Die nordbelgische Zeitschrift Tertio: Modernismus in Konkurs


Tertio, die 2000 gegründete Wochenzeitung zur Verbreitung progressiver Ideen
"Tertio", die 2000 gegründete Wochenzeitung zur Verbreitung progressiver Ideen

von Amand Timmermans

Anzei­ge

Im Jahr 2000 wur­de im Nor­den Bel­gi­ens die nie­der­län­disch­spra­chi­ge Wochen­zeit­schrift Ter­tio mit nach eige­nen Aus­sa­gen „katho­li­scher Mei­nungs­bil­dung“ gegründet.

Es war eine für die nord­bel­gi­sche Kir­che äusserst schwie­ri­ge Zeit: 35 Jah­re nach dem 2. Vati­ka­ni­schen Kon­zil, nach 40 Jah­ren desa­strö­ser Lei­tung unter den Kar­di­nä­len Sue­n­ens und Dan­neels, mit kom­plet­ter Ver­lot­te­rung der kirch­li­chen Leh­re und Ver­schwin­den der Glau­bens­in­hal­ten bei erd­rutsch­ar­ti­gen Ver­lu­sten beim Kirch­gang und bei der kirch­li­chen Bin­dung, bei rasan­ter Ver­grei­sung des Kle­rus und ver­dün­sten­den Orden, war die ehe­mals in  Flan­dern  tief ver­an­ker­te und prä­gen­de römisch-katho­li­sche Kir­che ein Scherbenhaufen.

Sprachenstreit: Distanzierung von der Ortskirche

Bei dem nie­der­län­disch-fran­zö­si­schem Spra­chen­streit und beson­ders nach dem unsen­si­blen Man­de­ment der bel­gi­schen Bischö­fe im Jahr 1966  hat­ten sich die Flä­misch­na­tio­na­len, ursprüng­lich tief­ka­tho­lisch und tra­di­tio­nell sehr kul­ti­viert und den Groß­teil der flä­mi­schen Eli­te stel­lend, von der diö­ze­sa­nen Kir­che entfernt.

Die nord­bel­gi­sche Kir­che hat­te sich in die­sen Jah­ren inten­siv mit der eben­falls dahin­stot­tern­den und sehr moder­ni­stisch ein­ge­stell­ten christ­lich­de­mo­kra­ti­schen Par­tei CVP und ihren Par­la­men­ta­ri­ern verbunden.

Wenn Ende der 90er Jah­re das Aus­maß des pädo­phi­len Miß­brauchs in der Kir­che und die schwer­sten Ver­tu­schungs­ver­su­che durch den Epi­sko­pat, Dan­neels vor­an, bekannt wur­de und zugleich eine nicht­auf­hö­ren­de Serie von Unsin­nig­kei­ten und Brim­bo­ri­um der kirch­li­chen Füh­rung und des Kle­rus durch die Gazet­ten roll­te sowie par­al­lel eine Serie von CVP-Wahl­nie­der­la­gen zur Implo­si­on und zum Macht­ver­lust die­ser Par­tei führ­te, war die nord­bel­gi­sche Kir­che mit ihren gut­mensch­li­chen Anhän­gern publi­zi­stisch am Ende.

Parochialblatt Kerk&Leven

Kerk&Leven
Das Wochen­blatt Kerk&Leven, 1940 von Domi­ni­ka­nern gegrün­det, 1959 von den Bis­tü­mern übernommen

Das seit 1940 wöchent­lich von den flä­mi­schen Bis­tü­mern her­aus­ge­ge­be­ne Paro­chi­al­blatt Kerk&Leven (Kirche&Leben; damals noch mit über einer Mil­li­on Auf­la­ge) hat­te sich schon 1984 mit einem Wer­be­ar­ti­kel  für eine „Arbeits­grup­pe zur För­de­rung der Inter­es­sen von Pädo­phi­len in der Kir­che“ mora­lisch erledigt.

Spä­ter, in den lan­gen und bit­te­ren Aus­ein­an­der­set­zun­gen um ein Reli­gi­ons­un­ter­richts­buch mit pädo­phi­li­sie­ren­den Abbil­dun­gen für Schü­ler von 14–15 Jah­ren  (Roeach3) hat­te man nichts berich­tet; mehr noch, der dama­li­ge Haupt­re­dak­teur Toon Osa­er ver­such­te sehr aktiv die Pro­te­ste unter Hin­weis auf die Gehor­sams­pflicht gegen­über dem Bischof und Kar­di­nal Dan­neels zu unterdrücken.

Die Auf­la­gen­hö­he die­ses Paro­chi­al­blatts fiel um die Hälf­te (heu­te inzwi­schen auf weni­ger als ein Drittel).

Fast alle Wochen­blät­ter berich­te­ten kri­tisch und nicht sel­ten mit sehr viel Scha­dens­freu­de über die Kala­mi­tä­ten der nord­bel­gi­schen Kirche.

Bei den Tages­zei­tun­gen ent­stand eine frei­gei­sti­ge Domi­nanz mit dem Spek­trum von popu­lär-libe­ral bis modern-sozia­li­stisch. Die frü­her star­ke katho­li­sche Qua­li­täts­pres­se ent­wickel­te sich kir­chen­kri­tisch bis „modern“ und an Glau­bens­sa­chen kaum interessiert.

Die frü­her sehr qua­li­tät­vol­len Ordens­zeit­schrif­ten siech­ten in die­sen Jah­ren dahin, wur­den dann teils elek­tro­nisch und ver­schwan­den dann total (z.B. Stre­ven der Jesuiten).

Das neue Wochenblatt Tertio

So ent­stand Ter­tio, um die Ideen der ange­schla­ge­nen Moder­ni­sten zu verbreiten.

Von Anfang an ver­sprach man viel Auf­merk­sam­keit für, neben katho­li­schen, auch pro­te­stan­ti­sche, ortho­do­xe und angli­ka­ni­sche The­men (merk­wür­di­ger­wei­se stand 2000 die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Islam nicht auf dem Pro­gramm, obwohl schon seit fast drei Jahr­zehn­ten in Brüs­sel und in Ant­wer­pen mas­siv vorhanden).

Wöchent­lich erschie­nen Berich­te, Inter­views, Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und mei­nungs­deu­ten­de Arti­kel zu The­men brei­ter Aktua­li­tät; dazu Nach­rich­ten und philosophische/​esoterische Arti­kel, viel Gut­mensch-Main­stream, sehr viel Loben­des über Dan­neels und sei­nen Freun­des­kreis, und Kri­ti­sches über bestimm­te Poli­ti­ker (wobei hier Sozi­al- und Gesin­nungs­kri­te­ria domi­nier­ten, kei­ne fundamentaltheologischen).

Der erste Haupt­re­dak­teur war ein Ex-68er-Sozio­lo­ge, „Neo­mo­der­nist“, der sich am berüch­tig­ten Edward Schil­le­be­eckx ori­en­tier­te. Spä­ter folg­ten dann ein Sym­pa­thi­sant der Befrei­ungs­theo­lo­gie und ein Christdemokrat.

Die Jour­na­li­sten kamen und gin­gen. Ins­ge­samt stamm­ten fast alle aus dem links-sozia­len Flü­gel der Ex-CVP (jetzt: CD&V), waren sehr kri­tisch gegen das Lehr­amt von Papst Johan­nes Paul II. und Papst Bene­dikt XVI. ein­ge­stellt, schwie­gen sehr lan­ge über die sexu­el­len Skan­da­le in der bel­gi­schen Kir­che, waren dafür Dan­neels sehr ver­bun­den und sehr kri­tisch gegen­über des­sen Nach­fol­ger Erz­bi­schof  Msgr. Léo­nard. Zu einem gro­ßen Teil stamm­ten sie aus dem Umfeld der Uni­ver­si­tät Löwen.

Altbekannter Tenor – Das Papst-Interview

Ter­tio wur­de kein publi­zi­sti­scher Renner.

Der Tenor der Arti­kel war stets der glei­che, alt­be­kannt und lang­wei­lig und sehr häu­fig völ­lig uninteressant.

2008 wur­de der Auf­tritt erneu­ert mit dem Zusatz­ti­tel  „Glaubwür­dig“ – was nach der Affä­re vanG­he­lu­we (Bischof von Brüg­ge 1984–2010) dann von Sar­ka­sten zu „Ung­laubwür­dig“ vari­iert wurde.

Das Blatt ist kon­stant in finan­zi­el­len Schwierigkeiten.

2009 hat­te es 7500 zah­len­de Abon­nen­ten, wobei merk­wür­di­ger­wei­se die Druck­auf­la­ge  13.000 betrug (das war etwa 2 Pro­zent bzw. 5 Pro­zent der Auf­la­ge des Parochialblatts).

Die nord­bel­gi­sche Kir­che ist seit­dem durch die zwei­te Wel­le von pädo­phi­len Skan­da­len und das Gestüm­per der Bischö­fe DeKesel, Bon­ny und Van Looy noch mehr abge­wrackt wor­den. Die Auf­la­ge von Ter­tio dürf­te inzwi­schen deut­lich gerin­ger sein.

Jeder Arti­kel im Inter­net ist kosten­pflich­tig, was den Ein­fluß beim Publi­kum zusätz­lich verringert.

Kurz gesagt: ein wenig gele­se­nes, lang­wei­li­ges Wochen­blatt  mit klei­ner Auf­la­ge und mit gerin­ger Durch­schlags­kraft, sehr stark auf sich und eine klei­ne Grup­pe Gleich­den­ken­der bezo­gen und zu einer abge­wrack­ten Kir­che pas­send. Da sie auf Nie­der­län­disch publi­ziert wird, was bei allem Respekt für mei­ne Mut­ter­spra­che nun nicht gera­de die lin­gua fran­ca der katho­li­schen Welt ist, ist die Außen­wir­kung auf die­se begrenzt.

Die Ver­zweif­lung und Rat­lo­sig­keit im Vati­kan muß wohl gewal­tig groß sein, daß gera­de  die­ses fast unbe­kann­te, moder­ni­stisch ange­hauch­te und eher mut­lo­se Heft­chen von Fran­zis­kus  aus­ge­wählt wur­de, um in einem sehr lan­gen Inter­view eine fun­da­men­ta­le Ände­rung der kirch­li­chen Leh­re zu erklä­ren und zu verdeutlichen.

Text: Amand Timmermans
Bild: Tertio/Kerk&Leven (Screen­shots)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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2 Kommentare

  1. „Die nord­bel­gi­sche Zeit­schrift Ter­tio: Moder­nis­mus in Konkurs“
    Ja die Paro­le des Kon­zils­gei­stes „Hell aus dem dunk­len Ver­gan­gen leuch­tet die Zukunft her­vor“ war wohl ein Schuß in den Ofen. Das absä­gen von Kom­mu­ni­on­bän­ken mag wohl in die­ser Welt Gefal­len gefun­den haben aber ob die­se Lustig­keit vor dem Herrn durch­ge­wun­ken wird möch­te ich doch stark bezweifeln. 

    Per Mari­am ad Christum.

  2. Die Nach­barn im Nie­der­laen­di­schen Sue­den waren frue­her eben­falls sehr Katholisch,sind jetzt aber lei­der auch dem Libe­ra­lis­mus verfallen.

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