Spadaro-Interview: Papst Franziskus betrachtet es als „Mission“, Kirche zu reformieren – „Nichts kann uns von der Liebe Christi trennen“


Interview mit Antonio Spadaro zu Papst Franziskus und Amoris laetitia
Interview mit Antonio Spadaro zu Papst Franziskus und Amoris laetitia

(Rom) Radio Vati­kan (Ita­lie­ni­sche Sek­ti­on) ver­öf­fent­lich­te gestern ein Inter­view mit Pater Anto­nio Spa­da­ro SJ, dem Schrift­lei­ter der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca und engen Ver­trau­ten von Papst Fran­zis­kus. Der Jesu­it wur­de auch zur hef­ti­gen Kon­tro­ver­se über das umstrit­te­ne nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus befragt.

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Radio Vati­kan titel­te mit den Wor­ten: „Spa­da­ro: Fran­zis­kus setzt ‚mis­sio­na­ri­sche Reform‘ der Kir­che fort“. Was der Ordens­mit­bru­der des Pap­stes genau damit meint, bleibt auf­grund der Wort­wahl auf den ersten Blick ambi­va­lent. Nahe­lie­gend wäre, daß Papst Fran­zis­kus die Kir­che dahin­ge­hend refor­miert, daß sie neu­en mis­sio­na­ri­schen Eifer ent­fal­tet. Genau zu die­sem Mis­si­ons­auf­trag der Kir­che fie­len die päpst­li­chen Wort­mel­dun­gen bis­her aus­ge­spro­chen zwei­deu­tig aus. Papst Fran­zis­kus bestritt in der Ver­gan­gen­heit gegen­über nam­haf­ten Gesprächs­part­ner jeden Bekeh­rungs­wil­len. Die­ser ist jedoch Grund­vor­aus­set­zung des Mis­si­ons­auf­tra­ges. Den Begriff Mis­si­on setz­te das Kir­chen­ober­haupt in miß­ver­ständ­li­chem Kon­text ein, sodaß die eigent­li­che Bot­schaft ver­schwom­men und unklar blieb.

Man muß Spa­da­ros Aus­sa­ge wört­lich neh­men, will man ver­ste­hen, was er wirk­lich sagen will: Papst Fran­zis­kus betrach­tet es als sei­ne „Mis­si­on“, die Kir­che zu reformieren.

Pater Spa­da­ro bezeich­ne­te die „Unter­schei­dung und die Barm­her­zig­keit“ als Wesens­merk­ma­le die­ses Pon­ti­fi­kats. Dabei gerät er hart an die Gren­ze zum Wider­spruch gegen die Hei­li­ge Schrift und die Leh­re der Kirche:

„Im Grund ist die Barm­her­zig­keit das Wis­sen, daß nichts, nie nichts von der Lie­be des Herrn tren­nen kann, die uns immer nahe ist und die auf uns war­tet und uns immer erwartet.“

Ein so for­mu­lier­ter Satz schließt, ernst­ge­nom­men, jede Tren­nung von der Gemein­schaft der Kir­che als Leib Chri­sti aus. Damit kämen weder Exkom­mu­ni­ka­ti­on noch ewi­ge Ver­damm­nis in Fra­ge, die bei­de kon­sti­tu­ti­ve Ele­men­te von Got­tes Gerech­tig­keit sind, der das Gute belohnt und das Böse bestraft.

Ein wei­te­res Inter­view-The­ma sind Les­bos und Ausch­witz als Sym­bo­le „des Lei­dens“. Pater Spa­da­ro spricht von den „Mau­ern“ in Ausch­witz und in Bethlehem.

„Fran­zis­kus will den Schmerz nicht erklä­ren, das ist eine Sache, die ich, wie mir scheint, sehr gut aus sei­ner Art des Han­delns ver­stan­den habe. Das heißt: Er will Gott für das Leid in der Welt nicht recht­fer­ti­gen wie die alte Theodizee.“

Sein Schwei­gen bedeu­te „nicht ein biß­chen gut­mensch­li­che, ein biß­chen süße Ant­wor­ten zu geben, wenn wir so wol­len, die aber auf Distanz zum Lei­den blei­ben. Das Schwei­gen bedeu­tet, nahe zu sein und die Hand mit einer Geste zu rei­chen, die ich the­ra­peu­tisch nen­nen wür­de.“ Und wei­ter: „Der Papst lieb­kost die Wun­den, denn das ist die Art, sie zu hei­len, und im Grun­de ist das Kreuz Chri­sti letzt­lich genau das: sich jenen Schmerz zu eigen zu machen, jenes Lei­den, das die Mensch­heit erlebt. Es ist also kein lee­res Schwei­gen: Es ist ein vol­les Schwei­gen der Nähe, des Nahseins.“

Damit zur eigent­li­chen Fra­ge nach dem Kon­flikt um Amo­ris lae­ti­tia, den Pater Spa­da­ro in sei­ner Bedeu­tung her­un­ter­spielt, wäh­rend er bekräf­tigt, daß Amo­ris lae­ti­tia kei­ne all­ge­mein­gül­ti­gen Nor­men und Regeln vor­gibt. Der Jesu­it spricht sie nicht direkt an, zieht damit aber impli­zit die all­ge­mei­ne und abso­lu­te Gül­tig­keit der Gebo­te Got­tes in Zwei­fel, denn dar­um dreht sich ein wesent­li­cher Aspekt des Kon­flikts um Amo­ris lae­ti­tia, des­sen Text maß­geb­lich von ihm mit­for­mu­liert wurde.

Radio Vati­kan: Amo­ris lae­ti­tia ist das in die­sem Jahr ver­öf­fent­lich­te päpst­li­che Doku­ment, das im katho­li­schen Bereich am mei­sten Inter­es­se aus­ge­löst hat, aber auch Kri­tik. Die­ses Pon­ti­fi­kat lebt auch in sich die­se Dimen­si­on der Span­nung. Wel­che Hin­wei­se gibt Fran­zis­kus, um die­ser Situa­ti­on zu begegnen?

Pater Anto­nio Spa­da­ro: Mehr­fach hat Papst Fran­zis­kus gesagt, daß der Kon­flikt Teil des Lebens ist, daher ist er abso­lut wich­tig in den kirch­li­chen Pro­zes­sen. Der Papst ist wenn schon besorgt, wenn sich nichts rührt, wenn es kei­ne Span­nun­gen gibt, wenn es manch­mal kei­nen Wider­spruch gibt. Wenn ein Pro­zeß real ist, dann erzeugt er wirk­sa­me Span­nung. Amo­ris lae­ti­tia ist ein außer­ge­wöhn­li­ches Doku­ment, denn im Grun­de stellt es nicht nur das Volk Got­tes, son­dern den ein­zel­nen Gläu­bi­gen in den Mit­tel­punkt der Bezie­hung zwi­schen dem Men­schen und Gott. Daher macht es die Unter­schei­dung zum grund­le­gen­den Kri­te­ri­um und fühlt, nimmt wahr, daß die Fami­lie der zen­tra­le Kern für die Gesell­schaft von heu­te ist. Daher berührt es vie­le The­men: das The­ma der Fami­lie als zen­tra­len Kern, aber auch die Situa­tio­nen des Bru­ches, der Kri­sen. Es begeg­net ihnen im Wis­sen, daß der Herr zu jedem Men­schen spricht und sei­ne Glau­bens­ge­schich­te berück­sich­tigt. Dar­um  wer­den auch hier in die­sem Fall kei­ne all­ge­mei­nen, abso­lu­ten und abstrak­ten Nor­men und Regeln gege­ben, die in jeder Situa­ti­on gel­ten. Die­ses Apo­sto­li­sche Schrei­ben ist viel­mehr eine Ein­la­dung an jeden Hir­ten, dem Gläu­bi­gen nahe zu sein, sich der Geschich­te einer jeden ein­zel­nen Per­son nahe zu machen.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Radio Vati­kan (Screen­shot)

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1 Kommentar

  1. Wo lernt man die Spra­che der Jesui­ten von heute?
    Es ist ganz ein­deu­tig eine Kunst viel zu reden und trotz­dem nichts zu sagen.
    „Pater Spa­da­ro bezeich­ne­te die „Unter­schei­dung und die Barm­her­zig­keit“ als Wesens­merk­ma­le die­ses Pon­ti­fi­kats. Dabei gerät er hart an die Gren­ze zum Wider­spruch gegen die Hei­li­ge Schrift und die Leh­re der Kirche:“
    Euer Barm­her­zig­keits­ge­du­de­le wird uns nicht dar­an hin­dern eure Früch­te genau zu unter­schei­den die bei euch unreif und geschmack­los vom Baum fal­len werden.
    Per Mari­am ad Christum.

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