Amoris laetitia: „Man will die Sünde abschaffen, weil sie lästig ist“


Eine Eremitin über den "Kern" des Problems von "Amoris laetitia"
Eine Eremitin über den "Kern" des Problems von "Amoris laetitia"

(Rom) Eine Ere­mi­tin schrieb dem Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster einen Brief zum nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia, um auf den „Kern“ der Fra­ge auf­merk­sam zu machen, um die es in der Debat­te um die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten gehe.

Sehr geehrter Magister,

Anzei­ge

ich bin eine Gott­ge­weih­te des ere­mi­ti­schen Lebens und ver­fol­ge sehr auf­merk­sam, und soweit mensch­lich mög­lich ohne Vor­ur­tei­le, die Debat­te über die Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, um zu ver­ste­hen, ob eine even­tu­el­le dies­be­züg­li­che Ent­schei­dung des Pap­stes wirk­lich unter sei­ne Vor­rech­te – die Schlüs­sel­ge­walt – fällt, oder ob man von die­sen Schlüs­seln ver­sucht, ohne Wis­sen des Haus­herrn, geheim ein Dupli­kat anzu­fer­ti­gen, um durch Betrug hin­ein­zu­las­sen, wer kein Hoch­zeits­ge­wand hat (Mt 22,1–14), und damit das Ver­trau­en hintergeht.

Ich möch­te Ihnen eine in der Form sehr ein­fa­che, aber inhalt­lich grund­le­gen­de Über­le­gung unter­brei­ten, um den Kern des Pro­blems zu begreifen.

Wenn die Kir­che jenen erlaubt, die Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen, die zivil­recht­lich gehei­ra­tet haben oder mit einer ande­ren Per­son zusam­men­le­ben, obwohl sie sakra­men­tal bereits an einen Ehe­gat­ten gebun­den sind („ein Fleisch“, sagt der Haus­herr) und nicht den Weg der Ehe­nich­tig­keits­er­klä­rung gehen kön­nen, dann bedeu­tet das, daß die Kir­che es für mög­lich hält, daß man das Sakra­ment der unend­li­chen Hei­lig­keit Got­tes emp­fan­gen und getrost im sel­ben Haus – Leib und See­le des Emp­fän­gers – mit der Sün­de zusam­men­le­ben las­sen kann, denn schließ­lich blie­be der Ehe­bruch in jedem Fall eine Sün­de, außer man woll­te die Leh­re ändern.

Erscheint Ihnen das mög­lich? Ich mei­ne nein, wenn wir auch nur ent­fernt noch wis­sen, was Sün­de bedeu­tet. Gott selbst ruft es uns mit der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis Mari­ens in Erin­ne­rung, die gera­de des­halb vor der Sün­de bewahrt bleibt, um in ihrem Kör­per die hei­li­ge Hostie, den Leib und das Blut Chri­sti emp­fan­gen zu können.

War­um? Weil Gott kei­ne Koha­bi­ta­ti­on mit der Sün­de duldet!

Ich den­ke, daß man im Eifer über recht­li­che und gefühls­mä­ßi­ge, also strikt mensch­li­che Aspek­te der Fra­ge, die über­na­tür­li­che Dimen­si­on unse­res Lebens aus den Augen ver­liert, das Ant­litz des ewi­gen und hei­li­gen Got­tes und die geheim­nis­vol­le Kraft sei­ner Gebo­te, also sei­nes Wil­lens, der nicht not­wen­di­ger­wei­se ver­stan­den, aber befolgt wer­den muß, weil er von Ihm stammt.

Die Eucha­ri­stie emp­fan­gen im Stand der schwe­ren Sün­de bedeu­tet, nicht nur ein Gebot zu über­tre­ten, son­dern – und dar­in liegt die Läster­lich­keit – den Herrn zwin­gen zu wol­len, mit dem Bösen zu koha­bi­tie­ren. Damit begeht man etwas Abscheu­li­ches, um ein Wort zu gebrau­chen, das für unse­re moder­nen Ohren beson­ders nega­tiv klingt. Das ist das feh­len­de Glied in der unend­li­chen Dis­kus­si­on über die­se Fra­ge: die Hei­lig­keit Gottes.

War­um will man Men­schen, die sich in die­ser Situa­ti­on befin­den, die Mög­lich­keit ver­schaf­fen, einer so schreck­li­chen Sün­de zu ver­fal­len? Will die Kir­che ihren Kin­dern wirk­lich ein­re­den, daß die Hei­lig­keit Got­tes und der Spal­ter und Lüg­ner par excel­lence zusam­men­ge­hen können?

Das ist der Kern des Pro­blems: daß die Sün­de zuge­deckt wird, um sie nicht als sol­che erken­nen zu müs­sen, weil das lästig ist und unse­ren Plä­nen im Wege steht. Durch die­ses Zudecken der Sün­de, indem man sie von dem ihr zuge­wie­se­nen Platz ent­fernt, wird sie am Ende para­do­xer­wei­se dem­sel­ben „Ort“ zuge­wie­sen, der Gott zusteht.

Sind wir uns des­sen bewußt, was die­se Ver­schie­bung bedeutet?

„Im schreck­lich sinn­lo­sen und den­noch bis in die Wur­zeln erre­gen­den Ver­such, Gott zu ent­thro­nen, Gott her­ab­stu­fen, Gott zu zer­stö­ren … muß der Mensch unum­schränkt den Abgrund der Sün­de ein­ge­ste­hen, muß er den Stolz sei­nes Schick­sals able­gen und die Wider­spen­stig­keit, das tun zu wol­len, was man will, das eige­ne Leben zu leben, und statt­des­sen die Demut anneh­men, die die Gna­de sucht“ (Roma­no Guar­di­ni, Der Herr [Rück­über­set­zung aus dem Ita­lie­ni­schen ins Deut­sche, Anm. d. Red.]).

Nun wer­den vie­le wider­spre­chen: Das sei die Men­ta­li­tät des Alten Testa­ments, als es noch kei­ne Barm­her­zig­keit gab, die Jesus brach­te. Doch sie irren sich und sogar sehr.  Das „es ist gesagt wor­den“ und „ich aber sage euch“ von Jesus in der Berg­pre­digt – also im Rah­men der Selig­prei­sun­gen – füh­ren uns in das neue Leben ein, in dem das alte Gesetz und der Mora­lis­mus platz­ma­chen für den Glau­ben und die Gna­de. Die­se ver­lan­gen aber viel mehr als das Gesetz des Alten Testa­ments ver­lang­te, weil Jesus nicht so sehr dar­an inter­es­siert ist, uns ein mög­lichst beque­mes Leben in die­ser Welt zu ver­schaf­fen, son­dern an unse­rem ewi­gen Seelenheil.

Die Erlö­sung erfor­dert die abso­lu­te Not­wen­dig­keit, die Sün­de voll­stän­dig aus­zu­til­gen und nicht mehr irgend­wel­che Abma­chun­gen mit ihr ein­zu­ge­hen. Mit der „Fül­le der Zeit“ wird von uns ver­langt, was vom Men­schen des Alten Testa­ments nicht ver­langt wur­de: voll­kom­me­ner Gehor­sam, denn jetzt, mit der Erlö­sung, sind wir befä­higt, sie in die Tat umzu­set­zen. Mit den Wor­ten „Ihr habt gehört, daß gesagt wor­den ist: Du sollst nicht die Ehe bre­chen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in sei­nem Her­zen schon Ehe­bruch mit ihr began­gen“, sagt Jesus, daß der Sinn des Gebots tie­fer geht, in die Absicht hin­ein­geht, denn aus der Absicht ent­steht die Han­deln (Guar­di­ni, Der Herr, [s.o.]).

In der lan­gen Jesus-Rede fin­den wir kei­ne bil­li­ge Barm­her­zig­keit, wie wir sie heu­te ver­ste­hen, kein plum­pes, son­dern ein ganz fei­nes Ver­ständ­nis von der Sün­de, und das Gan­ze in einem Cre­scen­do in Ton und Span­nung, sodaß der Evan­ge­list am Ende fest­stel­len muß, daß „die Men­ge sehr betrof­fen von sei­ner Leh­re“ war (Mt 7,28).

Jesus inter­es­siert nicht eine blo­ße Leh­re mora­li­scher Ver­hal­tens­nor­men, son­dern die voll­kom­men erlö­ste Exi­stenz. Ver­su­chen wir also zu ver­ste­hen, daß es hier nicht dar­um geht, jeman­dem ein Recht zu gewäh­ren (lega­li­sti­sche Men­ta­li­tät), son­dern Hand an die Hei­lig­keit Got­tes zu legen. Wir sind drauf und dran den Unbe­rühr­ba­ren zu berüh­ren und Ihn „zwin­gen“ zu wol­len, mit dem Fürst des Bösen zu kohabitieren.

In den ein­gangs genann­ten Fäl­len die Eucha­ri­stie nicht zu emp­fan­gen, prä­ju­di­ziert nicht das ewi­ge See­len­heil. Es ent­zieht nicht das Hoch­zeits­ge­wand, von dem anfangs die Rede war. Die Eucha­ri­stie aber unwür­dig zu emp­fan­gen, bedeu­tet, alles zu ver­lie­ren (1 Kor 11). Las­sen wir doch unse­re Brü­der nicht einem unend­lich schlim­me­ren Zustand ver­fal­len als dem, in dem sie sich bereits befin­den. Das hie­ße, das Spiel des Fein­des zu spielen.

Wenn die Kir­che die­se Mög­lich­keit den­noch gewäh­ren will, heißt das, daß sie die Betrof­fe­nen bereits für tot hält und Gott zwin­gen will, sich ihre Richt­li­ni­en und Gegen­maß­nah­men zu eigen zu machen.

Wer aber sind wir, um im vor­aus über unse­re Brü­der zu urtei­len und um Gott Zeit und Art zu dik­tie­ren? Unse­re Wege sind nicht Sei­ne Wege (vgl. Jes 55,8).

Ein herz­li­cher Gruß und ein Dank für Ihre Arbeit

Gio­van­na Ric­co­bal­di, Eremitin

Bild: Set­ti­mo Cielo

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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12 Kommentare

  1. Selig sind viel­mehr die, die das Wort Got­tes hören und es befol­gen. Als immer mehr Men­schen zu ihm kamen, sag­te er: Die­se Gene­ra­ti­on ist böse. Sie for­dert ein Zeichen.
    Lk 11,28

    „Oh, wir wer­den ihnen auch die Sün­de erlau­ben; sie sind schwach und kraft­los und wer­den uns wie Kin­der dafür lie­ben, dass wir ihnen gestat­ten zu sün­di­gen. Wir wer­den ihnen sagen, jede Sün­de kön­ne wie­der gut­ge­macht wer­den, sofern sie mit unse­rer Erlaub­nis began­gen sei“.
    F.M. Dosto­jew­skij (aus „Die Brü­der Kara­ma­sow“ 1873)

    Die Sün­de zu tun, obwohl sie objek­tiv ins Ver­der­ben führt, ist seit Beginn eine Fal­le für den Men­schen. Heu­te jedoch gibt der Papst selbst die Sün­de frei. Frü­he­re Päp­ste waren teil­wei­se gro­sse Sün­der, aber das Bestre­ben die Sün­de in die Leh­re auf­zu­neh­men, das ist neu. Herr, wohin steu­ert Dei­ne katho­li­sche Kir­che, Dein Leib, was ver­ur­sacht die­se Gene­ra­ti­on noch alles? Der Aus­ver­kauf der Kir­che und das Abwei­chen von der Wahr­heit bedrücken mich sehr, oft­mals bin ich ein­fach nur noch traurig.

  2. Geehrte/​r pace!
    Mir ging es ähn­lich wie Ihnen. Ich emp­fand Trau­rig­keit und Bedrückung ange­sichts der Ent­wick­lun­gen in der katho­li­schen Kirche.
    Sie las­sen mich auch heu­te noch nicht ganz los.
    Doch beden­ken Sie, Chri­stus ist der Herr über sei­ne Kir­che, nicht der Papst.
    Auf einem ande­ren Blog ‑Tra­di­ti­on und Glau­ben- wur­de das aus­führ­lich dis­ku­tiert. Dies hat mir sehr gehol­fen, bes­ser damit umge­hen zu können. 

    Ein Papst kann viel zer­stö­ren, gar kei­ne Frage!
    Und wenn er „die Sün­de frei­gibt“ und sei­net­we­gen See­len gefähr­det wur­den und wer­den, so wird er sich eines Tages dafür ver­ant­wor­ten müssen.
    Auch wir müs­sen uns ja eines Tages verantworten.
    Jesus Chri­stus schaut in unser Herz und kennt unse­ren Kum­mer über die der­zei­ti­ge Situa­ti­on. Er wird uns beistehen.

    Muss es wirk­lich so weit kom­men, dass auch die Kir­che ganz unten ange­kom­men sein muss, um zu erken­nen, dass Umkehr nötig ist?
    Am Bei­spiel eines Alko­ho­li­kers ist das häu­fig zu beob­ach­ten. Erst wenn er zuge­ben kann, dass er buch­stäb­lich im Staub liegt, wird er bereit sein, sich hel­fen zu las­sen, durch Ent­zug und/​oder die Teil­nah­me an einer Selbsthilfegruppe.
    Erst wenn sich die Zustän­de auch in der Kir­che immer mehr zuspit­zen und ver­schlim­mern soll­ten, wird hof­fent­lich immer mehr Gläu­bi­gen klar: Wir haben uns zual­lerst an Jesus Chri­stus zu hal­ten und nicht am jewei­li­gen Papst.
    Ich wün­sche Ihnen, dass Jesus Chri­stus Sie stärkt und wie­der auf­rich­ten möge. 

    Pace e bene

    • Lie­be Marienzweig,
      die säku­la­re Auf­klä­rung setz­te sich die radi­ka­le Selbst­ver­wirk­li­chung des Ein­zel­nen zum Ziel, wobei Selbst­ver­wirk­li­chung nichts ande­res meint als eine Eman­zi­pa­ti­on von allen natur­haf­ten Bedingt­hei­ten und reli­giö­sen Bezü­gen. An die Stel­le des Seins ist so der Schein einer Frei­heit getre­ten, in der alles mög­lich scheint, wenn es der Ein­zel­ne nur will. Statt den Men­schen in neue ‚Him­mel‘ zu erhe­ben, hat die­se Eman­zi­pa­ti­on den Men­schen vom Sitt­li­chen befreit und ihn so wie­der auf den Sta­tus eines rein trie­b­ori­en­tier­ten Tie­res her­ab­ge­drückt – sie­he Freuds Psy­cho­ana­ly­se. In der Kir­che hat die­ses Den­ken tie­fe Spu­ren hin­ter­las­sen, wobei die unse­li­gen Dis­kus­sio­nen in der Nach­fol­ge des Kon­zils fast das gesam­te Fun­da­ment der Kir­che hat ero­die­ren las­sen. Läge das Pro­blem nur im jet­zi­gen Pon­ti­fi­kat, es wäre nicht wei­ter beun­ru­hi­gend. Was sich jedoch zeigt, ist die immer wei­ter fort­schrei­ten­de Ten­denz, in einem Pro­zess inter­es­sen­ge­lei­te­ter Her­me­neu­tik, Katho­li­zi­tät so weit umzu­for­men, dass sie mit dem, was uns Offen­ba­rung eröff­net hat, nichts mehr zu tun hat. Schlim­mer noch als die offen ver­tre­te­ne Unwahr­heit, ist die sub­ti­le Ver­fäl­schung der Wahr­heit. Der Athe­ist mag der Kir­che mit Igno­ranz begeg­nen, ihre Rele­vanz für das Leben in Abre­de stel­len, dem Glau­ben selbst fügt er damit kei­nen Scha­den zu, denn der wächst bekannt­lich, wenn er ange­grif­fen wird. Töd­lich für den Glau­ben ist es jedoch, wenn in sei­nem Namen das Gegen­teil sei­ner Wahr­heit ver­kün­det wird. Wie soll man sich als gläu­bi­ger Mensch gegen eine sol­che Ver­fäl­schung schüt­zen? Papst Bene­dikt spricht ja in aller Deut­lich­keit von der Sün­de gegen Gott als Zei­chen die­ser unse­rer Zeit. Es ist die Revol­te gegen Gott, die natür­lich immer auch eine Revol­te gegen das Sün­den­be­wusst­sein ist. Wo es kei­ne Sün­de mehr gibt, wo also Barm­her­zig­keit zum blo­ßen Schein gewor­den ist, weil sie kei­nen Ernst mehr kennt, da hat sich der Mensch selbst erlöst. Die­se Erlö­sung führt aber nicht in den Him­mel son­dern gera­de­wegs in die Hölle.

      • Lie­ber Suarez!
        Ich dach­te tat­säch­lich bis vor eini­ger Zeit, dass alle Schwie­rig­kei­ten nur durch Papst Fran­zis­kus aus­ge­löst wor­den seien.
        Ich bin theo­lo­gisch nicht beson­ders gebil­det, habe „nur“ mei­nen tie­fen Glau­ben, doch erken­ne selbst ich, dass es mit einer kla­ren Schuld­zu­wei­sung in Rich­tung Papst so ein­fach wohl doch nicht ist. Die Schwie­rig­kei­ten sind durch ihn nur deut­li­cher zuta­ge getre­ten, weil er durch Wor­te und Gesten zusätz­lich für Irri­ta­tio­nen sorgt. 

        Ich, ich, ich! Ich und mei­ne Inter­es­sen und Bedürf­nis­se – das scheint das ein­zi­ge, was heu­te zählt, da hat Gott eben zurückzutreten.
        Da wird sich nicht mehr bemüht, Sei­ne Gebo­te zu befol­gen, so gut es mög­lich ist, son­dern es hat statt­des­sen den Anschein, als hät­te Er umge­kehrt den Men­schen zu gehor­chen und alles abzu­seg­nen, was sie in ihrer „Ich, ich, ich“-Bezogenheit zu tun gedenken.
        Ist das jetzt die neue Barmherzigkeit?
        Kon­sum und Fit­ness, Wohl­erge­hen – da könn­te ein Gefühl für die eige­nen klei­nen und gro­ßen Sün­den doch nur stö­ren und die gute Lau­ne verderben.
        Aber ich bin mir ziem­lich sicher: Die Men­schen spü­ren in ihrem inner­sten Her­zen, dass etwas nicht stimmt, dass Ihrem Leben das ganz Gro­ße, das was weit über sie hin­aus­reicht, fehlt.

        Was aber kön­nen wir, die wir tief und innig glau­ben, per­sön­lich tun?
        Wie sol­len wir mit der Situa­ti­on, wie sie sich uns dar­stellt, umgehen?
        In der Amts­kir­che fin­de ich von der Lit­ur­gie und der Pre­digt her oft­mals nicht mehr das, was mei­ne See­le braucht.
        Der Besuch der hl. Mes­se bei der Pius-Bru­der­schaft dage­gen erfüllt mich einer­seits sehr viel mehr, wird aber den­noch durch zwie­späl­ti­ge Gefüh­le, ange­sichts ihrer Posi­ti­on inner­halb der Kir­che, beeinträchtigt.
        Es ist alles so schwierig!
        Darf ich fra­gen, wie gehen Sie damit um, lie­ber Suarez?

      • Lie­be Marienzweig,
        lei­der kann ich Ihnen da auch kei­nen Königs­weg nen­nen, bin ich doch eben­falls häu­fig nur rat­los, wenn ich mir den Zustand der Kir­che anse­he. In der Kir­che fin­den sich eben all die Tugen­den und Untu­gen­den der Menschheit.

        Die gro­ße Her­aus­for­de­rung für den christ­li­chen Glau­ben sehe ich im Mar­xis­mus, der ja vor­der­grün­dig etwas höchst bestechen­des hat, tritt er doch für eine radi­ka­le Gerech­tig­keit schon hie­nie­den auf der Erde ein. Gegen die­se Uto­pie, ein­mal zum Ziel allen Den­kens und Han­delns erho­ben, lässt sich nur sehr schwer die Rea­li­tät in die Waag­scha­le werfen. 

        Der Mar­xist sieht sich immer auf der Sei­te des Guten, ganz gleich wel­che Mit­tel er zur Errei­chung des visio­nä­ren Ziels auch real anwen­det. Da der mar­xi­sti­sche Weg der rich­ti­ge sei, kann der Mar­xist gar nicht in den Irr­tum fal­len, er ist und bleibt das Gute in der Welt. Der gute Zweck hei­ligt bekannt­lich die Mit­tel. Und je wei­ter das Ziel sich von der Rea­li­tät ent­fernt, desto mehr hält der Mar­xist an der Visi­on fest, die legi­ti­miert, was sonst gar nicht zu legi­ti­mie­ren wäre. Die Sün­de, die ja immer auf einer kon­kre­ten Tat des Men­schen beruht, hat für den über­zeug­ten Mar­xi­sten kei­nen Bezug zu sei­nem Selbst. Wenn, dann ist man aus Sicht des Mar­xi­sten ledig­lich noch im fal­schen Bewusst­sein gefan­gen, aus dem man, zur Not auch mit Gewalt, befreit wer­den muss. Eine ein­zi­ge Tod­sün­de gibt es natür­lich für den Mar­xi­sten, dass ist die, ein über­zeug­ter Nicht­mar­xist zu sein.

        Papst Bene­dikt ist ja nicht müde gewor­den, immer wie­der vor der Gefahr des Ein­drin­gens mar­xi­sti­schen Gedan­ken­gu­tes in den christ­li­chen Glau­ben zu war­nen. In Deutsch­land sind sei­ne War­nun­gen, wie zu erwar­ten, nicht auf frucht­ba­ren Boden gefal­len, im Gegen­teil, man hat den Papst ange­fein­det, wie kei­nen Papst vor ihm. Da der Mar­xis­mus eigent­lich ein Kind der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on ist, die ja den heu­ti­gen Irr­sinn ein­deu­tig vor­weg­ge­nom­men hat, hat sich die­ses Den­ken mitt­ler­wei­le auch in der Kir­che tief ver­wur­zelt. Als Argu­men­ta­ti­ons­ba­sis gilt dann die Berg­pre­digt, die man, sofern der Wil­le zur Ver­zer­rung durch das anvi­sier­te Ziel, die Uto­pie, gege­ben ist, hin­bie­gen kann, wie man es gera­de braucht. Dabei füh­len sich alle „moder­nen Chri­sten“ sehr wohl, denn wer woll­te nicht ein durch und durch guter Mensch sein, zumin­dest theoretisch.

        Papst Fran­zis­kus ist von der Befrei­ungs­theo­lo­gie tief durch­drun­gen. Das macht die Situa­ti­on für die Kir­che nicht ein­fa­cher, son­dern ver­kom­pli­ziert sie, weil Fran­zis­kus dabei auch noch per­ma­nent Brü­che pro­du­ziert, so dass man nie weiß, wor­an man eigent­lich bei ihm ist.

        Ich ver­su­che, was mir nicht immer gelingt, einen ruhi­gen Blick für das Wesent­li­che zu behal­ten. Es ist im Moment Mode mar­xi­stisch zu den­ken, auch in der Kir­che, aber Moden kom­men eben auch wie­der außer Mode und so hof­fe ich, dass auch in der Kir­che wie­der Kräf­te wach­sen, die sich die­sem fal­schen Uto­pis­mus ent­ge­gen­stel­len und wie­der die rea­le Hoff­nung bele­ben, die sich nicht aufs Dies­seits son­dern aufs Jen­seits rich­tet. Dar­um muss man nicht ein gries­grä­mi­ger Mensch wer­den, im Gegen­teil, die Schöp­fung wird doch erst dann in ihrer gan­zen Schön­heit erkannt und geschätzt, wenn wir auch ihre Zer­brech­lich­keit sehen. Auch die Schön­heit des Glau­bens ist zer­brech­lich. Der Glau­be ver­dun­kelt sich immer dann, ja kann sogar zer­bre­chen, wenn er ins Funk­tio­na­le umge­deu­tet wird. Dann wird er plötz­lich häss­lich, weil nur noch eine Kari­ka­tur des­sen, was sei­ne Schön­heit aus­macht, näm­lich Wahr­heit. Das gan­ze Gere­de um Tole­ranz und Viel­falt der ver­schie­de­nen Glau­bens­hal­tun­gen inner­halb der Kir­che über­sieht doch, dass nur die Wahr­heit im schö­nen Glan­ze strahlt. Wo die Wahr­heit um der irdi­schen Uto­pie ver­fälscht wird, gerät die gan­ze Schöp­fung ins Zwielicht.

        Besu­chen Sie ruhig wei­ter die hl. Mes­se bei der Pius-Bru­der­schaft, wenn es Ihrer See­le gut tut. Es gibt so viel Irr­sinn in der heu­ti­gen Kir­che, soviel Ver­lo­gen­heit und lit­ur­gi­schen Unsinn, dass die Pius Brü­der nun wirk­lich kei­ne Gefahr für Ihr See­len­heil dar­stel­len können. 

        Ihnen alles Lie­be und Got­tes Segen!

  3. An @pace, @Anjali und @Marienzweig:

    Ihre Sie ehren­de Gemüts­stim­mung wird von zwei der wich­tig­sten Psal­men ver­wor­tet; es ist zugleich das Ant­wort der Hl. Schrift und die Leit­schnur für das christ­li­che Leben.
    Ps. 42: „Wie ein Hirsch nach Was­ser­quel­len lechzt,…“: der Ein­gangs­vers lei­tet die Tau­fe in der Oster­nacht ein; und Vers 10 greift Ps. 22,2 auf- der hei­lig­ste Psalm der Chri­sten­heit, wur­de er doch von Unse­rem Herrn am Kreuz gebe­tet (Mt 27,46)
    Und Ps. 43, mit Ps.42 zusam­men­hän­gend, „Judi­ca me Deus“ („Schaf­fe mir Recht“), frü­her stets als Vor­be­rei­tung auf die Hl. Mes­se gebe­tet; am Ende dann das so ganz christ­li­che Den­noch, „der Trotz der lie­ben­den Hoff­nung: Ich wer­de Ihm den­noch dan­ken!“ (R. Spae­mann, Medi­ta­tio­nen eines Christen/​ Über die Psal­men 1–51 (Bd.1), S.336–347).

  4. Ein sehr schö­ner Brief und Kommentar.
    Vor mir liegt das klei­ne Büch­lein „Der Herr“ von Roma­no Guar­di­ni, Folio­for­mat, im blau­en Lei­nen und mit dem ori­gi­na­len weiß-grü­nen Umschlag.
    Ver­legt beim Werk­bund-Ver­lag Würz­burg, 8. unver­än­der­ter Druck, 1953.
    Es wur­de mir geschenkt von mei­ner alten Tan­te, als sie ins Alten­heim zie­hen müß­te; sie selbst hat­te es im Alter von 19 Jah­ren auf Emp­feh­lung eines Cou­sins und Jesui­ten­no­vi­zen gekauft (das war damals in Bel­gi­en nach dem 2. Welt­krieg schwie­rig und sehr tapfer).

    Die Rück­über­set­zung vom Ita­lie­ni­schen ins Deut­sche ist übri­gens beson­ders gelungen.
    Die 2. Hälf­te des refe­rier­ten Tex­tes befin­det sich auf die Sei­ten 90–94 (2.Teil: Bot­schaft und Ver­hei­ßung /​1. Kap.: Die Fül­le der Gerechtigkeit)

    • Lie­ber Adri­en Antoine,vielleicht koen­nen Sie ein­u­ge Aus­zue­ge aus die­sem Buch hier schreiben?

  5. Im gül­ti­gen Kate­chis­mus wird in Hin­sicht auf das Ehe­sa­kra­ment, auf Pro­ble­me in der Ehe aus­führ­lich genug Bezug genom­men. Es gibt Kri­te­ri­en einer gül­tig geschlos­se­nen Ehe und das ist ein­ser­seits auch gut so, aber ande­rer­seits wie­der­um nicht, weil mit die­sen Kri­te­ri­en auch Ehe­an­nu­lie­run­gen begrün­det werden.
    Muß man sich da wirk­lich wun­dern, wenn die „Grenz­fäl­le“ aus­ge­wei­tet werden?
    Wenn eine Ehe vor dem Prie­ster in aller Form und allen For­ma­li­en gül­tig geschlos­sen wur­de, dann kann es doch spä­ter eigent­lich kei­ne Fra­gen mehr geben über die Gül­tig­keit: waren sich bei­de die­ses Schrit­tes bewußt, wie war‚s mit dem Kin­der­wunsch usw.? – Da bewegt man sich doch bereits auf dem Glatt­eis. Liegt da nicht schon die Sün­de bzw.liegt da nicht schon der Hund begra­ben? Und dann ist AL die fast logi­sche Fol­ge daraus.
    „Euer Ja sei ein Ja und euer Nein ein Nein!“, sagt der Herr. Gül­tig geschlos­se­ne Ehe ist gül­tig geschlos­se­ne Ehe- aus­nahms­los: Annu­lie­rung unmög­lich. Wenn es aber Annu­lie­run­gen geben kann- und es gibt sie ja‑, dann gehen die Fra­gen wei­ter, und die Kir­che ver­hed­dert sich im eige­nen Irrgarten.

    • Wenn ich noch Fol­gen­des hin­zu­fü­gen darf: der Herr Jesus hat der Schei­dungs- und Annu­lie­rungs­pra­xis von vor Gott geschlos­se­nen Ehen nicht gut­ge­hei­ßen. Und das auch ange­sichts der dama­li­gen Prak­ti­ken, als bspw. jun­ge Mäd­chen nach der Geschlechts­rei­fe sich bereits ver­lob­ten und anschlie­ßend hei­ra­te­ten- und häu­fig waren die­se Ehen von den Eltern arrangiert.
      Ent­spricht nicht die Annu­lie­rung einer kirch­lich geschlos­se­nen Ehe der Schei­dung einer vor dem Stan­des­amt geschlos­se­nen Ehe?
      Man kann, mei­ne ich, aus den Wor­ten Jesu, kei­ne Mög­lich­keit zur Annu­lie­rung einer gül­tig geschlos­se­nen Ehe ableiten.

  6. Lie­ber Adri­en Antoine,
    ich möch­te mich der Bit­te von @anjali jain ger­ne anschließen.
    Übri­gens habe ich mich über Ihre Wort­mel­dung hier sehr gefreut.

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