(Peking) Die Kommunistische Partei Chinas will eine „zweite Kulturrevolution, um die Religionen zu dezimieren“. Die Stadtverwaltung von Zhumadian in der Provinz Henan gab der protestantischen Kirche von Beitou recht. Die Kirche war am 14. April im Auftrag der Behörden abgerissen worden. Dabei wurde die Ehefrau des Pastors Ding Cumei, getötet, die sich mit ihrem Mann verzweifelt der antichristlichen Zerstörungswut entgegenstellte. Die Frau war in eine Grube gestoßen und mit Bauschutt bei lebendigem Leib begraben worden.
Die geborgene Leiche der Frau wurde von den Christen neben der zerstörten Kirche aufgebahrt. Die Behörden hatten den Abriß der Kirche veranlaßt, weil dort ein Einkaufszentrum errichtet werden sollte. Seit zwei Jahren gehen Chinas Kommunisten gegen die Christen des Landes vor. Was offiziell als „urbanistische Bereinigung“ und „wirtschaftliche Aufwertung“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit eine gezielte Kampagne gegen das Christentum, dessen rasche Ausbreitung die kommunistische Staatsführung besorgt. Die antichristlichen Zerstörungen betreffen vor allem die Provinzen Zhejiang, Henan, Hebei und Hubei.
Tod der Pastorengattin – internationales Aufsehen
Drei Wochen nach dem Tod von Ding Cumei gab die Stadtverwaltung dem Pastorenehepaar recht. Die Christen könnten das Grundstück behalten, es werde nicht in eine Handelszone umgewidmet. Der Tod der Pastorengattin hatte offenbar zuviel internationales Aufsehen erregt. Die Behörden sind um Schadensbegrenzung bemüht. Für Ding Cumei kommt der Rückzieher der Behörden zu spät. Pastor Li Jiangong befürchtet nun, daß die Mörder seiner Frau nicht verurteilt werden und alles vertuscht werden könnte.
Am 14. April wurde die Kirche von Beitou zerstört. Am Tag zuvor war eine Kirche in Wenzhou abgerissen worden, „weil das Kreuz auf dem Dach zu hoch war“, wie ChinaAid berichtete. In wenigen Minuten waren drei Millionen Yuan vernichtet worden (rund 400.000 Euro), die über etliche Jahre von den Gläubigen für den Kirchenbau gespendet worden waren.
In der Provinz Hebei ist die Lage nicht minder dramatisch. Im vergangenen Monat sind dort fünf katholische Untergrundpriester verschwunden. Derzeit fehlt jedes Lebenszeichen von ihnen. Die Gläubigen gehen davon aus, daß sie von der Polizei verhaftet und in ein Gefängnis oder ein Umerziehungslager gebracht wurden.
Staats- und Parteiführung befaßt sich mit dem Thema Religion
Die Kommunistische Partei Chinas scheint nicht gewillt, das Christentum neben sich zu dulden. Am vergangenen 22./23. April fand in Peking das seit 15 Jahren ranghöchste Treffen zum Thema Religion statt. Kein gutes Zeichen für die Christen. An dem Treffen nahm Staats- und Parteichef Xi Jinping und bis auf ein Mitglied das gesamte Ständige Komitee des Politbüros teil, kurzum, die KP-Mitglieder, die das Land wirklich regieren.
Das Treffen fand hinter verschlossenen Türen statt. Die wenigen von der Regimepresse bekanntgegebenen Informationen lassen nichts Gutes erwarten.
Staats- und Parteichef Xi Jinping betonte, daß die Religionsfrage eng „mit der Staatssicherheit und der nationalen Einheit“ verbunden sei. Deshalb sei es „notwendig“, daß die religiösen Gemeinschaften „ihre Lehren mit der chinesischen Kultur vermischen, den chinesischen Gesetzen gehorchen und sich ganz der Reform Chinas und der sozialistischen Modernisierung verschreiben, um zur Verwirklichung des chinesischen Traumes beizutragen“. Xi Jinping forderte eine „Sinisierung der Religionen“ und ihre Unterordnung unter die Kommunistische Partei, „um die Position der Partei zu stärken“
„Parteimitglieder haben keine Religion zu praktizieren, sondern marxistische Atheisten zu sein“
Zugleich warnte Xi Jinping alle Parteimitglieder davor, eine Religion zu praktizieren. „Sie haben ihre Werte und ihren Glauben nicht in Religionen zu suchen, sondern haben mit Standhaftigkeit marxistische Atheisten zu bleiben“. Schließlich kritisierte er noch „ausländische Kräfte“, denen er vorwarf, „die Religion in China beeinflussen zu wollen“. Letzterer Punkt richtete sich ohne direkte Nennung vor allem gegen den Vatikan und die katholische Kirche.
Der Heilige Stuhl bemüht sich seit zwei Jahren erfolglos um ein Abkommen mit Peking, um das Leben der chinesischen Katholiken zu verbessern.
John Mok Chit Wai von der chinesischen Universität Hong Kong bestätigte AsiaNews die Aussagen von Xi Jinping. Der Staats- und Parteichef habe „in aller Klarheit erklärt, daß es außerhalb der Parteikontrolle keine religiösen Aktivitäten zu geben habe“. Die „Führungsrolle der Partei müsse gegenüber allen Religionen durchgesetzt werden“.
Liest man diese Erklärungen, so John Mok Chit Wai, könne kein Zweifel bestehen: „Ich denke, daß es ziemlich eindeutig ist, daß Xi keine Absicht hat, irgendeinen Kompromiß mit religiösen Gruppen einzugehen. Ganz im Gegenteil. Xi hat klargestellt, daß es keinerlei Kompromiß geben kann: Die Partei hat über den Religionen zu stehen.“
Der chinesische Rechtsanwalt Sang Pu aus Hong Kong sieht es nicht anders: „Mit dieser Rede hat die Kommunistischen Partei ihre gemäßigte Maske fallengelassen, die ihr von Deng Xiaoping, Jiang Zemin und Hu Jintao angelegt worden war [die drei Nachfolger von Mao Tse-tung].“ Xi bereite eine „zweite Kulturrevolution“ vor, „um alle Religionen zu dezimieren“, so Sang Pu. „Soweit mir bekannt, sieht niemand hier in Hong Kong in der Rede von Xi eine gute Nachricht.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Timone