Kardinal Müller zu Amoris laetitia, Ehe und Scheidung: „Wenn wir Christen sind, haben wir auch die Konsequenzen zu tragen“


Kardinal Müller: Wenn wir Christen sind, dann haben wir auch in Bezug auf die Ehe die Konsequenzen zu tragen. "Wir können nicht sagen: Heute heirate ich jemanden, und morgen jemand anderen."

(Rom) Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, gab im Vor­feld des Papst-Besu­ches zum 100. Jah­res­tag der ersten Mari­en­er­schei­nung in Fati­ma dem Obser­va­dor de Por­tu­gal ein Inter­view. Dabei nahm er auch zur Kon­tro­ver­se Stel­lung, die durch das umstrit­te­nen nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia aus­ge­löst wurde.

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Obser­va­dor: Es gab Momen­te seit der Wahl die­ses Pap­stes, der auf pasto­ra­le Ansät­ze beharrt, in denen der Kar­di­nal davor warn­te, daß die Kir­che mit eini­gen Ände­run­gen vor­sich­tig sein muß. Ich bezie­he mich zum Bei­spiel auf die Inter­pre­ta­ti­on des Apo­sto­li­schen Schrei­bens Amo­ris lae­ti­tia und den Brief, den eini­ge Kar­di­nä­le wäh­rend der Fami­li­en­syn­ode an den Papst geschrie­ben haben. Wie gehen Sie mit der Tat­sa­che um, daß der Glau­bens­prä­fekt manch­mal eine ande­re Mei­nung zu haben scheint als der Papst?

Kar­di­nal Mül­ler: Ich glau­be nicht, daß der Papst die Leh­re der Kir­che geän­dert hat. Die dog­ma­ti­sche Leh­re kann nicht geän­dert wer­den, weil sie auf der Offen­ba­rung und dem Lehr­amt der Kir­che, des Pap­stes und der Bischö­fe, beruht. In der Leh­re der Kir­che ist es Jesus, der Ver­mitt­ler des Heils, der geof­fen­bart hat. Die Apo­stel und ihre Nach­fol­ger üben nur den Dienst der Ver­kün­di­gung und des Heils aus, der uns von Jesus Chri­stus gege­ben wur­de. Wir haben wah­re Die­ner Chri­sti zu sein. Papst Fran­zis­kus hat schon in Bezug auf die Ehe gesagt, daß die Leh­re klar und gut for­mu­liert ist, und das nicht nur in einem vagen Zusam­men­hang mit den Wor­ten der Hei­li­gen Schrift. Es ist die seit zwei­tau­send Jah­ren über­lie­fer­te Leh­re. Wir kön­nen zum Bei­spiel weder das Kon­zil von Tri­ent igno­rie­ren noch die in [der Pasto­ral­kon­sti­tu­ti­on] Gau­di­um et Spes aus­ge­führ­te Ehe­leh­re als Ergeb­nis des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, weder was in [dem Apo­sto­li­schen Schrei­ben] Fami­lia­ris Con­sor­tio [von Johan­nes Paul II.] noch was in der Enzy­kli­ka Cari­tas in Veri­ta­te von Papst Bene­dikt XVI. geschrie­ben steht noch in vie­len Erklä­run­gen, die von uns erar­bei­tet wur­den. Das Pro­blem heu­te ist: Wie sol­len wir die gro­ße Zahl von Men­schen anspre­chen, die die christ­li­che Leh­re über die Ehe nicht ver­ste­hen. Sie haben eine Men­ta­li­tät, die dem Leben und der christ­li­chen Pra­xis weder freund­lich noch gün­stig gestimmt ist. Wie ist mit die­sen Men­schen zusam­men­zu­kom­men und ihnen zu erklä­ren, was für uns die Gna­de Got­tes bedeu­tet, was der tie­fe­re Sinn der Ehe ist und der Eltern­schaft für jene, die zu Vater oder Mut­ter wer­den. Die­se grund­le­gen­den Ele­men­te unse­rer Anthro­po­lo­gie wer­den nicht immer verstanden.

Obser­va­dor: Aber die­se ver­schie­de­nen Ansät­ze kom­men von über­all her, auch aus der Kir­che. Die Bischö­fe ihres Lan­des, Deutsch­land, zum Bei­spiel, haben eine ande­re Mei­nung zum Kapi­tel VIII. von Amo­ris laetitia.

Kar­di­nal Mül­ler: Aber nichts davon hängt von der per­sön­li­chen Mei­nung der Glie­der der Kir­che ab. Nicht die Mei­nun­gen der Bischö­fe sind ent­schei­dend, son­dern die Treue zum Wort Got­tes. Hier zeigt sich ein gewis­ser Posi­ti­vis­mus des Lehr­amts, so als sei­en der Papst oder die Gemein­schaft der Bischö­fe Her­ren über die Offen­ba­rung. Das ist ein Miß­ver­ständ­nis. Der Papst gibt in Amo­ris lae­ti­tia eine Inter­pre­ta­ti­on, und es ist nicht gut, daß die Bischö­fe eine Inter­pre­ta­ti­on der Inter­pre­ta­ti­on vor­neh­men. Das kri­ti­sie­re ich. Das wider­spricht der Struk­tur der Sakra­men­te der katho­li­schen Kir­che. Der Papst besitzt eine höhe­re Auto­ri­tät, die der Offen­ba­rung unter­wor­fen ist, und er ist für die Ein­heit der Kir­che im geof­fen­bar­ten Glau­ben ver­ant­wort­lich. Er ist nicht jemand, der bestimm­te Mei­nung aus­sen­det, um eine Syn­the­se von Ansich­ten auf die­se Mei­nung zu erhal­ten. Eini­ge Bischö­fe lau­fen Gefahr, mehr Auf­merk­sam­keit der Wir­kung auf die öffent­li­che Mei­nung zu schen­ken als den Wor­ten Got­tes, die an erster Stel­len ste­hen müs­sen, in Über­ein­stim­mung mit der Hei­li­gen Schrift und der apo­sto­li­schen Tradition.

Obser­va­dor: Was ist Ihr Vor­schlag für jene Katho­li­ken, die eine Ehe ein­ge­hen und sich schei­den lassen?

Kar­di­nal Mül­ler: Das Ehe­sa­kra­ment ist durch den Wil­len Got­tes unauf­lös­lich. Nie­mand kann das ändern. Eine Mög­lich­keit ist es, zum recht­mä­ßi­gen Ehe­gat­ten zurück­zu­keh­ren oder Bezie­hun­gen auf­zu­ge­ben, die nicht gül­tig sind. Die ent­schei­den­de Fra­ge ist, zu erken­nen, ob die Bedin­gun­gen für die­se Ehe in Über­ein­stim­mung mit den Gebo­ten der Kir­che zustan­de­ka­men. Die stan­des­amt­li­che Ehe ent­spricht nicht dem Ehe­sa­kra­ment. Sicher­lich gibt es vie­le Men­schen, die das nicht verstehen.

Obser­va­dor: Sind Sie der Mei­nung, daß es immer mög­lich ist, in die Ehe zurückzukehren.

Kar­di­nal Mül­ler: Wenn es mensch­lich nicht mög­lich ist, kön­nen sie den­noch nicht [mit ande­ren] zusam­men­le­ben, als wären sie verheiratet.

Obser­va­dor: Eini­ge argu­men­tie­ren, daß das die Mög­lich­keit der Buße eli­mi­niert oder die Mög­lich­keit, zu erken­nen, daß etwas schief­ge­lau­fen ist, indem man in das Leben der Kir­che ein­ge­bun­den bleibt.

Kar­di­nal Mül­ler: Es ist nicht mög­lich zwei Arten von Chri­sten­tum zu haben: eine für eine Eli­te, die das Wort Got­tes respek­tiert, und eine ande­re für den Rest, für den nur eini­ge Rech­te und Sakra­men­te gel­ten, und das Leben lau­fen­zu­las­sen wie es ist. Jesus kam, die alte Welt der Sün­de, zu der die Schei­dung gehört, zu ändern. Jesus sag­te das ganz deut­lich. Es ist nicht so ein­fach, den Wil­len Got­tes zu erfül­len. Jesus hat nicht dar­um gebe­ten, am Kreuz zu ster­ben. Wir kön­nen sagen, daß es not­wen­dig war, daß Jesus für unse­re Sün­den stirbt, aber das hängt nicht von unse­rem per­sön­li­chen Wil­len und unse­rer Mei­nung ab. Wenn die Men­schen nur zu einem ein­zi­gen Men­schen Ja sagen für das gan­ze Leben, dann gewährt Gott die Ehe, die einen Bund zwi­schen die­sen bei­den Men­schen stif­tet. Wir müs­sen die Rea­li­tät des Sakra­ments respek­tie­ren, das wir emp­fan­gen. Sicher mag das vie­len auf der Welt selt­sam erschei­nen. Vie­le Men­schen sind unfä­hig, die Lage zu erken­nen, und suchen Wege, vor der Wirk­lich­keit zu flie­hen. Wenn wir aber getauft sind, sind wir getauft, sind wir Chri­sten. Wir kön­nen nicht sagen: ‚Ah, ich lebe in einer Welt von Mus­li­men, ich gehe in die Moschee, weil wir Gott an jedem Ort loben kön­nen.‘ Wenn wir Chri­sten sind, sind wir Chri­sten, dann müs­sen wir auch die Kon­se­quen­zen dar­aus zie­hen. Wenn wir als Chri­sten hei­ra­ten, dann haben wir auch die Kon­se­quen­zen zu tra­gen. Wir kön­nen nicht sagen: ‚Ich hei­ra­te ein erstes Mal, habe zwei Kin­der, und dann hei­ra­te ich jemand ande­ren, habe ande­re Kin­der, und will nichts mehr von Erste­ren wis­sen‘. Ich habe Pflich­ten, die aus der Ehe her­vor­ge­hen und die ich auf mich neh­men muß.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Obser­va­dor de Por­tu­gal (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. so viel zur Theo­rie, mit der Pra­xis auf Mal­ta oder auch in D hat’s ja dann doch wie­der nix zu tun

    • Wenn Theo­rie und Pra­xis nicht über­ein­stim­men kann man nicht jenen Hir­ten einen Vor­wurf machen, die treu die wah­re Leh­re Jesu Chri­sti ver­kün­den, wie es ihnen auf­ge­tra­gen ist, son­dern denen, die zu ’stum­men Hun­den‘ gewor­den sind oder noch schlim­mer, zu ‚rei­ßen­den Wölfen‘!!
      Mal ganz abge­se­hen von der all­ge­mei­nen Ver­stockt­heit der Men­schen, für die es die Wahr­heits­fra­ge gar nicht mehr gibt!
      Alles ist belie­big geworden!
      Trotz­dem müs­sen die Die­ner Chri­sti treu das Wort ver­kün­den, gele­gen oder ungelegen,ob es gehört wird oder nicht!!
      Wir kön­nen und müs­sen unend­lich dank­bar sein für jeden, der dies noch tut!!
      Durch die Tap­fer­keit, die Lie­be und die Stand­haf­tig­keit der wah­ren Apo­stel des Herrn strahlt das Licht Chri­sti in die­se ver­dor­be­ne Welt. Es sind sicher nur weni­ge, aber die­se sind es,mit denen die himm­li­sche Mut­ter der Schlan­ge den Kopf zer­tre­ten wird!!

  2. Ich den­ke, Kar­di­nal Mül­ler hat gut geantwortet.
    Ich den­ke, sei­ne Ant­wort ist gut durch­dacht, und sie ist katholisch.
    Ich bin sehr froh, dass wir einen sol­chen Prä­fek­ten in der Glau­ben­kon­gre­ga­ti­on haben.

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