NBER-Studie widerlegt Behauptung, Dschihadisten seien von Armut und sozialer Ungleichheit motiviert


Dschihadisten
Dschihadisten

(Dha­ka) Die isla­mi­schen Atten­tä­ter, die am ver­gan­ge­nen Frei­tag­abend das Café Holey Arti­san Bak­ery in Dha­ka über­fal­len und 20 aus­län­di­sche Urlau­ber und zwei ben­ga­li­sche Poli­zi­sten getö­tet haben, stam­men aus wohl­ha­ben­den, ein­hei­mi­schen Fami­li­en. Ihre Her­kunft ver­bannt ver­harm­lo­sen­de und irre­füh­ren­de Dar­stel­lun­gen, Isla­mi­sten stamm­ten aus „rück­stän­di­gen“ Lan­des­tei­len und hät­ten nur eine gerin­ge Bil­dung, ins Reich der Mär­chen. Wer den isla­mi­schen Dschi­had der jüng­sten Gene­ra­ti­on kennt, wuß­te das bereits seit län­ge­rem. Eine neue Stu­die wider­legt die sozi­al­po­li­ti­sche These.

Anzei­ge

Zum Atten­tat bekann­te sich der Isla­mi­sche Staat (IS). Vor Ort aus­ge­führt wur­de der Angriff von Dschi­ha­di­sten der Jamaye­tul Muja­hideen Ban­gla­desh, wie Innen­mi­ni­ster Asa­duzza­man Khan vor der Pres­se erklärte.

Als ein Spe­zi­al­kom­man­do die Gei­sel­nah­me in den Mor­gen­stun­den von Sams­tag been­de­te, wur­den sechs Isla­mi­sten getö­tet und einer festgenommen.

Dhaka-Attentäter stammen aus wohlhabenden Familien und besuchten die besten Schulen

Die Atten­tä­ter stam­men alle aus wohl­ha­ben­den ben­ga­li­schen Fami­li­en. Sie haben die besten Schu­len des Lan­des besucht. Ihr sozia­les Milieu war geprägt von finan­zi­el­ler Sicher­heit. Damit wider­spre­chen die Dschi­ha­di­sten von Dha­ka einem im Westen gern geheg­ten Trug­bild von den Stein­zeit-Isla­mi­sten, die nur auf­grund ihrer gerin­gen Bil­dung und ihres sozia­len Elends für isla­mi­sti­sche „Rat­ten­fän­ger“ anfäl­lig seien.

Eine jüngst ver­öf­fent­lich­te Stu­die über die For­eign Figh­ters aus euro­päi­schen Län­dern, die für den Isla­mi­schen Staat (IS) im Nahen Osten kämp­fen, bestä­tigt den Sozi­al- und Bil­dungs­sta­tus der Dhaka-Terroristen.

Der Isla­mi­sche Staat (IS) ver­dankt einen Teil sei­nes Erfol­ges dem kon­ti­nu­ier­li­chen Zufluß aus­län­di­scher Kämp­fer. Mit ihnen greift der „Kalif“ nicht nur die fra­gi­len Herr­schafts­sy­ste­me im Irak und in Syri­en an, son­dern bie­tet auch der von den USA geführ­ten inter­na­tio­na­len Koali­ti­on die Stirn. Die aus­län­di­schen Isla­mi­sten wer­den all­ge­mein als „For­eign Figh­ters“ bezeich­net. Dar­un­ter sind auch Mus­li­me aus Euro­pa gemeint. Sie haben in den mei­sten Fäl­len einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, sind zum Groß­teil jedoch bereits in EU-Län­dern gebo­ren und dort auf­ge­wach­sen. Glei­ches gilt für Dschi­ha­di­sten aus den USA, Kana­da und Australien.

Die Stu­die wider­legt die ver­brei­te­te Mei­nung, die­se aus­län­di­schen Kämp­fer hät­ten ein öko­no­mi­sches Inter­es­se, weil sie zu Hau­se nur ein gerin­ges Ein­kom­men und kaum Per­spek­ti­ven hät­ten. Die­se ver­ein­fa­chen­de Erklä­rung eig­net sich zwar, weil sim­pel gestrickt, die Din­ge in über­schau­ba­re Schub­la­den zu stop­fen, führt aber in die Irre.

Es han­delt sich dabei ledig­lich um die unre­flek­tier­te Über­tra­gung eines ande­ren sozi­al­ro­man­ti­schen Mär­chens, das vor allem von der poli­ti­schen Lin­ken im Zusam­men­hang mit der all­ge­mei­nen Kri­mi­na­li­tät erzählt wird Ins Gefäng­nis kämen nur vom „unge­rech­ten System“ struk­tu­rell Dis­kri­mi­nier­te und Unter­pri­vi­le­gier­te. Die Über­tra­gung die­ser irri­gen The­se auf die Dschi­ha­di­sten hat den Vor­teil, daß auch die­sel­ben ver­meint­li­chen Lösungs­re­zep­te ange­prie­sen wer­den kön­nen: Es genü­ge den Bil­dungs­stan­dard und das Durch­schnitts­ein­kom­men zu heben, um den Isla­mis­mus zu besie­gen. Der Wohl­fahrts­staat als Allheilmittel.

NBER-Studie räumt mit sozialer Dschihad-These auf

Die­ses Erklä­rungs­mu­ster wird durch empi­ri­sche Erhe­bun­gen nicht gedeckt, wie auch die neue Stu­die des Natio­nal Bureau of Eco­no­mic Rese­arch (NBER) zeigt. Das 1920 gegrün­de­te NBER mit Sitz in Cam­bridge in Mas­sa­chu­setts ist eine pri­va­te For­schungs­ein­rich­tun­gen für Wirt­schafts­stu­di­en und vor allem eine der welt­weit renommiertesten.

Das NBER ana­ly­sier­te das Phä­no­men der IS-Rekru­ten. Unter ande­rem wur­den Daten des PEW Rese­arch Cen­ter, der Sou­fan Rese­arch Group und der Ver­ein­ten Natio­nen aus­ge­wer­tet. Die Daten der For­eign Figh­ters wur­den sta­ti­stisch mit den Bil­dungs- und Wirt­schafts­da­ten der Her­kunfts­län­der ver­gli­chen. Das dar­aus ent­stan­de­ne Dia­gramm ISIS Figh­ters and Eco­no­mic Con­di­ti­ons lie­fert ein beein­drucken­des Bild.

Dar­aus geht her­vor, daß die west­li­chen Staa­ten, mit ihrem ver­hält­nis­mä­ßig klei­nen isla­mi­schen Bevöl­ke­rungs­an­teil, im Durch­schnitt weit mehr IS-Kämp­fer her­vor­ge­bracht haben, als die isla­mi­schen Staa­ten. Mehr noch: je höher der Wohl­stands­in­di­ka­tor HDI (Index für huma­ne Ent­wick­lung der Ver­ein­ten Natio­nen) desto mehr Mus­li­me zogen für den Dschi­had in den Krieg. Die Län­der mit dem, laut UNO, höch­sten Wohl­stand und der gering­sten Ungleich­heit, dar­un­ter Bel­gi­en, Irland und die skan­di­na­vi­schen Staa­ten, sind die größ­ten Dschi­ha­di­sten-Fabri­ken. Aus die­sen Län­dern bre­chen weit mehr Isla­mi­sten zum Kampf gegen die „Ungläu­bi­gen“ auf als aus Indo­ne­si­en oder Pakistan.

Der Grad der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung scheint dem­nach als Schlüs­sel­fak­tor bei den Moti­ven für Dschi­ha­di­sten aus­zu­schei­den. Laut NBER-Stu­die sei­en ande­re Moti­ve ent­schei­dend, die in abneh­men­der Ten­denz auf­ge­li­stet wer­den: Ideo­lo­gie, Poli­tik, Inte­gra­ti­on in den Gast­län­dern. Der Fak­tor Armut spie­le hin­ge­gen kei­ne Rolle.

Text: Andre­as Becker
Bild: tgcom24 (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!