Kardinal Burke wehrt sich gegen „Verleumdung“ – Wer verstehen will, was im Vatikan geschieht, muß hinter die Kulissen blicken


Kardinal Burke mit Malteserrittern
Kardinal Burke mit Rittern des Malteserordens

(Rom) Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, bril­lan­ter Jurist und bis Ende 2014 höch­ster Rich­ter beim Hei­li­gen Stuhl, ist ein gedul­di­ger Mann, der viel erträgt. Alles läßt er sich aber nicht bie­ten. Wer der­zeit ver­ste­hen will, was im Vati­kan und in der Kir­che wirk­lich pas­siert, der muß genau hin­hö­ren, hin­ter die Kulis­sen blicken, zwi­schen den Zei­len lesen und vor allem hin­ter­fra­gen, was die „erprob­ten Infor­ma­ti­ons-Des­in­for­ma­ti­ons-Kanä­le“ an Gerüch­ten aus­streu­en, so der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti. Mit ande­ren Wor­ten: Wer durch­blicken will, ist als Beob­ach­ter gefor­dert. Das ist anstren­gend, aber im Dienst für die Kir­che erforderlich.

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Im Novem­ber 2014 von Papst Fran­zis­kus abge­setzt, aus dem Vati­kan ent­fernt und als Kar­di­nal­pa­tron zum Mal­te­ser­or­den ver­setzt, sag­te er zu die­ser Demü­ti­gung nur, wo der Papst ihn hin­schicke, dort gehe er hin. Als ihn Papst Fran­zis­kus nun nach Guam schick­te, sag­te er, er sehe das nicht als Verbannung.

Der Sündenbock will Kardinal Burke nicht sein

Als Sün­den­bock für die schmut­zi­ge Wäsche ande­rer im Mal­te­ser­or­den will er aber nicht her­hal­ten. Im Orden, der zugleich sou­ve­rä­nes Völ­ker­rechts­sub­jekt ist, hat­te sich im Dezember/​Januar ein har­ter Macht­kampf zuge­spitzt. Mit vati­ka­ni­scher Unter­stüt­zung wur­de fak­tisch der erste Stand der Pro­feß­rit­ter von eini­gen Ange­hö­ri­gen des zwei­ten Stan­des ent­mach­tet. Der Jurist Bur­ke muß­te dem recht­lich unsau­be­ren Trei­ben taten­los zuse­hen. Das beste Gesetz taugt nur soviel, als sich Leu­te fin­den, die für des­sen Ein­hal­tung sor­gen. Im Vati­kan setz­te man sich über die Ordens­ver­fas­sung hin­weg. Auslegungssache?

Jour­na­li­sten, die dem „magi­schen Zir­kel“ um Papst Fran­zis­kus nahe­ste­hen, wie Tosat­ti kom­men­tier­te, lie­fer­ten der stau­nen­den Öffent­lich­keit eine bestimm­te Les­art der Ereig­nis­se im Orden, die wenig mit der Wirk­lich­keit zu tun hat­te. Kar­di­nal Bur­ke mel­de­te sich nicht zu Wort, stell­te nicht rich­tig. Er war der Bot­schaf­ter des Pap­stes beim Orden. Bot­schaf­ter haben nicht ihre Mei­nung zu äußern, son­dern öffent­lich nur im Sin­ne ihres Man­dan­ten zu sprechen.

Der Machtkampf im Malteserorden

Schließ­lich wur­de doch der Brief bekannt, den Bur­ke am 1. Dezem­ber 2016 von Papst Fran­zis­kus erhielt. Ein Brief, der deut­li­che Hand­lungs­an­wei­sun­gen ent­hielt, gegen bestimm­te Machen­schaf­ten im Orden vor­zu­ge­hen. Als Bot­schaf­ter des Pap­stes hielt sich Bur­ke auch dar­an und stach damit ins Wes­pen­nest. Das konn­te er nicht wis­sen. Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär misch­te sich plötz­lich ein, stell­te sich gegen ihn und erklär­te, das mit dem Brief des Pap­stes sei alles irgend­wie ganz anders gewe­sen und miß­ver­stan­den worden.

Der Rit­ter zwei­ten Stan­des, Albrecht Frei­herr von Boe­se­la­ger, als Groß­kanz­ler Regie­rungs­chef im Ordens­staat, war vom Groß­mei­ster des Ordens abge­setzt und vom Vati­kan, mit päpst­li­cher Voll­macht, wie­der ein­ge­setzt wor­den. Die jahr­hun­der­te­al­ten hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren im Orden waren durch ein Macht­wort des Pap­stes außer Kraft gesetzt wor­den. Kaum wie­der im Amt, und das nun als eigent­li­cher Macht­ha­ber im Orden, trat Boe­se­la­ger Anfang Febru­ar vor die Pres­se und erklär­te, kei­ne Ver­wen­dung mehr für Kar­di­nal Bur­ke im Orden zu haben. Weni­ge Tage spä­ter ver­schick­te der Vati­kan den Kar­di­nal in die Süd­see, weit fort aus Rom.

„Das betrachte ich als Verleumdung“

Der Angriff Boe­se­la­gers wur­de dem Kar­di­nal dann doch zu bunt. Er trat an die Öffent­lich­keit, um klar­zu­stel­len, daß er zu kei­nem Zeit­punkt den Rück­tritt Boe­se­la­gers gefor­dert hat­te. Der ent­spre­chen­de Vor­wurf wur­de pikan­ter­wei­se von Lud­wig Hoff­mann von Rum­er­stein wie­der­holt, ein öster­rei­chi­scher Pro­feß­rit­ter, also Ange­hö­ri­ger der alten Gar­de. Hoff­mann von Rum­er­stein lei­tet der Ordens­ver­fas­sung gemäß als Statt­hal­ter den Orden bis zur Wahl eines neu­en Groß­mei­sters, hat aber durch vati­ka­ni­sche Inter­fe­renz nur mehr soviel zu sagen, wie ihm der Vati­kan erlaubt. Die ein­sei­ti­ge Dar­stel­lung einer bestimm­ten Fron­de hat zahl­rei­che Adep­ten, Mit­läu­fer und nai­ve Nach­be­ter gefunden.

Nach der Wort­mel­dung des Statt­hal­ters wur­de Kar­di­nal Bur­ke dann doch deut­lich: Die Behaup­tung, er und nicht Groß­mei­ster Fra Matthew Fest­ing habe Boe­se­la­gers Kopf gefor­dert, „betrach­te ich als Ver­leum­dung“. Groß­mei­ster Fest­ing, der Unter­le­ge­ne im ordens­in­ter­nen Macht­kampf, trat am 24. Janu­ar nach einem Gespräch mit Papst Fran­zis­kus ent­täuscht und ent­nervt zurück. Hoff­mann von Rum­er­stein moch­te gemeint haben, mit der neu­en Ver­si­on der Dar­stel­lung dem Orden in die­ser kri­ti­schen Situa­ti­on zu nüt­zen. Immer­hin müs­sen die Pro­feß­rit­ter wie er damit rech­nen, daß Papst Fran­zis­kus sie ganz ent­mach­tet. Die päpst­li­chen Ankün­di­gun­gen, den Orden „refor­mie­ren“ zu wol­len, wur­den von Tei­len des Ordens als Dro­hung empfunden.

„Wer Verteilung von Verhütungsmitteln zuläßt, soll auch Verantwortung dafür übernehmen“

Nach einer Rekon­struk­ti­on der Fak­ten war die Rück­tritts­for­de­rung an Boe­se­la­ger über­haupt nicht geplant. Groß­mei­ster Fest­ing, mit der schrift­li­chen Auf­for­de­rung des Pap­stes vom 1. Dezem­ber in der Hand, woll­te Klar­heit schaf­fen. Dazu lud er Boe­se­la­ger am 6. Dezem­ber vor und kon­fron­tier­te ihn mit Vor­wür­fen, die durch zwei Unter­su­chungs­be­rich­te unab­hän­gig von­ein­an­der ans Licht gekom­men waren. Erst als sich der Groß­kanz­ler unein­sich­tig zeig­te, eska­lier­te die Kon­fron­ta­ti­on. Der Groß­mei­ster for­der­te Boe­se­la­gers Rück­tritt. Als die­ser sich wei­ger­te, setz­te ihn Fest­ing ab. Der Rest ist bekannt.

Kar­di­nal Bur­ke wört­lich zu dem Zusam­men­stoß vom 6. Dezember:

„Ich hat­te kei­ner­lei Auto­ri­tät, um vom Groß­kanz­ler den Rück­tritt zu for­dern. Ich habe ledig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, daß eine Per­son, die bewußt in den Wer­ken des Ordens die Ver­tei­lung von Ver­hü­tungs­mit­teln zuläßt, dafür auch die Ver­ant­wor­tung über­neh­men soll­te. Der Groß­mei­ster hat dann erneut den Groß­kanz­ler zum Rück­tritt auf­ge­for­dert, was die­ser ver­wei­ger­te. Dann schritt der Groß­mei­ster zu sei­ner Abset­zung, ohne daß ich in irgend­ei­ner Wei­se dar­an betei­ligt war.“

Nun habe ihn der Papst nach Guam geschickt, um ein Ver­fah­ren gegen einen eme­ri­tier­ten Erz­bi­schof zu lei­ten. Das sehe er als Auf­ga­be, nicht als Ver­ban­nung aus Rom.

„Der Papst hat nie per­sön­lich mit mir über die­sen Auf­trag gesprochen.“

Zwei Operationen  und die erprobten Informations-Desinformations-Kanäle

Die eigent­li­che Nomi­nie­rung erfolg­te durch die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Mar­co Tosat­ti schrieb dazu:

„In Wirk­lich­keit las­sen sich in die­ser ziem­lich trü­ben Geschich­te zwei unter­schied­li­che, mit­ein­an­der ver­knüpf­te Ope­ra­tio­nen unter­schei­den. Die erste Ope­ra­ti­on betrifft inter­ne Macht­kämp­fe im Mal­te­ser­or­dens, bei denen es wahr­schein­lich auch um Geld geht. Es ist bedau­er­lich, daß die Figur des Pap­stes auf so offen­sicht­li­che Wei­se in die­se Ope­ra­ti­on ver­wickelt wur­de: Er war es, der den Groß­mei­ster zum Rück­tritt zwang. Wel­che Mit­tel er dazu ein­setz­te, wis­sen wir nicht.“

Eine wei­te­rer Aspekt, so Tosatti

„ist die Inter­ven­ti­on des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats: Man weiß, daß die Fami­lie des abge­setz­ten und nach dem ‚Anschluß‘ des Ordens an den Vati­kan wie­der­ein­ge­setz­ten Groß­kanz­lers aus­ge­zeich­ne­te Bezie­hun­gen zur Ter­za Log­gia hat; aber dem Sub­sti­tu­ten die Auf­ga­be zur geist­li­chen Erneue­rung des Ordens übertragen …“

Vom „Anschluß“ sprach der Schwei­zer Jour­na­list Giu­sep­pe Rus­co­ni und spiel­te damit auf den „Anschluß“ Öster­reichs 1938 an das Deut­sche Reich an, um zu sagen, daß Ende Janu­ar vom Vati­kan das glei­che mit dem Mal­te­ser­or­den gemacht wur­de. Die „Ter­za Log­gia“ meint den drit­ten Stock im Apo­sto­li­schen Palast und ist ein Syn­onym, um zu sagen, daß die Fami­lie Boe­se­la­ger „aus­ge­zeich­ne­te Bezie­hun­gen“ zum Papst hat.

Tosat­ti weiter:

„Die zwei­te Ope­ra­ti­on scheint hin­ge­gen eine oppor­tu­ni­sti­sche Akti­on. Es bie­tet sich die Gele­gen­heit, jeman­den anzu­grei­fen, zu dis­kre­di­tie­ren wie Bur­ke, der in ande­ren Berei­chen lästig ist, und zugleich durch Nebel­ker­zen Ver­wir­rung über die wirk­li­chen Manö­ver zu stif­ten. Es genügt über die erprob­ten, befreun­de­ten Infor­ma­ti­ons-Des­in­for­ma­ti­ons-Kanä­le, Gerüch­te aus­zu­streu­en, daß er [Bur­ke] an allem Schuld sei … Immer die­ser Bur­ke! Wie­viel Geduld doch der Papst mit ihm aufbringt! …“

Wer ver­ste­hen will, was der­zeit im Vati­kan und in der Kir­che vor sich geht, der muß sich die Mühe machen, zwi­schen den Zei­len zu lesen, hin­ter die Kulis­sen zu blicken und genau hin­zu­se­hen, wer was sagt und behaup­tet, vor allem, wenn es ver­meint­lich neu­tral „in der Zei­tung steht“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Ordi­ne di Mal­ta Sici­lia (Screen­shot)

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