„Ein gewohnt unaufgeregtes Chaos“ – Wie steht es um die Kurienreform wirklich?


C9-Kardinalsrat: Wie steht es wirklich um die Kurienreform?
C9-Kardinalsrat: Wie steht es wirklich um die Kurienreform?

(Rom) Einen Monat nach sei­ner Wahl zum Papst errich­te­te Fran­zis­kus einen acht­köp­fi­gen Kar­di­nals­rat, der ihn bei der Reform der Römi­schen Kurie unter­stüt­zen soll. Je ein Kar­di­nal eines jeden Erd­teils (drei aus Ame­ri­ka) und ein Kuri­en­ver­tre­ter wur­den von ihm beru­fen. Aus dem C8-Kar­di­nals­rat wur­de ein Jahr spä­ter der C9-Kar­di­nals­rat, sobald Fran­zis­kus einen Kar­di­nal­staats­se­kre­tär sei­ner Wahl instal­liert und die­ser sei­ne Arbeit rich­tig auf­ge­nom­men hatte.

„Die Ergebnisse gibt es, aber man sieht sie nicht“

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Der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti stell­te heu­te die Fra­ge, wie es denn vier Jah­re spä­ter und 18 Sit­zun­gen des C9-Kar­di­nal­ra­tes zu je drei Tagen mit der Kuri­en­re­form bestellt sei. Sein Resü­mee: Die Römi­sche Kurie setzt ihre Arbeit mit „gewohnt unauf­ge­reg­tem Cha­os“ fort.

Mit dem Kar­di­nals­rat und sei­nen min­de­stens vier Kon­fe­ren­zen im Jahr sei­en auch Kosten ver­bun­den, so Tosat­ti. Drei Mit­glie­der, die Kar­di­nä­le Paro­lin, Pell und Ber­tel­lo, befin­den sich in Rom, die ande­ren sechs müs­sen aber jeweils aus der gan­zen Welt anreisen.

„Es fehlt nach kei­ner Sit­zung an begei­ster­ten Kom­men­ta­ren von irgend­ei­nem Mit­glied über die Wich­tig­keit und die Grö­ße der von der Grup­pe gelei­ste­ten Arbeit“, deren Koor­di­na­tor der Erz­bi­schof von Tegu­ci­gal­pa, Kar­di­nal And­res Rodri­guez Mara­dia­ga ist. „Es gilt jedoch die Fra­ge zu stel­len, ob die­se Anstren­gun­gen und die jeweils fol­gen­den Erklä­run­gen wirk­li­chen Ergeb­nis­sen ent­spre­chen“, so Tosatti.

Zwei­fel und kri­ti­sche Anfra­gen müs­sen wohl auch bis ans Ohr des „extro­ver­tier­ten“ hon­du­ra­ni­schen Koor­di­na­tors gelangt sein, so Tosat­ti, da die­ser jüngst in einem Inter­view sagte:

„Manch­mal wer­den wir gefragt: ‚Aber was macht die­ser Kar­di­nals­rat? Wir sehen kei­ne Ergeb­nis­se‘. Die Ergeb­nis­se gibt es, aber man sieht sie nicht, weil sie kei­nen Lärm machen.“

Zu den zu lösen­den Kno­ten gehö­re, so Kar­di­nal Mara­dia­ga, die gro­ße Zahl von Dik­aste­ri­en. Aus die­sem Grund habe man begon­nen, eini­ge Päpst­li­che Räte in Dik­aste­ri­en zusam­men­zu­fas­sen. Dabei gehe es nicht dar­um, eini­gen eine grö­ße­re Wich­tig­keit zu ver­schaf­fen, son­dern um „Büro­kra­tie­ab­bau“. Die Büro­kra­tie sol­le ver­ein­facht und abge­speckt wer­den. „Nicht kon­zen­trie­ren, son­dern ver­schlan­ken“, nennt Kar­di­nal Mara­dia­ga das Ziel.

„Die Kri­ti­ker mer­ken dage­gen an, daß es nicht der kuria­len Weis­heit eines Pius XII. oder eines Pauls VI. bedurf­te, um eini­ge Päpst­li­che Räte in einem Orga­nis­mus zu vereinen.“

Es soll­te doch, so die von Tosat­ti genann­ten Kri­ti­ker, mehr dar­um gehen, daß die­se Ein­rich­tun­gen funktionieren

Zwei Beispiele

Am 1. Sep­tem­ber 2016 wur­den der Päpst­li­che Rat für die Lai­en und der Päpst­li­che Rat für die Fami­lie abge­schafft und im neu­en Dik­aste­ri­um für Lai­en, Fami­lie und Leben zusam­men­ge­faßt. Als Prä­fekt der neu­en Ein­rich­tung wur­de Kar­di­nal Kevin Joseph Far­rell ernannt. Das Pro­blem aber sei, daß „wir Ende Mai 2017 am sel­ben Punkt sind“. Seit neun Mona­ten hat sich nichts mehr getan. Es wur­den weder ein Sekre­tär noch ein Unter­se­kre­tär des Dik­aste­ri­ums ernannt, die für das Funk­tio­nie­ren von ent­schei­den­der Bedeu­tung sind. Mit ande­ren Wor­ten: Es wur­de ein Name geän­dert, statt den bis­he­ri­gen zwei Rats­vor­sit­zen­den wur­de ein Prä­fekt ernannt, aber sonst blieb alles gleich. Die Mit­ar­bei­ter der bei­den abge­schaff­ten Räte sit­zen unver­än­dert in ihren Ämtern und Büros und tun ihre Arbeit wie zuvor. „Alle schei­nen dar­auf zu war­ten, daß irgend etwas geschieht.“ Aber es geschieht nichts. Tosat­ti zitiert einen „Vete­ra­nen“ der Römi­schen Kurie, der die Situa­ti­on „lächelnd“ als „unauf­ge­reg­tes Cha­os“ bezeichnet.

„Eine Spur geord­ne­ter“ sei­en die Ver­hält­nis­se im eben­so 2016 neu­errich­te­ten Dik­aste­ri­um für die ganz­heit­li­che Ent­wick­lung des Men­schen, in dem gleich vier Päpst­li­che Räte zusam­men­ge­faßt wur­den: für Gerech­tig­keit und Frie­den, Cor Unum, der Seel­sor­ge für die Migran­ten und Men­schen unter­wegs und für die Pasto­ral im Kran­ken­dienst. Prä­fekt wur­de Kar­di­nal Peter Turk­son, und auch Sekre­tär und Unter­se­kre­tä­re wur­den ernannt. Anson­sten zeigt sich aber das­sel­be Bild wie im Dik­aste­ri­um für Lai­en, Fami­lie und Leben. Alle Mit­ar­bei­ter gehen täg­lich in ihre alten Ämter und Büros zur Arbeit als hät­te sich nichts geän­dert. Offen­bar weiß nie­mand so recht, auch Kar­di­nal Turk­son nicht, was das neue Dik­aste­ri­um nun kon­kret zu tun habe. Ein neu­er, zudem nicht wirk­lich ein­gän­gi­ger Name für ein Mini­ste­ri­um mache noch kei­ne Reform aus.

Tosat­ti zitiert den „auf­ge­schnapp­ten“ Satz eines Kuri­en­kar­di­nals, den die­ser zu einem Kuri­en­erz­bi­schof, bei­de „Exper­ten der Sacri Palaz­zi“, sagte:

„Eine sol­che Reform hät­ten wir auch zustan­de gebracht, indem wir uns einen Vor­mit­tag an einen Tisch setzen.“

Die Vatikanmedien und das „zahnlose“ Wirtschaftssekretariat

Eine grö­ße­re Her­aus­for­de­rung sei die Reform der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, die im Lau­fe der Jah­re ihre jeweils eige­nen Wege gin­gen. Der Prä­fekt des 2015 neu­errich­te­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ta­ri­ats, Msgr. Dario Viganò, erstat­te­te bei der jüng­sten C9-Sit­zung Bericht. Er habe bei die­ser Gele­gen­heit über die Zusam­men­le­gung von Radio Vati­kan und dem vati­ka­ni­schen Fern­seh­zen­trum CTV gespro­chen, wie er Palo­ma Ove­je­ro, der stell­ver­tre­ten­den Lei­te­rin des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, anvertraute.

Dabei ging es auch um Viganòs Plan zur Abschal­tung der Kurz­wel­len­sen­der. Dage­gen pro­te­stier­ten Afri­kas Bischö­fe, denen Papst Fran­zis­kus öffent­lich ver­si­cher­te, der Kurz­wel­len­be­trieb wer­de bei­be­hal­ten. Was das kon­kret bedeu­tet, wird sich zeigen.

Die erste aller von Papst Fran­zis­kus getä­tig­ten Struk­tur­re­for­men an der Römi­schen Kurie betraf jedoch den Wirt­schafts­be­reich. Im Febru­ar 2014 errich­te­te Fran­zis­kus das neue Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at und ernann­te den austra­li­schen Kar­di­nal Geor­ge Pell zum Prä­fek­ten. Laut Motu pro­prio Fide­lis dis­pen­sa­tor et pru­dens, mit dem das Sekre­ta­ri­at errich­tet wur­de, soll­te die neue Ein­rich­tung die Zustän­dig­keit über den gesam­ten Wirt­schafts­be­reich haben und eine Kon­troll­funk­ti­on über alle Ämter und deren Ver­mö­gens­wer­te aus­üben. Dage­gen erhob sich schnell Wider­stand, sodaß Papst Fran­zis­kus Schritt um Schritt mit Reskrip­ten den Rück­zug antrat und zuerst die­se, dann jene Insti­tu­ti­on wie­der aus der Zustän­dig­keit des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats aus­klam­mer­te. Inzwi­schen gilt das „Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um“ als zahn­lo­ser Tiger, der kei­ne ech­te Ent­schei­dungs­funk­ti­on mehr aus­übt, son­dern wie ein Rech­nungs­hof, aller­dings ohne Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten, besten­falls nach­träg­lich kom­men­tiert. Erst vor weni­gen Wochen, so Tosat­ti, muß­te das Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at mit einem gehar­nisch­ten Brief die von Kar­di­nal Dome­ni­co Cal­ca­g­no gelei­te­te Güter­ver­wal­tung des Apo­sto­li­schen Stuhls (APSA), eine Ein­rich­tung, die eigent­lich ursprüng­lich in der Pell-Behör­de auf­ge­hen soll­te, zurecht­wei­sen. Die APSA hat­te allen vati­ka­ni­schen Behör­den eine bestimm­te Rech­nungs­prü­fungs­kanz­lei emp­foh­len, als wür­de das Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at gar nicht existieren.

Maradiagas „fixe Idee“: eine „rechtliche Monstrosität“

Der­zeit scheint der C9-Kar­di­nals­rat, so Tosat­ti, „an einer fixen Idee von Kar­di­nal Mara­dia­ga zu arbei­ten (von der der Papst aller­dings nicht begei­stert scheint)“. Der hon­du­ra­ni­sche Erz­bi­schof mit einem gewis­sen Drang zum „Vize-Papst“ möch­te alle vati­ka­ni­schen Gerichts­hö­fe in einer „Dia­ko­nie der Gerech­tig­keit“ zusam­men­fas­sen. Die Idee beträ­fe die Apo­sto­li­sche Pöni­ten­tia­rie, die Rota Roma­na und den Ober­sten Gerichts­hof der Apo­sto­li­schen Signa­tur. Eine „bizar­re“ Idee, so Tosat­ti, denn was haben Indul­gen­zen mit einem Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren zu tun. Zudem ist die Apo­sto­li­sche Signa­tur zum Teil die Beru­fungs­in­stanz der Rota Roma­na. Eine Zusam­men­le­gung wür­de eine „recht­li­che Mon­stro­si­tät“ schaf­fen, die in zwei­ter Instanz über die eige­nen Urtei­le erster Instanz befin­den müß­te. „Wir wer­den sehen, wie sich das Pro­jekt des hon­du­ra­ni­schen Kar­di­nals ent­wickeln wird“, so Tosatti.

In den Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen vor dem Kon­kla­ve von 2013 war weni­ger eine Gene­ral­re­form der Römi­schen Kurie gefor­dert wor­den, son­dern eine Reform des Staats­se­kre­ta­ri­ats, an des­sen „All­macht“ sich eini­ge Kar­di­nä­le gesto­ßen haben. Genau die­ser Bereich wur­de aber vom C9-Kar­di­nals­rat bis­her noch gar nicht behandelt.

„Ange­sichts des sehr engen Bezie­hung des Pap­stes mit den Diplo­ma­ten ist schwer­lich in die­sem Bereich eine Revo­lu­ti­on zu erwar­ten“, so Tosatti.

Mit der nach­träg­li­chen Beru­fung des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs, die genau ein Jahr nach der Errich­tung des Kar­di­nals­ra­tes erfolg­te, scheint die­ser Punkt de fac­to ad acta gelegt wor­den zu sein.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

 

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