Dialog mit dem Lutherischen Weltbund um den Preis der katholischen Identität


Papst Franziskus mit Munip Jounan, dem Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes, am 31. Oktober 2016 in Lund.
Papst Franziskus mit Munip Jounan, dem Vorsitzenden des Lutherischen Weltbundes, am 31. Oktober 2016 in Lund.

Mit der „Gemein­sa­men Erklä­rung“ von Lund unter­zeich­ne­te Papst Fran­zis­kus am 31. 10. 2016 ein pro­te­stan­ti­sie­ren­des Doku­ment. Damit brach­te er den Pro­te­stan­ten zum Luther­ju­bi­lä­um ein öku­me­ni­sches Gast­ge­schenk mit, indem er wesent­li­che Dimen­sio­nen der katho­li­schen Kir­chen­iden­ti­tät zur Dis­po­si­ti­on stellte.

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Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker.

Der 31. Okto­ber 2016 gilt gewis­ser­ma­ßen als der Vor­abend des pro­te­stan­ti­schen Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­ums. Zu dem Ter­min rei­ste Papst Fran­zis­kus in die schwe­di­sche Stadt Lund. Dort war im Jah­re 1947 der Luthe­ri­sche Welt­bund gegrün­det wor­den. In die­ser Dach­or­ga­ni­sa­ti­on von 145 luthe­ri­schen Gemein­schaf­ten sind 70 Mil­lio­nen Pro­te­stan­ten Mit­glie­der. In Lund unter­zeich­ne­ten Papst Fran­zis­kus für die katho­li­sche Kir­che und Munip Joun­an für den Luthe­ri­schen Welt­bund eine „Gemein­sa­me Erklärung“.

Zwei Texte im Widerspruch

In der Ein­lei­tung heißt es,

  • dass „wir damit das Geden­ken an 500 Jah­re Refor­ma­ti­on beginnen“.
  • Wei­ter­hin „bekla­gen wir vor Chri­stus, dass Luthe­ra­ner und Katho­li­ken die sicht­ba­re Ein­heit der Kir­che ver­wun­det haben. …
  • Vie­le Mit­glie­der unse­rer Gemein­schaf­ten seh­nen sich danach, die Eucha­ri­stie in einem Mahl zu emp­fan­gen als kon­kre­ten Aus­druck der vol­len Ein­heit. …
  • Wenn wir uns ver­pflich­ten, vom Kon­flikt zur Gemein­schaft zu bewe­gen, tun wir das als Teil des einen Lei­bes Christi, in den wir alle durch die Tau­fe ein­ge­glie­dert wor­den sind. …“

Laut Katho­li­schem Kate­chis­mus wer­den die Gläu­bi­gen durch das Sakra­ment der Tau­fe in die Kir­che ein­ge­führt als Glie­der des Lei­bes Chri­sti. Unter ‚Kir­che’ und ‚Leib Chri­sti’ ist laut dog­ma­ti­schem Kon­zils­do­ku­ment Lumen gen­ti­um Nr. 8 Fol­gen­des zu ver­ste­hen:  Jesus Chri­stus hat „sei­ne hei­li­ge Kir­che … hier auf Erden als sicht­ba­res Gefü­ge ver­fasst und trägt sie als sol­ches unab­läs­sig. … Die mit hier­ar­chi­schen Orga­nen aus­ge­stat­te­te Gesell­schaft und der geheim­nis­vol­le Leib Chri­sti, die sicht­ba­re Ver­samm­lung und die geist­li­che Gemein­schaft … bil­den die ein­zi­ge kom­ple­xe Wirk­lich­keit – die eine, hei­li­ge, katho­li­sche und apo­sto­li­sche Kir­che“.… Die­se Kir­che ist ver­wirk­licht in der katho­li­schen Kir­che, die vom Nach­fol­ger Petri und von den Bischö­fen in Gemein­schaft mit ihm gelei­tet wird. Das schließt nicht aus, dass außer­halb ihres Gefü­ges viel­fäl­ti­ge Ele­men­te der Hei­li­gung und der Wahr­heit zu fin­den sind.“ Das gilt ins­be­son­de­re für die getrenn­ten Schwe­ster­kir­chen der Ortho­do­xie sowie die kirch­li­chen „Gemein­schaf­ten“ des Protestantismus.
Im Öku­me­nis­mus-Dekret heißt es wei­ter: Nur die katho­li­sche Kir­che ver­fügt über die gan­ze Fül­le der Heils­mit­tel, die der Herr dem Petrus und dem Apo­stel­kol­le­gi­um anver­traut hat, um die Kir­che als „den einen Leib Christ auf Erden zu kon­sti­tu­ie­ren, wel­chem alle völ­lig ein­ge­glie­dert wer­den müs­sen, die schon auf irgend­ei­ne Wei­se zum Vol­ke Got­tes gehö­ren“ (Unita­tis red­in­te­gra­tio Nr. 3).

Der Papst unterschrieb eine protestantisierende Erklärung

Schon beim ersten auf­merk­sa­men Lesen der bei­den Doku­men­ten-Aus­zü­ge drängt sich der Ein­druck auf, dass sie sich in wesent­li­chen Punk­ten wider­spre­chen. Genau­er­hin spie­gelt sich in der Gemein­sa­men Erklä­rung eher das pro­te­stan­ti­sche Kir­chen­bild wie­der, das zu dem katho­li­schen Kir­chen­ver­ständ­nis des Kon­zils im Gegen­satz steht. Gera­de im Kir­chen­ver­ständ­nis bestehe zwi­schen Luthe­ra­nern und Katho­li­ken der „schwer­wie­gend­ste dog­ma­ti­sche Gegen­satz“, erklärt kürz­lich Kuri­en­kar­di­nal Ger­hard Lud­wig Mül­ler in sei­nem Vor­trag an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na in Rom. Die Dif­fe­ren­zen in Lehr­fra­gen zu Kir­che, Amt und Sakra­men­ten dürf­ten nicht auf „pla­ka­ti­ve For­meln“ redu­ziert werden.

Genau das macht aber die Gemein­sa­me Erklä­rung vom 31. 10. Man sucht anschei­nend den klein­sten gemein­sa­men Nen­ner in der Kir­chen­leh­re. Her­aus­ge­kom­men ist dabei aber ein Kir­chen­ver­ständ­nis in luthe­ri­schem For­mat. Das bedeu­tet also eine Schwä­chung, wenn nicht Abwen­dung von der katho­li­schen Ekkle­sio­lo­gie. Dem­nach hat der Papst eine pro­te­stan­ti­sie­ren­de Erklä­rung unter­schrie­ben. Er bringt den Pro­te­stan­ten zum Luther­ju­bi­lä­um ein öku­me­ni­sches Gast­ge­schenk mit, indem er wesent­li­che Dimen­sio­nen der katho­li­schen Kir­chen­iden­ti­tät zur Dis­po­si­ti­on stellt.

Die EKD betont die kirchentrennende Identität der Protestanten…

Der EKD-Vor­sit­zen­de Hein­rich Bedford-Strohm warn­te bei sei­nem Vati­kan-Besuch Anfang Febru­ar: Es dür­fe „kei­ne Homo­ge­ni­sie­rung geben, die das Eige­ne ver­schluckt. Wir wol­len kir­chen­tren­nen­de Iden­ti­tät ein­bin­den“ (FAZ 7. 2. 2017). Die Pro­te­stan­ten beto­nen ihre kirch­li­che Iden­ti­tät – in Abgren­zung zur katho­li­schen Leh­re. In die Lun­der Erklä­rung haben sie ihr kirch­li­ches Selbst­ver­ständ­nis ein­ge­bracht. Das ist ihnen nicht zu ver­den­ken. Aber es ist dem Papst und sei­nen Bera­tern vor­zu­wer­fen, dass sie die katho­li­sche, „kir­chen­tren­nen­de Iden­ti­tät“ in der Gemein­sa­men Erklä­rung nicht ver­an­kert haben. Indem der Papst das luthe­ri­sche Kir­chen­bild als gemein­sa­men Nen­ner unter­schrieb, hat er „das Eige­ne“ der katho­li­schen Kir­che im angeb­lich „Gemein­sa­men“, aber tat­säch­lich Pro­te­stan­ti­schen unter­ge­hen oder ver­schlucken lassen.

… der Papst will ökumenischen Dialog um jeden Preis – auch der eigenen Identität.

Das zeigt sich in ein­zel­nen Aus­sa­gen der Gemein­sa­men Erklärung:

  • Was gibt es für den Papst als Ober­hir­te der katho­li­schen Kir­che im „Wir“-Modus an der Refor­ma­ti­on zu geden­ken? Luther woll­te die „teuf­li­sche“ Papst-Kir­che zumin­dest in der „deut­schen Nati­on“ erset­zen durch sei­ne neu­gläu­bi­ge Kir­che. Das Ergeb­nis war die Spal­tung und Abtren­nung sei­ner Gemein­schaft von der Kirche.
  • Luther woll­te die katho­li­sche Kir­che, „als sicht­ba­res Gefü­ge ver­fasst“, abschaf­fen und an des­sen Stel­le eine unsicht­ba­re Kir­che der jeweils ver­sam­mel­ten Gläu­bi­gen set­zen. Luthers Zeit­ge­nos­se, der Huma­nist Ger­hard Lorich aus Hada­mar, kri­ti­sier­te den Refor­ma­tor als Abbruch­un­ter­neh­mer der Kir­che. Die Kla­ge, „Luthe­ra­ner und Katho­li­ken“ hät­ten glei­cher­ma­ßen „die sicht­ba­re Ein­heit der Kir­che ver­wun­det“, ist nach bei­den Sei­ten falsch: Allein Luther und sei­ne Anhän­ger zer­stör­ten in ihrem Ein­fluss­be­reich die sicht­ba­re Kir­che, indem sie sich mit ihrer neu-kirch­li­chen Gemein­schaft abspal­te­ten. Ande­rer­seits ist die Selbst­be­zich­ti­gung des Pap­stes absurd, die Katho­li­ken hät­ten die „sicht­ba­re Ein­heit der Kir­che verwundet“.
  • Nach der Kon­zils­leh­re ist die von Jesus Chri­stus gestif­te­te Kir­che ver­wirk­licht in der katho­li­schen Kir­che mit ihrem sakra­men­tal-hier­ar­chi­schen Cha­rak­ter. Luther und sei­ne Anhän­ger woll­ten kei­ne Kir­che im klas­si­schen Sinn, son­dern eine nicht-sakra­men­ta­le, neu­gläu­bi­ge Gemein­schaft. Es kann aber neben der einen, hei­li­gen, katho­li­schen und apo­sto­li­schen Kir­che kei­ne zwei­te geben. Des­halb hei­ßen und sind die 145 Mit­glie­der des Luthe­ri­schen Welt­bun­des ledig­lich „kirch­li­che Gemeinschaften“.

Die Gemein­sa­me Erklä­rung spricht von „Mit­glie­dern unse­rer Gemein­schaf­ten…“. Gram­ma­ti­ka­lisch ist damit auch die katho­li­sche Kir­che gemeint. Als Unter­zeich­ner hät­te der Papst somit die Kir­che zu einer der vie­len kirch­li­chen Gemein­schaf­ten degra­diert und damit ver­leug­net. Wenn aber nur die pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten gemeint wären, die sich nach einem gemein­sa­men eucha­ri­sti­schen Mahl seh­nen, dann bedeu­tet der Satz eine zwei­fa­che Anma­ßung: Bei Ableh­nung des Mess­op­fers, des Wei­he­am­tes und der Trans­sub­stan­tia­ti­on wol­len die Luthe­ri­schen die hl. Kom­mu­ni­on emp­fan­gen und das als „Aus­druck der vol­len Ein­heit“ ansehen.

  • Es ist luthe­ri­sche Son­der­leh­re, dass alle Getauf­ten der pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten zum Leib Chri­sti gehör­ten. Nach apo­sto­lisch-katho­li­scher Leh­re sind die außer­kirch­lich Getauf­ten zum Volk Got­tes gehö­rig. Aber sie kon­sti­tu­ie­ren nicht die Kir­che in ihrer sicht­ba­ren und unsicht­bar-geist­li­chen Gestalt des mysti­schen Lei­bes Chri­sti. Sie ste­hen außer­halb der Kir­che, in die sie sich zum Heil ein­glie­dern soll­ten – so das Kon­zils­de­kret Unita­tis red­in­te­gra­tio.

Der Papst und sei­ne Bera­ter haben die hei­li­ge Pflicht, die Leh­re der katho­li­schen Kir­che zu stu­die­ren, zu beher­zi­gen und dar­zu­le­gen. Das wür­de sie davor bewah­ren, frag­wür­di­ge Neu-Leh­ren der Pro­te­stan­ten zu unterschreiben.

Text: Hubert Hecker
Bild: MiL

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