Die Tageszeitung Il Foglio, bekannt für ihre Unterstützung von Papst Benedikt XVI. in der Verteidigung der nicht verhandelbaren Werte, befaßte sich in ihrer gestrigen Ausgabe mit dem „Fall Socci“. Gemeint ist der italienische Journalist und Direktor der Schule für Fernsehjournalismus an der Universität Perugia, Antonio Socci, der soweit gegangen war, anderthalb Jahre lang die Gültigkeit der Wahl von Franziskus zum Papst anzuzweifeln und seine Zweifel in einem Buch niederzuschreiben. Von dieser Position ist er inzwischen abgerückt, und erhielt darauf ein handgeschriebenes Billett von Papst Franziskus, der sich für die Kritik bedankte.
Nicht abgerückt ist Socci von seiner scharfen Kritik an Gesten, Aussagen und Entscheidungen dieses Pontifikats. „Ich gehorche meinem Gewissen“, lautet Soccis Antwort, auf jene in der Kirche, die ihn dafür wie einen Paria behandeln. Die Zahl seiner „Fans“ auf Facebook nehmen jedenfalls ununterbrochen zu und erreichten gestern den Stand 52.370 „gefällt mir“. Soccis Bücher, zwei davon dem argentinischen Papst gewidmet, verkaufen sich besser denn je. „Antonio Socci ist seit Jahren zu einem Fall geworden“, so Il Foglio. „Jeder seiner Kommentare über den regierenden Papst Franziskus, kassiert den Applaus einer großen Fan-Gemeinde.“ Die Kommentare richtigen sich durch die Bank gegen Franziskus, dessen Pontifikat Socci aufmerksam beobachtet und gnadenlos kritisiert. Dem früheren Primas von Argentinien wirft er vor, die Kirche „mit äußerlichen Revolutionen vernichten“ zu wollen.
Vom „Neuaufbruch des Christentums“ …
Dabei hatte alles ganz anders begonnen. Während traditionsverbundene Kreise dem neuen Papst von Anfang an zurückhaltend bis skeptisch gegenüber, war Antonio Socci am Wahlabend regelrecht begeistert, als der Erzbischof von Buenos Aires als neues Kirchenoberhaupt die Loggia der Peterskirche betrat. Damals schrieb er: „Papst Franziskus ist Lehrmeister und Vater für die ganze Kirche. Er ist der Beginn einer großen Reinigung, eines Neubeginns, der die Frohe Botschaft zu allen bringen wird – wie vor 2000 Jahren.“
Dann geschah etwas Unerwartetes: Franziskus, der für Socci der Ausgangspunkt „eines Neuaufbruchs der Christenheit“ war, verwandelte sich innerhalb kurzer Zeit in einen Mann, „der mit dem immerwährenden Lehramt bricht“.
„Ich schaue auf die Fakten. Ich bin Katholik, aber auch Journalist“, so Socci gegenüber Il Foglio.
.… zum Willen, gegen die katholische Lehre vorzugehen“
„In den ersten Monaten nahm ich das Pontifikat gut auf. Ich denke zum Beispiel an Lumen fidei, seine erste Enzyklika. Dann folgten die Interviews mit Eugenio Scalfari, in denen gesagt wird: ‚Gott ist nicht katholisch‘, und die kommissarische Verwaltung der Franziskaner der Immakulata (Portät kurz vor der Ernennung des Apostolischen Kommissars). Und diese Tendenz setzte sich ohne Änderung fort, weil ein klarer Willen vorhanden ist, gegen die katholische Lehre vorzugehen.“
Ob seine Einschätzung nicht übertrieben sei, wird Socci gefragt. „
Ich wäre froh, wenn ich aufwachen würde und Selbstkritik üben könnte. Ich bete als Katholik für ihn, aber mein Beruf verlangt von mir, mich auf das Offensichtliche zu stützen. Es genügt, sich die Interviews nachzulesen, die er gibt. Die Situation ist extrem schmerzhaft und dramatisch. Zu sagen, daß Gott nicht katholisch ist, heißt, eine Superreligion ohne Dogmen, und Sakramente zu wollen. Schade nur, daß ein so verstandener Monotheismus im Widerspruch zum trinitarischen Bekenntnis steht. Und das allerdings ist ein großes Problem. Daß Gott kein Sohn habe, behauptet der Islam“, so Socci.
Der Journalist schreibt viel über das Verhältnis des Papstes zum Islam. Franziskus „sieht nicht die Situation der Christen in den Ländern mit islamischem Regime, die in einer Art von Apartheid leben. Niemand verlangt von ihm, daß er zum Kreuzzügler wird. Die Päpste haben aber die Verfolgten zu verteidigen.“
Der Papst habe nicht mit dem Finger auf Muslime zu zeigen. Er, Socci, verlange auch nicht, daß Franziskus an das Fenster des Apostolischen Palastes trete, um den Islam zu verurteilen.
„Man muß aber die Wahrheit verkünden“, so der Journalist.
„Wahrheit nicht hinter verschlossenen Türen verkünden“
Für Socci ist die historische Regensburger Rede von Benedikt XVI. von 2006 ein Meilenstein. Der erste Teil richte sich an den Westen, „das stimmt, aber Ratzinger hat auch den Teil über den Islam sagen wollen, das kann man nicht leugnen.“ Der Islam, so Socci, sei eine „als Religion getarnte Ideologie. Das haben sogar kluge Leute jener Welt erkannt.“
Müßte ein Katholik aber nicht dem Papst, dem Petrus folgen?
„Ich gehorche meinem Gewissen. Auch der selige Newman dachte so. Er schrieb: ‚Wenn ich gezwungen wäre, nach dem Essen einen Trinkspruch auf die Religion ausbringen, würde ich zuerst auf das Gewissen und dann auf den Papst anstoßen.‘ In den 90er Jahren wiederholte Kardinal Ratzinger in Siena bei einer Begegnung diesen Ausspruch. Newman sprach vom Gewissen als dem Echo der Stimme Gottes und bezeichnete es als ‚ursprünglichen Stellvertreter Christi‘.“
Teil der Wahrheit, so Il Foglio, seien aber auch die Worte, die Franziskus im vergangenen Monat in Krakau gegen die Gender-Ideologie fand. Das waren klare Töne, wie es bereits 2015 in Neapel geschehen war, aber von den Medien verschwiegen wurde.
„Natürlich“, antwortet Socci, „er hat sie aber hinter verschlossenen Türen gesagt vor einem Episkopat, dem polnischen, der gegen jede Öffnung an dieser Front ist, wie die Doppel-Synode zeigte. Die Wahrheit sollte aber allen verkündet werden und nicht hinter verschlossenen Türen.“
CL: „Annäherung an Positionen, die man gestern noch zu recht abgelehnt hat“
In den vergangenen Tagen kritisierte Socci in seinen Artikeln Comunione e Liberazione (CL), eine Gemeinschaft, der er bis 2004 selbst angehört hatte, ehe er ihr den Rücken kehrte wegen der, seiner Meinung nach, „zu platten“ politischen Positionen. „Die beste Zeit hatte CL in den 80er Jahren erreicht, als ihr Einfluß in der Politik am geringsten war“, so Socci. Was 27 Jahre lang sein zweites zu Hause war, „ist völlig verschwunden. In der Jugend findet sich fast keine Spur mehr davon“.
Die Führungsebene von CL aber feierte diese „genetische Veränderung“ triumphal. In Wirklichkeit habe sich CL damit „an die Positionen der Katholischen Aktion der 60er und 70er Jahre angenähert, die von ihrem Gründer, Don Luigi Giussani, so vehement bekämpft worden waren. Der Erfolg von CL war seine Originalität. Davon ist heute nichts mehr zu sehen“, so Socci.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Foglio (Screenshot)