Papst und Kirche als Vorkämpfer gegen Klassen- und Rassenhass


Mit brennender Sorge
Die Enzyklika "Mit brennender Sorge": angesichts der damals in den meisten westlichen Staaten weitverbreiteten rassistischen Ideen ein wichtiges, weitblickendes und mutiges Rundschreiben gegen die Rassenideologie des NS-Regimes

Ange­sicht der ver­brei­te­ten ras­si­sti­schen Grund­stim­mung in den mei­sten euro­päi­schen Staa­ten der 30er Jah­re war die Ver­öf­fent­li­chung der Enzy­kli­ka „Mit bren­nen­der Sor­ge“ gegen die Ras­sen­ideo­lo­gie des NS-Staa­tes ein weit­sich­ti­ger und muti­ger Schritt.

Anzei­ge

Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker

Ein Überraschungscoup gegen die Nazis

Pius XI.
Pius XI.

Mit­te März vor 70 Jah­ren  unter­zeich­ne­te Papst Pius XI. die in Deutsch ver­fass­te Enzy­kli­ka Mit bren­nen­der Sor­ge. Schon eine Woche spä­ter war sie in zehn­tau­sen­den Exem­pla­ren gedruckt, ver­teilt an alle deut­schen Pfar­rei­en und am Palm­sonn­tag von allen Kan­zeln der Kir­chen im Deut­schen Reichs verlesen.

Die gleich­ge­schal­te­te NS-Pres­se hat­te noch in den Sams­tags­aus­ga­ben eine päpst­li­che Ver­ur­tei­lung des Kom­mu­nis­mus durch die Enzy­kli­ka Divi­ni redempto­ris vom 19. 3. gefei­ert. Auf die­sem Hin­ter­grund war die Publi­zie­rung des anti-natio­nal­so­zia­li­sti­schen Papst-Schrei­bens ein ech­ter Über­ra­schungs­coup gegen die NS-Par­tei- und Staats­or­ga­ni­sa­tio­nen. Durch die Ver­le­sung der Enzy­kli­ka in allen katho­li­schen Sonn­tags­mes­sen, die damals noch von der gro­ßen Mehr­heit der Kir­chen­mit­glie­der besucht wur­den, konn­ten Papst und Bischö­fe mehr als 10 Mil­lio­nen deut­sche Katho­li­ken direkt über die neu­heid­nisch-ras­si­sti­sche NS-Ideo­lo­gie auf­klä­ren. Der natio­nal­so­zia­li­sti­sche Anti­se­mi­tis­mus war Teil der nazi­sti­schen Rassenlehre.

Gliederung und Form des Lehrschreibens

Die Enzy­kli­ka glie­der­te sich in drei Tei­le: In den Abschnit­ten 1 bis 9 klag­te der Papst die angriffs­lü­ster­nen NS-Staats- und Par­tei­or­ga­ni­sa­tio­nen an, die mit den Ver­trags­ver­let­zun­gen des Kon­kor­dats Miss­trau­en, Unfrie­den und Hass gegen die Kir­che gesät hät­ten. Im Haupt­teil (Kapi­tel 10 bis 38) ging es um die Aus­ein­an­der­set­zung mit der neu­heid­nisch-ras­si­sti­schen NS-Ideo­lo­gie und deren staat­lich-poli­ti­sche Aus­wir­kun­gen. Schließ­lich ermun­ter­te der Papst die katho­li­schen Jugend­li­chen, Eltern, Ver­bands­mit­glie­der und alle Lai­en sowie die Ordens­leu­te, wei­ter­hin treu im kirch­li­chen Glau­ben zu ste­hen und damit der NS-Ideo­lo­gie zu widerstehen.

In der Form wahr­te die Enzy­kli­ka den Auf­bau des tra­di­tio­nel­len Lehr­schrei­bens – an den Haupt­ka­pi­teln erkenn­bar: Rei­ner Got­tes­glau­be, Rei­ner Chri­stus­glau­be, Rei­ner Kir­chen­glau­be, Rei­ner Glau­be an den Pri­mat und Sit­ten­leh­re und Natur­recht. Im Rah­men die­ser posi­ti­ven Lehr-Dar­le­gung wur­de aber in Gegen­über­stel­lun­gen eine schar­fe Abrech­nung mit den Zei­tirr­tü­mern der NS-Bewe­gung geführt.

Die Autoren: ein deutscher Kardinal und der päpstliche Staatssekretär

Das vom Papst publi­zier­te Schrei­ben hat­te zwei Haupt­au­to­ren: Der Mün­che­ner Kar­di­nal Micha­el von Faul­ha­ber, der auf Ein­la­dung des Pap­stes mit vier wei­te­ren deut­schen Bischö­fen Mit­te Janu­ar 1937 in Rom weil­te, hat­te in drei Nacht­sit­zun­gen einen Ent­wurf ange­fer­tigt. Mons. Euge­nio Pacel­li, der ehe­ma­li­ge Nun­ti­us in Deutsch­land und dama­li­ge päpst­li­che Staats­se­kre­tär, ver­ant­wor­te­te  mit Erwei­te­run­gen und Ände­run­gen die End­re­dak­ti­on des Schreibens.

Hin­ter die­sen bei­den Autoren stan­den jeweils ver­schie­de­ne Erfah­run­gen in den jah­re­lan­gen ideo­lo­gi­schen und prak­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Bewegung:

  • Die deut­schen Bischö­fe hat­ten inzwi­schen vier Jah­re böse Erfah­run­gen im eska­lie­ren­den Welt­an­schau­ungs-Kampf mit den NS-Glie­de­run­gen gemacht – etwa bei den ras­se­hy­gie­ni­schen Maß­nah­men sowie auf den Fel­dern der Verbands‑, Schul- und Jugend­po­li­tik. Die­se Erfah­run­gen flos­sen in die Enzy­kli­ka ein.
  • In der päpst­li­chen Kurie hat­te sich eine Inqui­si­ti­ons­kom­mis­si­on seit Ende 1934 inten­siv mit den Zei­tirr­tü­mern der euro­päi­schen faschi­sti­schen Bewe­gun­gen  aus­ein­an­der­ge­setzt. Auf den Fel­dern Ras­sis­mus, Ultra-Natio­na­lis­mus und Tota­li­ta­ris­mus stu­dier­te man die­sen ver­derb­li­chen Zeitgeist.

Gegen die Zeitirrtümer von Rassismus, Totalitarismus und Hypernationalismus

Auf­grund der Archiv-For­schun­gen von Prof. Hubert Wolf in Rom kön­nen inzwi­schen die Ein­fluss­strän­ge aus den Stu­di­en der römi­schen Kuri­en-Kom­mis­sio­nen auf die Enzy­kli­ka detail­liert nach­ge­wie­sen wer­den: Auf Anre­gung des deut­schen Bischofs Alo­is Hudal in Rom beauf­trag­te Papst Pius XI. im Dezem­ber 1934 eine Stu­di­en­grup­pe der römi­schen Inqui­si­ti­on, die grund­le­gen­den Irr­tü­mer des natio­nal­so­zia­li­sti­schen Ras­sis­mus, Ultra­na­tio­na­lis­mus und Tota­li­ta­ris­mus her­aus­zu­ar­bei­ten. Man woll­te mit der geplan­ten lehr­amt­li­chen Ver­ur­tei­lung eines ‚Kata­logs der Zei­tirr­tü­mer’ die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem neu­heid­ni­schen und ras­si­sti­sche NS-Ideo­lo­gie inten­si­vie­ren, die mit der Indi­zie­rung von Rosen­bergs „Mythos des 20. Jahr­hun­derts“ im Febru­ar 1934 begon­nen hat­te. Nach meh­re­ren Über­ar­bei­tun­gen leg­te die Kom­mis­si­on im Okto­ber 1936 eine Liste von 24 schwer­wie­gen­den Irr­tü­mern des Zeit­gei­stes vor: Acht zu ver­ur­tei­len­de Sät­ze über die Ras­sen­ideo­lo­gie (vor­wie­gend belegt mit Zita­ten aus Hit­lers Mein Kampf), fünf Pro­po­si­tio­nes zum Hyper­na­tio­na­lis­mus (geschöpft aus Schrif­ten Mus­so­li­nis), acht Irr­tums-Sät­ze zum Kom­mu­nis­mus (bezo­gen auf Tex­te von Lenin und Sta­lin) sowie drei The­sen zum tota­li­tä­ren Staat.

Verurteilung des braunen und des roten Sozialismus

Die kuria­len Bera­tungs­gre­mi­en ent­wickel­ten den Plan, die­se her­aus­ge­stell­ten Zei­tirr­tü­mer in je zwei lehr­amt­li­chen Doku­men­ten zu ver­ur­tei­len – und zwar getrennt gegen Kom­mu­nis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus: Zum einen soll­ten die erar­bei­te­ten Irr­tü­mer nach dem Muster des Syl­labus errorum von 1864 publi­ziert wer­den, zum andern soll­te in einer Enzy­kli­ka der kirch­li­che Begrün­dungs­kon­text erläu­tert wer­den. Man war sich aber nicht dar­in einig, ob der dama­li­ge Publi­ka­ti­ons­zeit­punkt oppor­tun wäre – auch unter der Befürch­tung einer Ver­schär­fung des Kirchenkampfes.

In die­ser Situa­ti­on lenk­ten poli­ti­sche Zuspit­zun­gen in Spa­ni­en und Deutsch­land die Ent­schei­dungs­fin­dung in neue Rich­tung. In Spa­ni­en hat­ten die Kom­mu­ni­sten mit Unter­stüt­zung Sta­lins am Anfang des Bür­ger­kriegs einen grau­sa­men Kampf gegen die Kir­che mit zahl­rei­chen Mas­sa­kern an Kle­ri­kern und Lai­en begon­nen, sodass die Kir­che dazu nicht schwei­gen konn­te. In Deutsch­land hat­ten die Nazis zum „Ver­nich­tungs­kampf gegen die Kir­che“ ange­setzt, so die Wahr­neh­mung der deut­schen Bischö­fe – nach dem Ver­bot aller kirch­li­chen Ver­ei­ne, dem NS-Kampf gegen die Bekennt­nis­schu­le und einer anti­kirch­li­chen Ruf­mord­kam­pa­gne der Goeb­bels-Pres­se durch die Auf­bau­schung von Miss­brauchs­pro­zes­sen.  In die­ser zuge­spitz­ten Situa­ti­on ent­schloss sich Papst Pius XI. dazu, im März 1937 sowohl eine Ver­ur­tei­lungs­en­zy­kli­ka gegen den mör­de­ri­schen Kom­mu­nis­mus wie auch gegen den ras­si­sti­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus zu publizieren.

Verurteilung der nationalsozialistischen Blut- und Rassenideologie

Enzyklika "Mit brennender Sorge"
Enzy­kli­ka „Mit bren­nen­der Sorge“

Mit die­ser Ent­schei­dung für zwei Enzy­kli­ken war eine geson­der­te Publi­ka­ti­on eines Syl­labus errorum über­flüs­sig gewor­den, denn die aus­for­mu­lier­ten ‚Zei­tirr­tü­mer’ wur­den in die päpst­li­chen Lehr­schrei­ben in ver­än­der­ter Form hineingenommen:

- Die römi­sche Inqui­si­ti­ons­kom­mis­si­on ver­ur­teil­te in meh­ren Sät­zen die natio­nal­so­zia­li­sti­sche Ras­sen­leh­re, nach der sich die mensch­li­chen Ras­sen durch blut­be­ding­te Anla­gen und mit ange­bo­re­nen Eigen­schaf­ten in Natur und Wesen unter­schei­den wür­den. Ein wei­te­rer Irr­tum: Die Leh­re und Ver­fas­sung der Kir­che sei nicht in der Lage, die jewei­li­gen natür­li­chen Anla­gen der Völ­ker und Ras­sen zu för­dern. Falsch auch der Satz: Im selek­ti­ven Kampf der Ras­sen hät­ten die als stärk­ste sich erwei­sen­den Völ­ker das Recht, die ande­ren Völ­ker zu beherrschen.
Gegen die­sen mar­tia­li­schen Ras­sis­mus mach­te die Enzy­kli­ka Front: Got­tes Son­ne leuch­tet über alles, was Men­schen­ant­litz trägt. Sein Gesetz gilt unab­hän­gig von Raum und Zeit, Land und Ras­se, es kennt kei­ne Vor­rech­te und Aus­nah­men … (14).
Und wei­ter: Unter dem Kup­pel­bau der vom Erlö­ser gestif­te­ten einen Kir­che ist Platz und Hei­mat für alle Völ­ker, Natio­nen und Spra­chen, ist Raum für die Ent­fal­tung aller vom Schöp­fer in die Ein­zel­nen und die Volks­ge­mein­schaf­ten hin­ein­ge­leg­ten beson­de­ren Eigen­schaf­ten, Anla­gen, Vor­zü­ge, Auf­ga­ben und Beru­fun­gen. (21).

Naturrecht gegen rassistischen Utilitarismus

- Das hl Offi­zi­um hat­te eben­falls den Satz als Irr­tum gebrand­markt: Die ursprüng­li­che Quel­le und höch­ste Regel der all­ge­mei­nen Rechts­ord­nung ist der Ras­sen­in­stinkt.
Die Enzy­kli­ka for­mu­lier­te, dass die Ein­flü­ste­run­gen von Blut und Ras­se eine Falsch­mün­ze­rei dar­stel­le. Ein Rechts­sy­stem, das auf dem Flug­sand vom Men­schen gemach­ter Nor­men auf­ge­baut sei, wür­de zum mora­li­schen Nie­der­gang füh­ren, denn die Rechts­grund­la­gen, die im Wider­spruch zum Natur­recht und zur Natur des Men­schen stün­den, kran­ken an einem Geburts­feh­ler (35).
– In einem wei­te­ren Irr­tums­satz heißt es: Um die Kraft der Ras­se und die Rein­heit des Blu­tes zu wah­ren, sei jedes wirk­sa­me Mit­tel recht und vom Nut­zen für die Kräf­ti­gung der Ras­se legi­ti­miert. Im Hin­ter­grund dazu stand ein Hit­ler-Zitat zur Ras­sen­hy­gie­ne : Wer kör­per­lich und gei­stig nicht gesund und wür­dig ist, darf sein Leid nicht im Kör­per sei­nes Kin­des ver­ewi­gen. Der völ­ki­sche Staat hat die Ras­se in den Mit­tel­punkt des all­ge­mei­nen Lebens zu stel­len und für die Rein­erhal­tung zu sor­gen.
Die Enzy­kli­ka postu­liert dage­gen die vor­ran­gi­ge Gül­tig­keit der natur­recht­li­chen Sit­ten­leh­re vor allen Wert- und Nütz­lich­keits­er­wä­gun­gen: Was nicht sitt­lich sei, kön­ne auch nicht nütz­lich sein für die Gemeinschaft.

Gegen die Vergötzung von Rasse und Nationalstaat

- Die ach­te Pro­po­si­ti­on ver­ur­teilt den Blut- und Ras­se-Mythos als neu­heid­ni­sche Zivil­re­li­gi­on: der ‚Glau­be’ der NS-Bewe­gung als Ver­trau­en in das Schick­sal des eige­nen Vol­kes; Unsterb­lich­keit als das kol­lek­ti­ve Mit­fort­le­ben des Ein­zel­nen im Wei­ter­be­stehen der eige­nen Rasse.
Dage­gen die The­sen des Lehr­schrei­bens: Wer das unper­sön­li­che Schick­sal an die Stel­le des per­sön­li­chen Got­tes rückt, leug­net Got­tes Weis­heit und Vor­se­hung (11). Wer die Ras­se oder das Volk oder den Staat oder die Staats­form oder die Trä­ger der Staats­ge­walt … zur höch­sten Norm aller, auch der reli­giö­sen Wer­te macht und sie mit Göt­zen­kult ver­göt­tert, der ver­kehrt und ver­fälscht die gott­ge­schaf­fe­ne und gott­be­foh­len­de Ord­nung der Din­ge (12).
– Die Nazis woll­ten die christ­li­che Reli­gi­on dem Gesetz der Ras­se unter­wer­fen, heißt es in einem wei­te­ren Irr­tums-Satz. Daher müss­te die christ­li­che Leh­re abge­lehnt wer­den, die von Ursün­de, Erlö­sung, vom Kreuz Chri­sti sowie von der aus­zu­üben­den Demut und Buße spricht, da die­se Leh­re die Men­schen vom Hel­den­geist entfremde.
Die Nazis hat­ten die deut­sche Wesens­art zu einer makel­lo­sen und göt­zen­haf­ten Hel­den­haf­tig­keit hoch­sti­li­siert, zugleich über die christ­li­che Buß­ge­sin­nung und das sitt­li­che Voll­kom­men­heits­stre­ben Spott und Häme ausgekübelt.
Die Enzy­kli­ka – hier in der Autoren­schaft von Kar­di­nal von Faul­ha­ber – gei­ßelt die­se völ­ki­sche Selbst­er­he­bung zur angeb­lich hel­di­schen und herr­schen­den deut­schen Ras­se als wider­li­chen Hoch­mut, weist auf den erb­sünd­li­chen Hang zum Bösen bei Ein­zel­nen und Völ­kern in der Geschich­te hin, ver­bit­tet sich ange­sichts der Geschich­te muti­ger christ­li­cher Beken­ner und Mar­ty­rer Nazi-Beleh­run­gen über Mut und Stand­haf­tig­keit und weist den bil­li­gen Spott der Chri­stus­geg­ner zurück. In die­sem Zusam­men­hang ver­ur­teilt die Enzy­kli­ka auch die natio­nal­so­zia­li­sti­schen Bestre­bun­gen zu einer Natio­nal­re­li­gi­on, die den Schöp­fer aller Welt und Gesetz­ge­ber aller Völ­ker in die Gren­ze eines ein­zel­nen Vol­kes, in die blut­mä­ßi­ge Enge einer ein­zel­nen Ras­se ein­ker­kern will (15).

Aus die­ser ras­si­sti­schen Hybris-Hal­tung ent­wickel­te und prak­ti­zier­te  der NS-Staat spä­ter die Ver­nich­tungs­stra­te­gien gegen die unnüt­zen und unwer­ten Kran­ken und Behin­der­ten des eige­nen Vol­kes wie auch gegen die nicht-ari­schen Juden, Zigeu­ner und unter­wer­ti­gen Sla­wen­völ­ker. 

Als die Kirche gegen den Hitlerstaat protestierte, zeigten Franzosen und Engländer demonstrativ den Hitlergruß

Vor dem Länderspiel im Berliner Olympiamannschaft recken die englischen Edelkicker den Arm zum ‚Deutschen Gruß’ in Richtung Führerloge. Die Göbbelspresse machte den Abdruck des Bildes zur Pflicht für jede Zeitung. Damit sollten die Deutschen entmutigt werden, die auf einen Anti-Hitler-Kurs der britischen Regierung hofften.
Vor dem Län­der­spiel im Ber­li­ner Olym­pia­mann­schaft recken die eng­li­schen Edel­kicker den Arm zum ‚Deut­schen Gruß’ in Rich­tung Füh­rer­lo­ge. Die Goeb­belspres­se mach­te den Abdruck des Bil­des zur Pflicht für jede Zei­tung. Damit soll­ten die Deut­schen ent­mu­tigt wer­den, die auf einen Anti-Hit­ler-Kurs der bri­ti­schen Regie­rung hofften.

Das west­li­che Aus­land wür­dig­te zwar viel­fach die Enzy­kli­ka als muti­ge Resi­stenz gegen den tota­li­tä­ren Hit­ler­staat, erkann­te aber nicht die Bedeu­tung und Kon­zen­tra­ti­on des Kamp­fes gegen die Ras­sis­mus-Ideo­lo­gie. Hit­ler und das Nazi-Pro­gramm genos­sen 1937 noch rela­tiv brei­tes Anse­hen in Euro­pa und Nord­ame­ri­ka: Gut ein hal­bes Jahr vor der Enzy­kli­ka konn­te das Hit­ler-Regime bei den Olym­pi­schen Spie­len in Ber­lin auf sicht­ba­re inter­na­tio­na­le Sym­pa­thie ver­wei­sen: eini­ge euro­päi­sche Mann­schaf­ten, dar­un­ter Frank­reich und Grie­chen­land, grüß­ten beim Ein­zug vor der Loge des Füh­rers mit dem Hit­ler­gruß. Noch am 14. Mai 1938 zeig­te die eng­li­sche Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft bei einem Län­der­spiel in Ber­lin Sym­pa­thie für Hit­ler-Deutsch­land, indem sie zusam­men mit der deut­schen Mann­schaft die Hän­de zum Hit­ler­gruß erhob, als die von Hit­ler ein­ge­führ­te „Dop­pel­hym­ne“ bestehend aus der Natio­nal­hym­ne Deutsch­land, Deutsch­land über alles und dem Horst-Wes­sel-Lied gespielt und gesun­gen wurde.

Die­se sicht­ba­ren Aner­ken­nungs­ge­sten vor aller Welt wur­den ergänzt durch zahl­rei­che Sym­pa­thie­äu­ße­run­gen von Poli­ti­kern und Abge­ord­ne­ten, Wis­sen­schaft­lern und Jour­na­li­sten des west­li­chen Aus­lands – wie etwa die­se des bri­ti­schen Ex-Pre­mier Lloyd Geor­ge von 1936: Ich habe den berühm­ten deut­schen Füh­rer gese­hen. Er ist der Geor­ge Washing­ton von Deutsch­land.

Verbreitete rassistische Grundstimmung in Europa und Nordamerika

Bei der brei­ten west­li­chen Aner­ken­nung für die NS-Poli­tik in Deutsch­land bis Ende der 30er Jah­re spiel­te die natio­nal­so­zia­li­sti­sche Ras­se­po­li­tik eine nicht unwich­ti­ge Rol­le. Ras­se­hy­gie­ni­sche Maß­nah­men wie Ste­ri­li­sie­rung soge­nann­ter Erb­kran­ker waren in Schwe­den und eini­gen Staa­ten der USA schon Anfang der 30er Jah­re ein­ge­führt wor­den. Wei­ter­ge­hen­de euge­ni­sche Ein­grif­fe for­der­ten Wis­sen­schaft­ler in allen west­li­chen Staa­ten. Deut­sche Euge­ni­ker – wie der spä­te­re pro fami­lia-Grün­der Hans Harm­sen – waren dort hoch­an­ge­se­he­ne Gastredner.

Sehr ver­brei­tet in Euro­pa und Nord­ame­ri­ka war auch die Theo­rie der mensch­li­chen Ras­sen­hier­ar­chie aus der Auf­klä­rung, auf die sich natio­nal­so­zia­li­sti­sche Ras­sis­mus stütz­te. Danach stän­den die ari­schen Völ­ker an Wert und Cha­rak­ter über allen ande­ren Ras­sen. Semi­ten, Juden und Negri­de dage­gen auf der unter­sten Stu­fe der Mensch­heit. Die Wirk­mäch­tig­keit die­ser Ras­sen­theo­rie zeigt sich in dem US-Ein­wan­de­rungs­ge­setz von 1923, in dem die Ein­wan­de­rungs­quo­ten nach dem Sta­tus in der Ras­sen­hier­ar­chie bestimmt wur­den, so dass Ost­asia­ten, Sla­wen und Juden gerin­ge­re Quo­ten zuge­spro­chen wur­den als den ari­schen Westeuropäern.

Auf der Flücht­lings­kon­fe­renz im fran­zö­si­schen Evi­an im Juli 1938 zeig­te sich eben­falls die mehr oder min­der ras­si­sti­sche und anti­se­mi­ti­sche Grund­stim­mung in west­li­chen Staa­ten. Groß-Bri­tan­ni­en und Frank­reich wei­ger­ten sich, jüdi­sche Aus­wan­de­rer auf­zu­neh­men und brach­ten fer­ne Län­der wie Ost­afri­ka oder Mada­gas­kar als Juden­re­ser­va­te ins Spiel. Der Ver­tre­ter der Schweiz schrieb: Wir kämp­fen seit zwan­zig Jah­ren gegen die Zunah­me der Über­frem­dung und ins­be­son­de­re gegen die Ver­ju­dung unse­res Lan­des. Kana­da woll­te nur jüdi­sche Far­mer auf­neh­men, von denen es in Deutsch­land kei­ne gab. Austra­li­en lehn­te die nen­nens­wer­te Auf­nah­me von Juden ab mit der Begrün­dung: Da wir kein rea­les Ras­sen­pro­blem haben, so sind wir nicht gewillt, ein sol­ches ein­zu­füh­ren.

Papst und Kirche als Vorkämpfer gegen Rassismus und Totalitarismus

Auf dem Hin­ter­grund der ver­brei­te­ten ras­si­stisch-anti­se­mi­ti­schen Grund­stim­mung in den mei­sten west­eu­ro­päi­schen Staa­ten ist die Stoß­rich­tung der Enzy­kli­ka Mit bren­nen­der Sor­ge gegen die Ras­sen­ideo­lo­gie des NS-Staa­tes als umso wich­ti­ger, weit­blicken­der und muti­ger einzuschätzen.

Das Par­tei­or­gan der NSDAP, der Völ­ki­sche Beob­ach­ter, bestä­tig­te am 1. August 1938 die Vor­kämp­fer­rol­le von Papst und Kir­che gegen den natio­nal­so­zia­li­sti­schen Ras­sis­mus: Der Vati­kan hat die Ras­sen­leh­re von Anfang an abge­lehnt. Teils des­halb, weil sie vom deut­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus zum ersten­mal öffent­lich ver­kün­det wur­de und weil die­ser die ersten prak­ti­schen Schluß­fol­ge­run­gen aus der Erkennt­nis gezo­gen hat; denn zum Natio­nal­so­zia­lis­mus stand der Vati­kan in poli­ti­scher Kampf­stel­lung. Der Vati­kan muss­te die Ras­sen­leh­re aber auch ableh­nen, weil sie sei­nem Dog­ma von der Gleich­heit aller Men­schen wider­spricht, das wie­der­um eine Fol­ge des katho­li­schen Uni­ver­sal­an­spruchs ist und das er mit Libe­ra­len, Juden und Kom­mu­ni­sten teilt.

Text: Hubert Hecker
Bild: Nas­sau­er Bote/​Autor

 

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