Ist Papst Franziskus auf der Suche nach einer neuen Residenz?


(Rom) Am 15. Janu­ar wird Papst Fran­zis­kus, in sei­ner Funk­ti­on als Bischof von Rom, die Pfar­rei San­ta Maria a Set­te­ville besu­chen. Die Diö­ze­se Rom zählt ins­ge­samt mehr als 330 Pfar­rei­en. Elf davon hat der Papst bereits besucht. Das sind im Ver­gleich ziem­lich weni­ge. Ein Grund dafür ist, daß er wäh­rend des Hei­li­gen Jah­res der Barm­her­zig­keit alle Besu­che abge­sagt hat­te. Der bevor­ste­hen­de Besuch hat jedoch ein „kurio­ses Ele­ment“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

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Die Pfar­rei San­ta Maria a Set­te­ville gehört nicht zur Stadt Rom, son­dern zu einer Stadt mit 90.000 Ein­woh­nern nord­öst­lich von Rom namens Gui­do­nia Mon­te­ce­lio. Von den 14 Pfar­rei­en der Stadt gehö­ren elf zum Bis­tum Tivo­li, das direkt dem Hei­li­gen Stuhl unter­steht. Von den ande­ren drei, die zum Bis­tum Rom gehö­ren, hat Fran­zis­kus eine, die Pfar­rei San­ta Maria dell’Orazione, bereits am 16. März 2014 besucht. Mit dem neu­en Besuch lau­tet die Bilanz zwei von drei. Im Ver­gleich dazu steht das päpst­li­che Besuchs­ver­hält­nis in den Pfar­rei­en der Stadt Rom ledig­lich beim Ver­hält­nis 1 : 33.

Es muß also etwas auf sich haben mit die­sem Gui­do­nia Mon­te­ce­lio, wenn das päpst­li­che Augen­merk so groß ist, ver­mu­tet jeden­falls Magi­ster und mach­te sich auf die Suche nach dem mög­li­chen Grund.

Papstvertrauter Fernandez: „Papst muß nicht zwangsläufig immer in Rom wohnen“

Am 12. Juni 2016 gab der argen­ti­ni­sche Titu­lar­erz­bi­schof Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez, einer der eng­sten Ver­trau­ten des Pap­stes, sein Ghost­wri­ter und „Ver­trau­ens­theo­lo­ge“ (Magi­ster) dem spa­ni­schen Nach­rich­ten­por­tal Reli­gi­on Digi­tal ein Inter­view. Dar­in sag­te Fer­nan­dez, daß „der Papst nicht zwangs­läu­fig die gan­ze Zeit in Rom woh­nen muß“, denn schließ­lich sei er ja auch „ober­ster Hir­te der gan­zen Kirche“.

Die 1999 eingeweihte Kirche der Pfarrei Santa Maria di Setteville
Die 1999 ein­ge­weih­te Kir­che der Pfar­rei San­ta Maria di Setteville

Fer­nan­dez, den Glau­bens­prä­fekt Kar­di­nal Mül­ler weni­ge Tage vor sei­nem Inter­view, in der Juni-Aus­ga­be der Her­der Kor­re­spon­denz als „häre­tisch“ bezeich­net hat­te, füg­te noch eine Kurio­si­tät hin­zu: „Nichts hin­dert“, daß der Papst in sei­ner Funk­ti­on als Bischof von Rom „nach Gui­do­nia Mon­te­ce­lio woh­nen geht“.

Der per­sön­li­che „Haupt­be­ra­ter“ des Pap­stes benann­te also Gui­do­nia Mon­te­ce­lio als mög­li­chen künf­ti­gen Resi­denz­ort des Pap­stes. Nicht mehr im Vati­kan, nicht mehr in der Stadt Rom könn­te der Papst woh­nen, son­dern an deren äußer­stem Rand, „einem jener geo­gra­phi­schen und exi­sten­ti­el­len Rän­der“, die Jor­ge Mario Berg­o­glio so kost­bar sind.

In der Tat: Was sind schon die Grä­ber der Apo­stel­für­sten, was ist schon Rom als Haupt­stadt des anti­ken Römi­schen Rei­ches, das sich der Hei­li­ge Petrus nicht zufäl­lig aus­such­te, im Ver­gleich zum Städt­chen – wie hieß es noch gleich?

„Von Papst Fran­zis­kus kann man sich alles erwar­ten. War­um also nicht auch einen sol­chen Ein­fall?“, so Magister.

Guidonia Montecelio, faschistische Musterstadt, Mülldeponie, Verfall

In den 30er Jahren faschistische Musterstadt
In den 30er Jah­ren faschi­sti­sche Musterstadt

Gui­do­nia Mon­te­ce­lio ver­fügt über einen, auf einer Anhö­he gele­ge­nen, hüb­schen histo­ri­schen Kern rund um eine mit­tel­al­ter­li­che Burg, die erst­mals 998 erwähnt wird. In der Anti­ke gab es hier etli­che Land­gü­ter des römi­schen Patri­zi­ats. Anson­sten blieb der Ort lan­ge Zeit ziem­lich beschau­lich, ver­schla­fen und in sei­nen Nie­de­run­gen mala­ria­ver­seucht. Unter dem Faschis­mus setz­te die Trocken­le­gung der Sümp­fe und ein rasches Wachs­tum durch Indu­stria­li­sie­rung ein. Von 4000 Ein­woh­nern im Jahr 1900 schnell­te die Stadt auf 67.000 im Jahr 2000 hin­auf: Ten­denz wei­ter schnell stei­gend. Seit 25 Jah­ren erlebt auch Ita­li­en eine mas­si­ve Ein­wan­de­rung. Zehn Pro­zent der Ein­woh­ner sind heu­te Rumä­nen. Die Stadt hat einen der höch­sten Aus­län­der­an­tei­le. Im Ver­gleich zu Frank­furt, Wien oder Ham­burg wür­de man Gui­do­nia Mon­te­ce­lio von der Lage her zum Speck­gür­tel der Stadt Rom rech­nen, wobei das mit dem Speck nicht ganz wört­lich zu neh­men wäre. Die Stadt hat die höch­ste Arbeits­lo­sen­ra­te Latiums.

Gui­do­nia Mon­te­ce­lio hieß zudem nicht immer so. Die erste Namens­än­de­rung erfolg­te 1872, nach­dem das König­reich Ita­li­en den Kir­chen­staat erobert und annek­tiert hat­te. Die neu­en, nicht beson­ders kir­chen­freund­li­chen Her­ren nah­men im Zuge der ita­lie­ni­schen Eini­gung ziem­lich will­kür­lich Tau­sen­de von Orts­na­men­än­de­run­gen vor. Bis dahin hat­te der Ort Mon­ti­cel­li gehei­ßen. Weil es im nun geein­ten Ita­li­en bereits ande­re Orte glei­chen Namens gab, wur­de aus Mon­ti­cel­li kur­zer­hand Mon­te­ce­lio. Ob die Ein­woh­ner das auch woll­ten, wur­de nicht gefragt.

1937 erfolg­te die zwei­te Namens­än­de­rung. Beni­to Mus­so­li­ni ließ auf dem Gebiet von Mon­te­ce­lio einen Mili­tär­flug­ha­fen errich­ten, Fall­schirm­jä­ger­ein­hei­ten sta­tio­nie­ren und grün­de­te eine faschi­sti­sche „Muster­stadt“ der Luft­fahrt und Luft­waf­fe. Benannt wur­de die­se Muster­stadt, die auch als „Stadt der Lüf­te“ bezeich­net wur­de, nach dem kurz zuvor töd­lich ver­un­glück­ten Gene­ral der ita­lie­ni­schen Luft­waf­fe und Flug­pio­nier Ales­san­dro Gui­do­ni. Wie es heißt, ist es dem beharr­li­chen Drän­gen des dama­li­gen Pfar­rers von Mon­te­ce­lio, Don Cele­sti­no Pic­co­li­ni, einem nam­haf­ten Histo­ri­ker und Archäo­lo­gen zu ver­dan­ken, daß der bis­he­ri­ge Orts­na­me dem neu­en zumin­dest ange­hängt wur­de. Seit Okto­ber 1937 heißt die Stadt also Gui­do­nia Montecelio.

Was im Ver­gleich zu Rom noch ange­führt wer­den könn­te: Bis 2014 befand sich hier die zweit­größ­te Müll­de­po­nie Roms.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

 

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