Kardinal Schönborn und die ausdrückliche Einladung zum Sakrileg


(Rom) Amo­ris lae­ti­tia erhitzt wei­ter­hin die Gemü­ter. Der Grund der jüng­sten Unru­he ist die Behaup­tung von Kar­di­nal Chri­stoph Schön­born, das nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia habe sehr wohl ver­bind­li­chen Cha­rak­ter. Damit wider­spricht Wiens Erz­bi­schof jener Kri­tik an Amo­ris lae­ti­tia, deren Kern­aus­sa­ge in der Fest­stel­lung besteht, daß das päpst­li­che Schrei­ben nicht Teil des kirch­li­chen Lehr­am­tes sei, weil Papst Fran­zis­kus selbst auf einen sol­chen Anspruch ver­zich­tet habe.
Kar­di­nal Schön­born wur­de von Papst Fran­zis­kus zwei­mal als „authen­ti­scher Inter­pret“ des nach­syn­oda­len Schrei­bens benannt. Gestärkt durch die­se päpst­li­che Auf­wer­tung mel­de­te sich Wiens Erz­bi­schof nun zu Wort, und schreibt Amo­ris lae­ti­tia lehr­amt­li­chen, und damit ver­bind­li­chen Cha­rak­ter zu. Es ver­steht sich von selbst, daß Kar­di­nal Schön­born unaus­ge­spro­chen sei­ne vom Papst abge­seg­ne­te Inter­pre­ta­ti­on als ver­bind­lich betrach­tet. Gegen die „Neo­theo­lo­gie“ der Schön­born-Inter­pre­ta­ti­on mel­de­te sich nun Polo Deot­to, der Chef­re­dak­teur von Ris­cos­sa Cri­stia­na zu Wort. Es sei zu gut­gläu­big gewe­sen, zu mei­nen, es genü­ge, Amo­ris lae­ti­tia für nicht ver­bind­lich zu erklä­ren, und man sei mit einem Schrecken davon­ge­kom­men und kön­ne irgend­wie doch wie­der zur Tages­ord­nung über­ge­hen. Die neue Wort­mel­dung von Kar­di­nal Schön­born zei­ge, daß eine „Neo­theo­lo­gie“ am Werk sei, die es ernst mei­ne. Das sei auch ernst zu neh­men, sehr ernst.

Kardinal Schönborn und die ausdrückliche Einladung zum Sakrileg

Anzei­ge

von Pao­lo Deotto

Der Erz­bi­schof von Wien, Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born, von Pater Anto­nio Spa­da­ro für die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca inter­viewt, raubt den from­men See­len jede Illu­si­on: Amo­ris lae­ti­tiae ist Teil des Lehr­am­tes, und wie! In „gewis­sen Situa­tio­nen“ kann auch die Sakra­men­te emp­fan­gen, wer sich objek­tiv im Stand der Sün­de befin­det, so Schön­born. Das aber nennt man, ob das eini­gen paßt oder nicht, eine Ein­la­dung zum Sakrileg.

Das „listi­ge“ Argu­ment, mit dem „from­me See­len“ (nen­nen wir sie aus Rück­sicht so) bis­her die unglaub­li­chen Aus­sa­gen gerecht­fer­tigt haben, die im nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia ent­hal­ten sind, lau­te­te so: Amo­ris lae­ti­tia ist nicht Teil des Lehr­am­tes, son­dern die „Mei­nung“ des Pap­stes über die Fami­lie. Die­se gro­tes­ke Behaup­tung ist natür­lich in jeder Hin­sicht wider­sprüch­lich, weil es wenig glaub­wür­dig und mit Blick auf die Kir­chen­ge­schich­te unhalt­bar ist, daß ein Papst zu Fra­gen von Glau­ben und Dok­trin öffent­lich bloß per­sön­li­che „Meinungen“zum Besten geben könn­te. Wir hät­ten den gera­de­zu ein­zig­ar­ti­gen Fall eines Pap­stes, der in eini­gen Fäl­len ein Dr. Jekyll und in ande­ren Fäl­len ein Mister Hyde sein könn­te. Wenn er als Mister Hyde im frei­en Aus­gang ist, kann er in aller Ruhe häre­ti­sche Aus­sa­gen von sich geben?

Die erwähn­ten „from­men See­len“ sind im übri­gen zu bemit­lei­den. Eini­ge han­deln aus falsch­ver­stan­de­nem Pflicht­ge­fühl („Der Chef hat immer recht“), ande­re aus Ser­vi­li­tät, wie­der ande­re aus Man­gel an eige­nem Den­ken, alle müs­sen jeden­falls Kopf­stän­de machen, um die Qua­dra­tur des Krei­ses zu schaffen.

Der Cor­rie­re del­la Sera ver­öf­fent­lich­te einen Aus­zug aus dem Inter­view, das Pater Spa­da­ro mit Kar­di­nal Schön­born führ­te. Es ist dar­an zu erin­nern, daß der Papst den Wie­ner Erz­bi­schof de fac­to zum authen­ti­schen Inter­pre­ten von Amo­ris lae­ti­tia ernannt hat. Schön­born raubt im Inter­view sofort jede Illu­si­on. Die kopf­ste­hen­den „from­men See­len“ stür­zen mit ihren akro­ba­ti­schen Übun­gen mit lau­tem Getö­se zu Boden.

“Es ist offen­sicht­lich, daß es sich um einen Akt des Lehr­am­tes han­delt! Es ist eine Apo­sto­li­sche Exhorta­ti­on. Es ist klar, daß der Papst hier sei­ne Rol­le als Hir­te, Lehr­mei­ster und Dok­tor des Glau­bens aus­übt, nach­dem er die Bera­tung der bei­den Syn­oden genos­sen hat. Ich den­ke, daß man ohne jeden Zwei­fel von einem päpst­li­chen Doku­ment von gro­ßer Qua­li­tät spre­chen muß, von einer authen­ti­schen Lek­ti­on in sacra doc­tri­na, die uns zur Aktua­li­tät des Got­tes­wor­tes zurück­führt. Amo­ris lae­ti­tia ist ein Akt des Lehr­am­tes, das die Leh­re der Kir­che in der Gegen­wart aktu­ell macht.“

Schönborn-Aussage zeigt, wie sehr der Relativismus die „Neotheologie“ beherrscht

Ich erhe­be nicht den Anspruch, an die­ser Stel­le das Inter­view einer gründ­li­chen Ana­ly­se zu unter­zie­hen. Mir scheint es aber sinn­voll, eini­ge Wor­te näher zu betrach­ten, weil die mit scham­lo­ser Klar­heit zei­gen, wie sehr der Rela­ti­vis­mus eine bestimm­te „Theo­lo­gie“ beherrscht.

Lesen wir also zunächst auf­merk­sam fol­gen­de Stel­le des Interviews:

Pater Anto­nio Spa­da­ro: Der Papst behaup­tet, daß es „in bestimm­ten Fäl­len“, wenn man sich im objek­ti­ven Zustand der Sün­de befin­det – aber ohne sub­jek­tiv schul­dig zu sein oder ohne es voll­stän­dig zu sein – , mög­lich ist, in der Gna­de Got­tes zu leben. Ist das ein Bruch mit dem, was in der Ver­gan­gen­heit gesagt wurde?

Kar­di­nal Chri­stoph Schön­born: Der Papst lädt uns ein nicht nur auf die äuße­ren Bedin­gun­gen zu schau­en, die ihre Wich­tig­keit haben, son­dern uns zu fra­gen, ob wir Durst nach der barm­her­zi­gen Ver­ge­bung haben mit dem Zweck, bes­ser auf die hei­lig­ma­chen­de Dyna­mik der Gna­de ant­wor­ten zu kön­nen. Den Über­gang von der all­ge­mei­nen Regel zu den „bestimm­ten Fäl­len“ kann man nicht nur durch Berück­sich­ti­gung for­ma­ler Situa­tio­nen machen. Es ist daher mög­lich, daß in bestimm­ten Fäl­len jener, der sich in einer objek­ti­ven Situa­ti­on der Sün­de befin­det, die Hil­fe der Sakra­men­te emp­fan­gen kann.

Neue Kategorien: objektiv schuldig, aber „subjektiv nicht schuldig“ oder „nicht ganz schuldig“

Damit wer­den offi­zi­ell neue Kate­go­rien ein­ge­führt: die „objek­ti­ve Situa­ti­on der Sün­de“, in der man aber „sub­jek­tiv nicht schul­dig“ oder zumin­dest „nicht voll­stän­dig“ schul­dig sein kann. Auf das sicher nicht zufäl­li­ge Cha­os der Fra­ge folgt ein eben­so sicher nicht zufäl­li­ges Cha­os der Antwort.

Schönborn Amoris laetitia verbindlich
Schön­born: „Amo­ris lae­ti­tia ist verbindlich“

Wir erfah­ren vom Wie­ner Erz­bi­schof die ver­blüf­fen­de Erkennt­nis, daß man in der Sün­de sein kann, es aber doch nicht ist, oder daß man in der Sün­de sein kann, es aber doch nicht ganz ist. Der Grund liegt in einer kurio­sen Unter­schei­dung zwi­schen einer „objek­ti­ven“ und einer „sub­jek­ti­ven“ Situa­ti­on der Sünde.

Und was muß jemand machen, der schul­dig ist, „ohne es voll­stän­dig zu sein“? Muß er nur pro­zen­tu­ell bereuen?

Jeden­falls, so Schön­born in „authen­ti­scher“ Aus­le­gung des Pap­stes, kann in „bestimm­ten Fäl­len“ (in wel­chen weiß man nicht!), wer sich in einem objek­ti­ven Zustand der Sün­de befin­det (ohne nähe­re Anga­ben, ob er nun sub­jek­tiv schul­dig oder nur teil­wei­se schul­dig ist), die „Hil­fe der Sakra­men­te“ empfangen.

Ist aber nicht die Abso­lu­ti­on in der Beich­te die ein­zi­ge „Hil­fe“, die der Sün­der emp­fan­gen kann? Die Beich­te aber setzt eine ehr­li­che Reue und den festen Vor­satz vor­aus, nicht mehr zu sün­di­gen, und daher schon gar nicht in der Sün­de zu verharren.

Nein, Kar­di­nal Schön­born spricht nicht im Sin­gu­lar, son­dern im Plu­ral von “Sakra­men­ten“. Und da man lan­ge genug über die Zulas­sung der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on geschwatzt, par­don, dis­ku­tiert hat, ent­decken wir, daß prak­tisch alle die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen dür­fen: das anschei­nen­de Cha­os „objek­ti­ver“, „sub­jek­ti­ver“, „nicht voll­stän­dig objek­ti­ver“ Situa­tio­nen schließt letzt­lich alles und alle mit ein. Die all­ge­mein gehal­te­ne For­mu­lie­rung „in bestimm­ten Fäl­len“ läßt die Tür zu den ver­schie­den­sten Inter­pre­ta­tio­nen offen.

Das ewige Heil scheint kein vordringliches Interesse der „Neotheologie“

Was aber bleibt, ist das unan­fecht­ba­re Wort des Neu­en Testaments:

„Wer unwür­dig das Brot ißt und den Becher des Herrn trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht.“

Die­ses bibli­sche Wort scheint aber nicht mehr zu besor­gen. Offen­sicht­lich gehört das ewi­ge Heil nicht mehr zu den vor­dring­li­chen Inter­es­sen die­ser unge­wöhn­li­chen Neo­theo­lo­gie, die sich in einem neu­en „Lehr­amt“ aus­drückt. Fest steht, daß die zitier­ten Aus­sa­gen ergo omnes ein Pas­sier­schein für das Sakri­leg sind.

Abschlie­ßend beschrän­ke ich mich daher dar­auf, nur eine Sache zu unter­strei­chen: Die­ses Durch­ein­an­der stammt nicht von irgend­ei­nem Spaß­vo­gel, der sich in irgend­wel­chen para­theo­lo­gi­schen Abson­der­lich­kei­ten ergeht. Es stammt von Kar­di­nal Chri­stoph Schön­born, dem Erz­bi­schof von Wien und Vor­sit­zen­den der Öster­rei­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz, den Fran­zis­kus als „authen­ti­schen“ Inter­pre­ten von Amo­ris lae­ti­tia benannt hat.

Es ist alles so schreck­lich klar. Gott ste­he uns bei.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vatican.va/OR/Erzdiözese Wien (Screen­shot)

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3 Kommentare

  1. Und da wun­dern sich die hohen Her­ren, dass die Kir­che ihre Anzie­hungs­kraft ver­lo­ren hat und selbst alte Hasen nicht mehr hin­term Ofen her­vor­locken kann; – aber eine Insti­tu­ti­on, die zum Bil­li­gen Jakob ver­kom­men ist, ist erst recht für jun­ge, ziel­stre­bi­ge Men­schen mit Idea­len alles ande­re als attrak­tiv! Da haben Islam, Bud­dhis­mus und auch die Frei­kir­chen dann doch mehr zu bieten!

  2. Kind fragt nach:
    „Mama, was meint das Wort pastoral?“
    „Mein Kind, pasto­ral ist, wenn dein Vater mit einer neu­en Frau vor den Altar tritt und der Prie­ster so tun muss, als ob ich tot wäre.

  3. Das Haupt­pro­blem in der Kir­che ist ein gewis­ser Kon­ser­va­ti­vis­mus. Ein Kon­ser­va­ti­vis­mus, der schlech­te Früch­te her­vor­bringt. Der hl. Apo­stel Pau­lus hat­te genug vor der Geset­zes­ge­rech­tig­keit gewarnt. Was bei Papst Fran­zis­kus und Kar­di­nal Schön­born beob­ach­tet wer­den kann, ist eine ver­kehr­te Schluß­fol­ge­rung daraus.

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