Kardinal Hummes Rechnung: „Das sind nur vier, wir sind 200“ – Päpstliche „Sorgen“ wegen Benedikt XVI.


Kardinal Claudio Hummes zu "Dubia": "Das sind nur vier gegen eine enorme Gruppe. Das ganze Kardinalskollegium steht hinter Papst Franziskus."
Kardinal Claudio Hummes zu "Dubia": "Das sind nur vier gegen eine enorme Gruppe. Das ganze Kardinalskollegium steht hinter Papst Franziskus."

(Bra­si­lia) Vier Kar­di­nä­le haben Dubia (Zwei­fel) zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia for­mu­liert mit der auf­for­dern­den Bit­te an Papst Fran­zis­kus, Klar­heit zu schaf­fen und die herr­schen­de Ver­wir­rung zu been­den. Doch der Papst schweigt. Statt­des­sen mel­den sich, unge­fragt, enge Ver­trau­te und Mit­ar­bei­ter des Pap­stes zu Wort. Dazu zählt der bra­si­lia­ni­sche Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes, der in einem Inter­view die Bedeu­tung der Dubia klein­zu­re­den versuchte.

Bedrückendes Schweigen des Papstes

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Die Wei­ge­rung, all­ge­mein ver­ständ­li­che Fra­gen zu Kern­the­men der katho­li­schen Glau­bens­leh­re und Sakra­men­ten­ord­nung zu beant­wor­tet, wird von Tei­len der Kir­che mit jedem neu­en Tag bedrücken­der emp­fun­den. Hohe Kir­chen­ver­tre­ter begin­nen, in dem unge­wöhn­li­chen Schwei­gen eine Bela­stung für die Kir­che zu sehen. Statt­des­sen mel­det sich das päpst­li­che Umfeld zu Wort, um den Papst zu ver­tei­di­gen oder die vier Kar­di­nä­le anzu­grei­fen. Sie wol­len damit Fran­zis­kus zu Hil­fe eilen und ihn aus der „Schuß­li­nie“ neh­men. Dort­hin hat sich der Papst jedoch selbst manö­vriert. Die vier Kar­di­nä­le stel­len nur Fra­gen. Die­se sind aller­dings von größ­ter Bedeu­tung und – durch das päpst­li­che Schwei­gen – von zuneh­men­der Brisanz.

Die pro­gres­si­ve, spa­ni­sche Nach­rich­ten­sei­te Reli­gi­on Digi­tal ver­öf­fent­lich­te am 25. Novem­ber ein Inter­view mit Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes. Der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof von Sao Pau­lo und eme­ri­tier­te Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on zählt im Kar­di­nals­kol­le­gi­um zum älte­sten Ver­trau­ten­kreis des Pap­stes. Bald nach der Wahl von Fran­zis­kus schlug Hum­mes vor Begei­ste­rung einen pro­gres­si­ven Pur­zel­baum: Die Gei­stes­welt eines „Papst­ma­chers“: Homo-Ehe, Zöli­bat und Frau­en­prie­ster­tum. Vor allem in Sachen Prie­ster­zö­li­bat arbei­tet der Kar­di­nal seit­her in einer „Ama­zo­nas-Werk­statt“.

Papst Franziskus mit Kardinal Hummes am Abend der Wahl
Papst Fran­zis­kus mit Kar­di­nal Hum­mes am Abend der Wahl

Hum­mes zeigt sich im Inter­view bemüht, den Ein­druck zu erwecken, die Bedeu­tung der Dubia sei quan­ti­ta­tiv zu mes­sen. „Wir sind 200“ im Kar­di­nals­kol­le­gi­um, und das „sind nur vier“.

Die Bedeu­tung der Dubia liegt in der Form, nicht in der Zahl der Kar­di­nä­le, die sie unter­zeich­net haben. Der „demo­kra­ti­sche“ Ansatz von Kar­di­nal Hum­mes lie­ße sich sich auch umge­kehrt anwen­den: Bis­her haben sich in die­ser Sache gar nicht so vie­le öffent­lich hin­ter den Papst gestellt.

Reli­gi­on Digi­tal spricht zu Papst Fran­zis­kus von einem „Pro­gramm, für das er gewählt wur­de“. Für wel­ches Pro­gramm wur­de Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio jedoch zum Papst gewählt? Ein „Pro­gramm“, eine Wahl­ka­pi­tu­la­ti­on für das Kon­kla­ve, ist bis­her nicht bekannt.

„Diese vier Personen“ – „Das ganze Kardinalskollegium ist mit dem Papst“

Reli­gi­on Digi­tal: Die­ser Papst hat ent­schie­den, das Pro­gramm durch­zu­füh­ren, für das er gewählt wur­de, doch stößt er dabei auf vie­le Wider­stän­de inner­halb der eige­nen Insti­tu­ti­on. Der jüng­ste: das Schrei­ben der vier Kar­di­nä­le … Bis zu wel­chem Grad kann es den Papst in sei­ner Arbeit beeinflussen?

Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes: Begin­nen wir mit dem Schrei­ben der vier Kar­di­nä­le: Ohne die­se Tat­sa­che rela­ti­vie­ren zu wol­len … es sind nur vier Kar­di­nä­le. In der Kir­che sind wir über 200. Ohne zu sehr rela­ti­vie­ren zu wol­len: vier sind vier von einer enor­men Grup­pe, die ihre gan­ze Unter­stüt­zung dem Papst gibt. Die Kir­che ver­tei­digt, daß ihre Ein­heit eine Ein­heit in der Viel­falt zu sein hat, und nicht Uni­for­mi­tät, was nicht gut wäre. Die Kir­che hat nicht für die Ein­för­mig­keit zu arbei­ten, son­dern für eine Ein­heit, die die legi­ti­me Viel­falt respek­tiert. Die­se Viel­falt wird dele­gi­ti­miert, wenn die Ein­heit durch Spal­tun­gen bedroht ist. Die Spal­tung ist wirk­lich ein Übel, nicht die Viel­falt. Die Kir­che will für alle Sen­si­bi­li­tä­ten offen sein. Der Papst sagt, daß wir alle gemein­sam gehen sol­len und nie­mand aus­schlie­ßen sol­len. Es ist unwich­tig, was sie den­ken, was sie sagen, was sie tun … Wich­tig ist, daß wir gemein­sam gehen wie Brü­der und wie Freun­de. Wir müs­sen die Form fin­den, gemein­sam zu gehen, ohne jeman­den aus­zu­schlie­ßen. Wenn jemand sich selbst aus­schlie­ßen will, ist das eine ande­re Sache.
Aber wozu uns der Papst ruft, ist, daß wir gemein­sam als Brü­der und Freun­de gehen, und daß wir uns und die ande­ren zusam­men unter­stüt­zen und erleuch­ten. Die­se offe­ne Kir­che ist eine sehr dif­fe­ren­zier­te Kir­che. Die Ein­för­mig­keit beginnt Mau­ern zu errich­ten und zu ent­schei­den, wer drin­nen und wer drau­ßen ist. Das ist Uni­for­mi­tät. Der Papst könn­te betrof­fen sein über die Moti­ve, aus denen die­se vier Per­so­nen soweit gehen, ihn kor­ri­gie­ren zu wol­len. Er ist aber ganz ruhig, gelas­sen und geht vor­wärts. Er weiß, wel­cher der rich­ti­ge Weg ist, dem es zu fol­gen gilt. Und das Kar­di­nals­kol­le­gi­um ist mit ihm, ohne grö­ße­re Pro­ble­me. Das gan­ze Kar­di­nals­kol­le­gi­um ist mit ihm.

„Gefahren“: päpstliche Sorgen wegen Benedikt XVI.

„Das gan­ze Kar­di­nals­kol­le­gi­um?“ Das jeden­falls nicht. Die schwei­gen­de Mehr­heit der Kar­di­nä­le eig­net sich nicht wirk­lich, um im Rechen­bei­spiel von Hum­mes ver­ein­nahmt zu wer­den. Wenn es tat­säch­lich kei­ne „grö­ße­ren Pro­ble­me“ mit dem „Senat der Kir­che“ gäbe, wäre Fran­zis­kus nicht vor zehn Tagen der Begeg­nung mit den Kar­di­nä­len im Zuge des Kon­si­sto­ri­ums aus dem Weg gegangen.

Edward Pen­tin berich­te­te, daß Fran­zis­kus alles ande­re als „ruhig“ und „gelas­sen“ auf die Ver­öf­fent­li­chung der Dubia der vier Kar­di­nä­le reagier­te. Er habe viel­mehr „gekocht vor Zorn“.

Franziskus besuchte mit Neokardinälen Benedikt XVI.
Fran­zis­kus besuch­te mit Neo­kar­di­nä­len Bene­dikt XVI.

Die Ner­vo­si­tät des Pap­stes kam auch im Besuch bei Bene­dikt XVI. zum Aus­druck, wie von infor­mier­ter Sei­te bestä­tigt wird. Bene­dikt XVI. hat­te in der Ver­gan­gen­heit erklärt, er ver­las­se das Klo­ster nur, wenn der Papst es wün­sche und ihn dazu ein­la­de. So hat­te er auf Wunsch von Fran­zis­kus, wenn auch nur als Sta­tist, an den bei­den bis­he­ri­gen Kar­di­nals­er­he­bun­gen teil­ge­nom­men. Der Wunsch, für die Öffent­lich­keit Ein­tracht zu demon­strie­ren, besteht seit Beginn des Pon­ti­fi­kats durch die unge­wöhn­li­che Situa­ti­on „zwei­er Päpste“.

Am ver­gan­ge­nen 19. Novem­ber, der drit­ten Kar­di­nals­er­he­bung in die­sem Pon­ti­fi­kat, fehl­te Bene­dikt. Er hat­te sich ent­schul­di­gen las­sen. Die Abwe­sen­heit konn­te den zahl­rei­chen Teil­neh­mern und Beob­ach­tern nicht ver­bor­gen blei­ben. Fran­zis­kus reagier­te mit einer uner­war­te­ten Geste und brach­te alle 17 Neo­kar­di­nä­le zu Bene­dikt ins Klo­ster Mater Eccle­siae.

In Rom wird nicht bestä­tigt, daß Bene­dikt XVI. dem Kon­si­sto­ri­um absicht­lich fern­ge­blie­ben sei, etwa um Distanz zu jüng­sten Ent­schei­dun­gen von Fran­zis­kus zu signa­li­sie­ren. Bestä­tigt wird aber, hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand, daß Fran­zis­kus genau die­se Befürch­tung heg­te, oder daß die Abwe­sen­heit sei­nes Vor­gän­gers in die­sem aus­ge­legt wer­den könn­te. Dem habe er durch den Über­ra­schungs­be­such vor­sichts­hal­ber vorgebeugt.

Das päpst­li­che Umfeld war im ver­gan­ge­nen Som­mer durch den Auf­satz Ren­un­tia­tio Papae von Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler auf­ge­schreckt wor­den.  Am 18. Juli warn­te der deut­sche Kir­chen­hi­sto­ri­ker vor den Gefah­ren eines „eme­ri­tier­ten“ Pap­stes und der Tat­sa­che, daß Tei­le der Kir­che in Bene­dikt XVI. noch immer den legi­ti­men Papst sehen. Damit lie­ge ein poten­ti­el­le Schis­ma­ri­si­ko in der Luft, so Brand­mül­ler. Wört­lich hat­te der Kar­di­nal geschrie­ben: „Es fehlt in die­sem Augen­blick nicht an Per­so­nen und Grup­pen von Anhän­gern des zurück­ge­tre­te­nen Pap­stes, die – unzu­frie­den mit den Gescheh­nis­sen – die Ein­heit der Kir­che bedro­hen und sogar ein Schis­ma pro­vo­zie­ren könnten.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Reli­gi­on Digi­tal (Screen­shot)

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