Reformationsgedenken in Schweden – Wenn dem Papst die Katholiken im Weg sind


Papst Franziskus mit dem Jesuiten Ulf Jonson
Papst Franziskus mit dem Jesuiten Ulf Jonsson. Das Foto wurde von Pater Antonio Spadaro aufgenommen

(Rom/​Stockholm) Papst Fran­zis­kus hält sich heu­te und mor­gen in Schwe­den auf. Anlaß für die Rei­se ist der heu­te nach­mit­tag statt­fin­den­de Auf­takt zu den luthe­ri­schen Gedenk­fei­ern 500 Jah­re Refor­ma­ti­on Mar­tin Luthers. Erst auf Drän­gen der skan­di­na­vi­schen Katho­li­ken häng­te Fran­zis­kus einen wei­te­ren Tag dran, um nicht nur die Luthe­ra­ner, son­dern auch die Katho­li­ken Nord­eu­ro­pas zu besu­chen. Eigent­lich woll­te das der Papst gar nicht, wie er nun selbst bekannt­gab, um sei­ne „Plä­ne“ im „Geist der Ein­heit“ nicht zu stö­ren. Gestört haben die Katho­li­ken, die der Papst zu einem „öku­me­ni­schen Zeug­nis“ zwin­gen wollte. 

Anzei­ge

Kar­di­nal Kurt Koch, der Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Rates zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten, spricht zwar kon­se­quent von Reformations-„Gedenken“, doch besteht kein Zwei­fel, daß von luthe­ri­scher Sei­te der heu­ti­ge Auf­takt gefei­ert wird. Und Papst Fran­zis­kus fei­ert mit.

Die skan­di­na­vi­schen Katho­li­ken konn­ten es nicht glau­ben, daß der Papst nach Schwe­den kommt, sich aber nur mit den Luthe­ra­nern trifft, und das aus­ge­rech­net um den exkom­mu­ni­zier­ten Häre­ti­ker Mar­tin Luther zu fei­ern. Dar­auf­hin warf ihnen Papst Fran­zis­kus hin­ter den Kulis­sen vor, wie nun bekannt wur­de, ein „sek­tie­re­ri­sches“ Ver­hal­ten an den Tag zu legen. Nicht die Luthe­ra­ner sei­en „Sek­tie­rer“, son­dern die skan­di­na­vi­schen Katho­li­ken, ließ sie der argen­ti­ni­sche Papst ver­är­gert wis­sen. Die „Ein­heit“ der Chri­sten­heit sei beim öku­me­ni­schen Luther­ge­den­ken in Lund gegen­wär­tig. „Wah­re Chri­sten“ hät­ten sich also dort ein­zu­fin­den und nicht ein geson­der­tes katho­li­sches Tref­fen und sogar eine katho­li­sche Mes­se zu wollen.

Es brauch­te viel Druck und ein „gründ­li­ches Nach­den­ken“ des Pap­stes, indem er sich „sei­ne Rol­le als Hir­te der katho­li­schen Her­de“ in Erin­ne­rung rufen muß­te, um einem Tref­fen mit den Katho­li­ken und einer Hei­li­gen Mes­se zuzustimmen.

Dies alles ent­hüll­te Papst Fran­zis­kus in einem Inter­view mit der schwe­di­schen Jesui­ten­zeit­schrift Signum. Dabei mach­te er aber deut­lich, daß er die­ses katho­li­sche („sek­tie­re­ri­sche“), weil sepa­ra­te Den­ken nicht tei­le, denn sein Geist sei der „Geist der Ein­heit“, und der mani­fe­stie­re sich heu­te nach­mit­tag in Lund und nicht mor­gen in Malmö.

Beach­tens­wert ist auch, was Papst Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit den Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen sag­te, die 2013 unmit­tel­bar dem Kon­kla­ve vor­aus­gin­gen, bei dem er zum Papst gewählt wurde.

Irrige Begriffe und ein Interview für die schwedische Jesuitenzeitschrift

Der Begriff „Refor­ma­ti­on“ hat sich im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch, in Schul­bü­chern und in der Fach­li­te­ra­tur weit­ge­hend durch­ge­setzt, stellt jedoch eine ein­sei­ti­ge Wie­der­ga­be der Ereig­nis­se dar. Refor­ma­ti­on bedeu­tet „Erneue­rung“. Eine Sicht­wei­se, die von katho­li­scher Sei­te ent­schie­den zurück­ge­wie­sen wur­de. Ent­spre­chend irre­füh­rend ist auch der Begriff „Gegen­re­for­ma­ti­on“, der in Wirk­lich­keit eine katho­li­sche Erneue­rung meint. Eines der zahl­rei­chen Bei­spie­le, wie mit Begrif­fen mani­pu­lie­rend ein­ge­grif­fen und eine bestimm­te Sicht­wei­se durch­ge­setzt wird.

In den ver­gan­ge­nen Wochen wur­de der aus katho­li­scher Sicht abwe­gi­ge Begriff „Refor­ma­ti­on“ im Vati­kan erstaun­lich häu­fig in den Mund genom­men. Ver­ant­wort­lich war dafür nicht zuletzt Papst Fran­zis­kus. Der Papst gewähr­te, im Vor­feld sei­ner Rei­se in den Nor­den, der schwe­di­schen Jesui­ten­zeit­schrift Signum ein Inter­view. Das Inter­view führ­te Pater Ulf Jons­son. Der Text wur­de inzwi­schen von der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca in ita­lie­ni­scher und eng­li­scher Über­set­zung ver­öf­fent­licht. Die ita­lie­ni­schen Ant­wor­ten des Pap­stes ent­spre­chen dem Original.

Pater Jons­son frag­te den Papst unter ande­rem, was die katho­li­sche Kir­che „von der luthe­ri­schen Tra­di­ti­on ler­nen könnte“.

Papst Fran­zis­kus: „Mir kom­men zwei Wor­te in den Sinn: ‚Reform‘ und ‚Schrift‘. Ich ver­su­che das zu erklä­ren. Das erste Wor­te ist ‚Reform‘. Am Anfang war das von Luther eine Reform­ge­ste in einem schwie­ri­gen Moment für die Kir­che. Luther woll­te einer kom­ple­xen Situa­ti­on Abhil­fe schaf­fen. Dann wur­de die­se Geste – auch auf­grund von poli­ti­schen Situa­tio­nen, den­ken wir an das cui­us regio eius reli­gio – ein ‚Sta­tus‘ der Tren­nung und nicht ein ‚Reform­pro­zeß‘ der gan­zen Kir­che, was hin­ge­gen von grund­le­gen­der Bedeu­tung ist, da die Kir­che sem­per refor­man­da ist. Das zwei­te Wort ist ‚Schrift‘, das Wort Got­tes. Luther hat einen gro­ßen Schritt getan, um das Wort Got­tes in die Hand des Vol­kes zu legen. Reform und Schrift sind zwei grund­le­gen­de Din­ge, die wir mit Blick auf die luthe­ri­sche Tra­di­ti­on ver­tie­fen kön­nen. Mir fal­len jetzt die Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen vor dem Kon­kla­ve ein und wie sehr die For­de­rung nach einer Reform in unse­ren Dis­kus­sio­nen leben­dig und prä­sent war.“

„Ich wollte auf einem ökumenischen Zeugnis beharren“

Ulf Jons­son: Die Katho­li­ken Schwe­dens sind eine klei­ne Min­der­heit und zum Groß­teil aus Ein­wan­de­rern aus den ver­schie­den­sten Staa­ten der Welt zusam­men­ge­setzt. Sie wer­den eini­ge von ihnen am 1. Novem­ber bei der Hei­li­gen Mes­se in Mal­mö tref­fen. Wie sehen Sie die Rol­le der Katho­li­ken in einer Kul­tur wie der schwedischen?

Papst Fran­zis­kus: „Ich sehe ein gesun­des Zusam­men­le­ben, wo jeder den eige­nen Glau­ben leben und das eige­ne Zeug­nis zum Aus­druck brin­gen kann, indem er einen offe­nen und öku­me­ni­schen Geist lebt. Man kann nicht katho­lisch und sek­tie­re­risch sein. Man muß danach stre­ben, zusam­men mit den ande­ren zu sein. ‚Katho­lisch‘ und ’sek­tie­re­risch‘ sind zwei Wor­te, die im Wider­spruch ste­hen. Des­halb habe ich anfangs bei die­ser Rei­se kei­ne Mes­se für die Katho­li­ken vor­ge­se­hen: Ich woll­te auf einem öku­me­ni­schen Zeug­nis behar­ren. Dann habe ich gut über mei­ne Rol­le als Hir­te der katho­li­schen Her­de nach­ge­dacht, die auch aus ande­ren benach­bar­ten Län­dern wie Nor­we­gen und Däne­mark kom­men wird. Dann habe ich, auf die instän­di­ge Bit­te der katho­li­schen Gemein­schaft hin, beschlos­sen, eine Mes­se zu zele­brie­ren, indem ich mei­ne Rei­se um einen Tag ver­län­ge­re. In der Tat woll­te ich, daß die Mes­se nicht am sel­ben Tag und nicht am sel­ben Ort des öku­me­ni­schen Tref­fens zele­briert wird, um die Plä­ne nicht durch­ein­an­der­zu­brin­gen. Die öku­me­ni­sche Begeg­nung ist in ihrer tie­fen Bedeu­tung im Geist der Ein­heit, der der mei­ne ist, zu bewah­ren. Das hat eini­ge orga­ni­sa­to­ri­sche Pro­ble­me geschaf­fen, ich weiß, weil ich nun auch am Tag Aller­hei­li­gen in Schwe­den sein wer­de, der hier in Rom wich­tig ist. Um aber Miß­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den, woll­te ich es so haben.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Civil­tà  Cattolica/

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!