Die Weihnachtsschelte des Papstes an die Römische Kurie – „Papst schlägt zurück“


Papst Franziskus erklärte in seiner Weihnachtsansprache an die Römische Kurie seine Reformpläne und holte zur Kurienschelte Dritter Teil aus.
Papst Franziskus erklärte in seiner Weihnachtsansprache an die Römische Kurie seine Reformpläne und holte zur Kurienschelte Dritter Teil aus.

(Rom) Papst Fran­zis­kus hat sich mit sei­ner heu­ti­gen Weih­nachts­bot­schaft an die Kuri­en­mit­ar­bei­ter in die Opfer­rol­le geflüch­tet. Anstatt auf die Dubia (Zwei­fel) der vier Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra und Meis­ner zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia zu ant­wor­ten, beklag­te er „bös­wil­li­ge Wider­stän­de“. Eine sol­che Hal­tung nennt man in Ita­li­en „vitti­mis­mo“ (Opfer­hal­tung).  Dazu pas­sen Medi­en­schlag­zei­len wie jene des ORF: „Papst schlägt zurück“. Zurück?

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Die Kurie ist der Buh­mann der katho­li­schen Kir­che. Das ist zumin­dest der Mythos, den pro­gres­siv Kir­chen­krei­se noch aus vor­kon­zi­lia­rer Zeit in die nach­kon­zi­lia­re Zeit hin­über­ge­nom­men haben. Papst Fran­zis­kus liest all­jähr­lich den Kuri­en­mit­ar­bei­tern mit der Weih­nachts­bot­schaft die Levi­ten. Um genau zu sein, zieht er sie an den Ohren, wäscht ihnen den Kopf, oder wie immer man die ver­ba­len „Freund­lich­kei­ten“ bezeich­nen möchte.

Wört­lich sag­te er unter Ver­weis auf den Theo­lo­gen Roma­no Guar­di­ni: „Und so ist die Logik des Weih­nachts­fe­stes die Umkeh­rung der Logik der Welt, der Logik der Macht, der Logik des Kom­man­die­rens, der Logik der Pharisäer.“

„Mir ist an die­ser Stel­le die anti­ke Weis­heit ein­ge­fal­len … das De-for­mier­te re-for­mie­ren, das Re-for­mier­te kon-for­mie­ren, das Kon-for­mier­te bestä­ti­gen und das Bestä­tig­te trans-formieren.“

Die Kuri­en­re­form sei „kon­form“ mit der Fro­hen Bot­schaft, die mutig und freu­dig „vor allem den Armen“ ver­kün­det wer­den müs­se. „Kon­form“ sol­le sie aber auch gegen­über den „Zei­chen der Zeit“ sein, „um bes­ser den Bedürf­nis­sen der Frau­en und Män­ner begeg­nen zu kön­nen, denen zu die­nen wir gesandt sind.“

Zugleich beton­te Papst Fran­zis­kus, fast neben­bei, daß er als „Nach­fol­ger Petri“, eine „höch­ste, vol­le, unmit­tel­ba­re und uni­ver­sa­le ordent­li­che Auto­ri­tät“ habe. Es ist eini­ge Zeit her, daß Päp­ste so häu­fig die­se Macht­fül­le beton­ten. Daß gera­de Fran­zis­kus die­se Auto­ri­tät mit sol­cher Deut­lich­keit in Anspruch nimmt, gehört zu den Beson­der­hei­ten die­ses Pontifikats.

„Wir müs­sen klar bekräf­ti­gen, dass die Reform nicht um ihrer selbst wil­len geschieht, son­dern ein Pro­zess des Wach­sens und vor allem der Bekeh­rung ist.“ Der „Bekeh­rung“? Kön­nen sich Insti­tu­tio­nen „bekeh­ren“? Sind es nicht viel­mehr nur Men­schen, die das kön­nen. Die Kuri­en­re­form ist eine orga­ni­sa­to­ri­sche Reform von Insti­tu­tio­nen. Oder mein­te Papst Fran­zis­kus etwas ganz anderes?

„Die Reform hat kei­nen ästhe­ti­schen Sinn, als ob sie die Kurie schö­ner machen wol­le. Man kann sie nicht als eine Art ‚Lif­ting‘ sehen, als ‚Make-up‘ oder als Schmin­ke, um den alten Kör­per der Kurie zu ver­schö­nern. Sie ist auch kei­ne Schön­heits­ope­ra­ti­on, um Fal­ten zu ent­fer­nen. Lie­be Brü­der, nicht die Fal­ten der Kir­che müs­sen wir fürch­ten, son­dern den Schmutz.“ Des­halb, so der Papst, kön­ne die Kuri­en­re­form nur dann gelin­gen, wenn sie mit erneu­er­ten, nicht mit neu­en Men­schen gesche­he. Also doch eine „Bekeh­rung“ der Kuri­en­mit­ar­bei­ter? Sind die­se denn bekeh­rungs­be­dürf­tig? Was genau meint Papst Fran­zis­kus mit „Bekeh­rung“?

„Die Reform der Kurie erschöpft sich über­haupt nicht dar­in, Men­schen aus­zu­wech­seln – auch wenn die­ses gesche­hen ist und gesche­hen wird – son­dern nur in der Bekeh­rung der Menschen.“

Einer, der „aus­ge­wech­selt“ wur­de, bedurf­te weder der „Bekeh­rung“ noch der „pro­fes­sio­nel­len Wei­ter­bil­dung“. Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke ist ein Treu­er Die­ner Chri­sti und ein bril­lan­ter Kir­chen­recht­ler. Als sol­cher dien­te er an der Römi­schen Kurie als Prä­si­dent des Ober­sten Gerichts­ho­fes der Apo­sto­li­schen Signa­tur. Papst Fran­zis­kus wech­sel­te ihn den­noch aus, als Kar­di­nal Bur­ke sich nicht zum Kurs der „neu­en“ Barm­her­zig­keit „bekeh­ren“ woll­te. Mein­te der Papst viel­leicht sol­che Zusam­men­hän­ge in sei­ner Weihnachtsbotschaft?

Bei sei­ner Weih­nachts­an­spra­che 2014 hielt Fran­zis­kus den Kuri­en­mit­glie­dern 15 Krank­hei­ten vor. Nun setz­te er im drit­ten Jahr hin­ter­ein­an­der das Kuri­en-Bas­hing fort.

„Es war not­wen­dig, von Krank­hei­ten und Hei­lung zu spre­chen, weil jeder Ope­ra­ti­on, damit sie erfolg­reich sein kann, eine Dia­gno­se vor­an­geht, eine akku­ra­te Ana­ly­se, und sie muss von prä­zi­sen Vor­schrif­ten beglei­tet und gefolgt wer­den“, so die päpst­li­che Begründung.

Ste­ve Jal­se­vac, der Chef­re­dak­teur von Life­Si­te, gewann bei sei­nem Rom-Besuch Ende Novem­ber einen beklem­men­den Ein­druck vom Ergeb­nis die­ses päpst­li­chen Umgangs mit sei­nen Kuri­en­mit­ar­bei­tern. Unter die­sen herr­schen „Angst und Beklem­mung“. Die Mit­ar­bei­ter sei­en nicht moti­viert, son­dern ver­äng­stigt. Sie fühl­ten sich über­wacht und von stän­di­ger Ent­las­sung bedroht. Die all­ge­mei­ne Ein­schät­zung sei, so Jal­se­vac, daß ein „Krieg in der Kir­che“ im Gan­ge sei. Ein Krieg der Pro­gres­si­ven gegen die Rechtgläubigen.

Daß es Wider­stän­de gegen die Reform gibt, sei etwas Gutes, ein Zei­chen der Leben­dig­keit, fuhr der Papst fort. Wider­stand müs­se ange­hört und ermu­tigt wer­den, sich aus­zu­drücken. So gebe es offe­nen Wider­stand, der oft gutem Wil­len und dem Wunsch nach Dia­log ent­sprin­ge. Fran­zis­kus sprach aber auch von ver­deck­tem Wider­stand an der Kurie; der rüh­re von ver­äng­stig­ten oder ver­stei­ner­ten Her­zen her und näh­re sich von einem Gat­to­par­dis­mo“, der alles ändern wol­le, damit alles bleibt, wie es ist. Die von Fran­zis­kus ange­spro­che­ne „Ängst­lich­keit“ meint aller­dings eine ganz ande­re, als jene, die Jal­se­vac benannte.

Die Dubia (Zwei­fel) der vier Kar­di­nä­le zu Kern­fra­gen des Glau­bens, nicht zu zweit­ran­gi­gen orga­ni­sa­to­ri­schen Fra­gen, wei­gert sich Fran­zis­kus anzu­hö­ren. Er hät­te die vier Kar­di­nä­le seit Mona­ten zu sich rufen kön­nen, um zu zei­gen, daß er ihre Beden­ken und Sor­gen ernst nimmt. Doch nichts der­glei­chen ist gesche­hen. Statt­des­sen spricht er von „ver­deck­tem Wider­stand“, ja sogar „bös­wil­li­gem Wider­stand“. Der Papst nann­te kei­ne Namen, doch die Jour­na­li­sten ver­stan­den sofort, wer mit der Kri­tik gemeint war: die Papst-Kritiker.

Es han­delt sich dabei nicht um ein Miß­ver­ständ­nis. Der Papst selbst lie­fer­te die Stich­wör­ter, die das Bild erge­ben: „Die­ser Typus Wider­stand ver­steckt sich hin­ter Wor­ten der Recht­fer­ti­gung und in vie­len Fäl­len der Ankla­ge, er flieht in die Tra­di­ti­on, in den Schein, die For­ma­li­tät, das Alt­be­kann­te, oder will alles auf die per­sön­li­che Ebe­ne brin­gen, ohne zwi­schen Akt, Akteur und Akti­on zu unterscheiden.“

Radio Vati­kan lob­te die­se Wor­te des Pap­stes als „gewohn­te Offen­heit“. Im Zusam­men­hang mit dem vom Papst ver­folg­ten Kurs zur Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten ist von „Offen­heit“ jedoch kei­ne Spur. Viel­mehr treibt der Papst seit 2013 sei­ne Agen­da in die­ser Sache „ver­deckt“ vor­an. Die­ses unter­ir­di­sche Vor­ge­hen, das das Licht der Son­ne zu scheu­en scheint, war wesent­li­cher Grund, wes­halb die vier Kar­di­nä­le mit ihren Dubia ihn end­lich zur Klar­heit zwin­gen wollten.

Der Papst ver­wei­gert jedoch Rede und Ant­wort. Sei­ne Zeit ver­wen­det er statt­des­sen dar­auf, die Fra­ge­stel­ler und deren besorg­te Unter­stüt­zer anzu­grei­fen. Es gin­ge also ein­fa­cher und wür­de der Ruhe und dem Frie­den in der Kir­che mehr nüt­zen, wenn er die an ihn gerich­te­ten Fra­gen auch beant­wor­ten wür­de. Solan­ge das nicht geschieht, setzt er sich Zwei­feln aus, die schnell in Ver­däch­ti­gun­gen umkip­pen kön­nen. Dar­un­ter lei­det das all­ge­mei­ne Kli­ma – und die Glaub­wür­dig­keit der Kir­che in der Welt. Er wird einen Grund haben, war­um er auf so unge­wöhn­li­che Art und Wei­se han­delt. Er soll­te die­sen Grund aber der Kir­che mitteilen.

Als sech­stes Kri­te­ri­um sei­ner Kuri­en­re­form nann­te Fran­zis­kus das „aggior­na­men­to“ (Aktua­li­sie­rung), jenes Wort von Papst Johan­nes XXIII., das zum Zau­ber­wort des „Kon­zils­gei­stes“ wurde.

Bedeut­sa­mer ist sei­ne neu­er­li­che Beto­nung der „Syn­oda­li­tät“. Die ortho­do­xen Kir­chen und auch die pro­te­stan­ti­schen Deno­mi­na­tio­nen, wenn auch auf ande­rer Ebe­ne, haben eine Syn­odal­ver­fas­sung, nicht aber die katho­li­sche Kir­che. Sie hat syn­oda­len Ele­men­te, die aber nur ein Aspekt unter ande­ren sind.

Als letz­tes Kri­te­ri­um nann­te der Papst die Gra­dua­li­tät. Damit griff er den Begriff der „geist­li­chen Unter­schei­dung“ auf, „der einen Pro­zess bedeu­tet, ein ‚Abta­sten‘ der Zeit­punk­te und Schrit­te, ein Über­prü­fen, eine Kor­rek­tur, ein Aus­pro­bie­ren, ein Ein­rich­ten ad expe­ri­men­tum. In die­sen Fäl­len ist das kei­ne Unent­schie­den­heit, son­dern eine not­wen­di­ge Fle­xi­bi­li­tät, um zu einer wirk­li­chen Reform zu kommen.“

Laut Ste­ve Jalsevac’s Stim­mungs­be­richt aus Rom fehlt es Papst Fran­zis­kus an einem wirk­li­chen Draht zu den Kuri­en­mit­ar­bei­tern. Er scheint etwas im pro­gres­si­ven Mythos von der „bösen Kurie“ gefan­gen und sie als Teil einer Art von feind­se­li­gem Appa­rat zu sehen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Radio Vati­can (Screen­shot)

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