor­den. Der ver­ehr­ten Iko­ne wer­den zahl­rei­che Gebets­er­hö­run­gen zuge­schrie­ben. Bald ent­stand die noch heu­te durch­ge­führ­te, bzw. wie­der durch­ge­führ­te Pro­zes­si­on, bei er die Iko­ne 150 Kilo­me­ter weit getra­gen wird.

Wäh­rend der Sowjet­zeit wur­de sie zunächst in die Bischofs­kir­che der Stadt Vjat­ka gebracht, die von Sta­lin nach dem Kom­mu­ni­sten­füh­rer Kirow umbe­nannt wur­de, den er hin­rich­ten hat­te las­sen. Als die Kom­mu­ni­sten 1935 die Kathe­dra­le von Kirow zer­stör­ten, ging auch die Iko­ne ver­lo­ren. Die Gro­ße Pro­zes­si­on war zu jener Zeit bereits ver­bo­ten, riß aber nie ganz ab, da klei­ne Grup­pen von Gläu­bi­gen sie im Gehei­men auf­recht­erhiel­ten. Nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­herr­schaft wur­de die Wall­fahrt wie­der­be­legt und gilt heu­te als ein Zei­chen der ortho­do­xen Wie­der­ge­burt Ruß­lands. Seit den frü­hen 90er Jah­ren fin­det die Wall­fahrt jedes Jahr statt, wenn auch nur mehr eine Replik der alten Iko­ne zur Ver­fü­gung steht. 2000 ver­lieh Patri­arch Ale­xi­us II. dem Ereig­nis den Sta­tus einer all­rus­si­schen Pro­zes­si­on. In die­sem Jahr kamen 35.000 Men­schen in abge­le­ge­nen Ort, dar­un­ter auch Patri­arch Kyrill, der durch sei­ne per­sön­li­che Anwe­sen­heit den Brücken­schlag zur gera­de in Mos­kau ver­ehr­ten Reli­quie des Hei­li­gen schlug.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bidl: Asianews

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3 Kommentare

  1. Was mir beim Lesen des Bei­trags sofort auf­ge­fal­len ist:
    In einem Bei­trag wei­ter unten ist die Rede davon, dass in Wiens U‑Bahn-Sta­tio­nen Abtrei­bungs­kli­ni­ken für ihr töd­li­ches Geschäft wer­ben und in denen von Madrid anschei­nend groß­flä­chig für die Homo­se­xua­li­tät Rekla­me gemacht wird. 

    Auf allen Mos­kau­er Metro-Sta­tio­nen hin­ge­gen wer­den seit Mai Hin­wei­se zum Besuch der Niko­laus­re­li­quie durch­ge­ge­ben, um den Pil­ger­fluß zu lenken. 

    Dies allein zeigt schon, wie ver­kom­men der Westen mitt­ler­wei­le ist.

    • Es ist nicht nur die Pracht ( die Kle­ri­ker tra­gen die in den Kir­chen übli­chen lit­ur­gi­schen Gewän­der ), die unglaub­li­che reli­giö­se Inbrunst, die im Zusam­men­hang des Besuchs einer äußerst klei­nen Reli­quie ( man las­se sich nicht durch den gro­ßen Sar­ko­phag täu­schen ) aufbrandete,ist so erbaulich.
      Selbst Putin ließ es sich nicht neh­men, dem hl. Wun­der­tae­ter Niko­laus sei­ne Ver­eh­rung zu bezeu­gen. Der jäm­mer­li­che Auf­tritt des knau­se­ri­gen Erz­bi­schof von Bari hat den gan­zen Tief­stand der römi­schen Kir­che gezeigt. Im Übri­gen, die gan­ze Leih­ga­be besteht anschei­nend aus einem Rip­pen­kno­chen von ca. 20 cm Länge.

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