„Der Wind beginnt sich zu drehen“ – Papst Franziskus und die glaubenstreuen Katholiken


(Rom/​Berlin) Eini­ge der jüng­sten Gesten und das nach­syn­oda­le Schrei­ben von Papst Fran­zis­kus haben unter glau­bens­treu­en Katho­li­ken einen Umdenk­pro­zeß ange­sto­ßen. Er wird noch schmerz­lich sein und eini­ge Ver­wer­fun­gen mit sich brin­gen, scheint aber unaus­weich­lich zu sein, um die katho­li­sche Kir­che für die Zukunft zu rüsten. 

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Der Papst hat­te kurz nach sei­ner Wahl 2013 aus eige­nem Antrieb und ohne ersicht­li­chen Grund die Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zum The­ma der Welt­kir­che gemacht und damit das Ehe­sa­kra­ment und die Unauf­lös­lich­keit der Ehe zur Dis­po­si­ti­on von Kir­chen­ver­tre­tern wie Kar­di­nal Wal­ter Kas­per gestellt.

Nach zwei Bischofssynoden herrscht mehr Verwirrung denn je: Zufall oder Absicht?

Nach zwei­ein­halb Jah­ren Dis­kus­si­on, zwei welt­wei­ten Fra­ge­bö­gen und zwei hit­zig ver­lau­fe­nen Bischofs­syn­oden soll­te das nach­syn­oda­le Schrei­ben des Pap­stes Klar­heit schaf­fen. Der Papst leg­te nach mehr­ma­li­gem Ver­schie­ben und wei­te­ren sechs Mona­ten schließ­lich ein 190 Sei­ten dickes Papier vor, doch die Ant­wort auf die an sich simp­le Fra­ge, ob öffent­li­che Ehe­bre­cher, die im kirch­li­chen Neu­sprech wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne genannt wer­den, zur Kom­mu­ni­on zuge­las­sen sind, Ja oder Nein, fin­det sich dar­in nicht. Oder doch?

Dar­über strei­ten seit dem 8. April, dem Tag der Ver­öf­fent­li­chung, Theo­lo­gen, Vati­ka­ni­sten, Bischö­fe und Lai­en. Statt einer Klä­rung erzeug­te Papst Fran­zis­kus eine noch grö­ße­re Ver­wir­rung. Zumin­dest dar­in sind sich alle, außer die Ultra­pro­gres­si­ven, zumin­dest im ver­trau­li­chen Gespräch einig.

Man­che spe­ku­lie­ren bereits, ob das nicht beab­sich­tigt sein könn­te, nach­dem sich Kar­di­nal Kas­per mit sei­ner „Öff­nung“ bei der Syn­ode nicht durch­set­zen konn­te. Allein sol­che Spe­ku­la­tio­nen über die „wah­ren Absich­ten“ des regie­ren­den Pap­stes sind ein Novum in der jün­ge­ren Kir­chen­ge­schich­te und Aus­druck einer um sich grei­fen­den Ver­un­si­che­rung. „Die­ser Papst pul­ve­ri­siert die Ein­heit der Kir­che“ schrieb der ita­lie­ni­sche Prie­ster Don Elia in sei­ner Reak­ti­on auf Amo­ris lae­ti­tia.

Glaubenstreue Katholiken erleben schmerzlichen Umdenkprozeß

Im Gegen­satz zu den pro­gres­si­ven Katho­li­ken, die sich inner­lich von zen­tra­len Tei­len der kirch­li­chen Dok­trin und Dis­zi­plin ver­ab­schie­det haben und eine tief­sit­zen­de Distanz zum Papst­tum hegen, auch wenn der Papst Fran­zis­kus heißt, erle­ben glau­bens­treue Katho­li­ken die neue Situa­ti­on schmerz­lich. Gewis­sens­qua­len und inne­re Zer­ri­sen­heit sind die Fol­ge. Einer­seits sehen und ahnen sie seit dem Abend des 13. März 2013, daß mit dem der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat etwas nicht stimmt. Gleich­zei­tig ver­bie­tet ihre inne­re Über­zeu­gung, die gera­de unter den Pon­ti­fi­ka­ten von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. gefe­stigt wur­de, eine Kri­tik am Papst, selbst dort, wo er nicht unfehl­bar spricht und sei­ne Ent­schei­dun­gen damit kri­ti­siert wer­den kön­nen. Die Ent­rückung der Per­son des Pap­stes war in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten ein Schutz gegen die pro­gres­si­ven Fehl­ent­wick­lun­gen in den Hei­mat­diö­ze­sen. Rom bot Halt im Gegen­satz zur eige­nen Orts­kir­che. Mit Papst Fran­zis­kus hat sich das geän­dert. Die pro­gres­si­ven Expe­ri­men­te der Orts­kir­che schei­nen in Rom ange­kom­men zu sein, mehr noch, Rom im Sturm ein­ge­nom­men zu haben.

Fehlbare Entscheidungen des Papstes können und müssen gegebenenfalls kritisiert werden

Die Kir­che unter­schied zu jeder Zeit zwi­schen der Per­son, die das Papst­amt inne­hat, und dem Papst­tum als von Chri­stus ein­ge­setz­ter Insti­tu­ti­on. Die­se zuletzt etwas ver­lo­ren­ge­gan­ge­ne Unter­schei­dung gilt es unter glau­bens­treu­en Katho­li­ken wie­der­zu­ge­win­nen. Das ver­langt einen Umdenk­pro­zeß. Eine fal­sche Sakra­li­sie­rung der Per­son des Pap­stes als Reak­ti­on auf eine all­ge­mei­ne Ent­sa­kra­li­sie­rung erweist sich als fal­scher Weg. Nicht jede Geste und jedes Wort eines Pap­stes ist unfehl­bar. Ganz im Gegen­teil. Die Kir­che lehrt Respekt vor der Per­son und dem Amt des Pap­stes. Nicht unfehl­ba­re Ent­schei­dun­gen kön­nen und müs­sen gege­be­nen­falls dis­ku­tiert und kri­ti­siert werden.

Das gilt auch für Amo­ris lae­ti­tia, das auf aus­drück­li­chen Hin­weis von Fran­zis­kus nicht Teil des Lehr­amts ist. Dabei wird nicht nur der Inhalt des Schrei­bens genau zu ana­ly­sie­ren sein, son­dern auch nach den Absich­ten des Pap­stes zu fra­gen sein, nach dem Kon­text der ver­gan­ge­nen zwei­ein­halb Jah­re seit Ankün­di­gung der Dop­pel­syn­ode über Ehe und Familie.

Bericht vom Kongreß „Freude am Glauben“

Daß ein schmerz­li­ches Umden­ken statt­fin­det, zeigt ein Bericht der Tages­post über den Kon­greß Freu­de am Glau­ben, der am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de statt­fand. Unter dem Mot­to „Was gibt dem Men­schen Hoff­nung für die Zukunft?“ hat­te das Forum Deut­scher Katho­li­ken nach Würz­burg gela­den. Die Tages­post schrieb dazu:

„Wenn Papst Fran­zis­kus bei sei­nem Besuch auf der Insel Les­bos nicht aus­schließ­lich mus­li­mi­sche Fami­li­en aus Syri­en, son­dern auch christ­li­che mit nach Rom genom­men hät­te, dann wäre dies ein ermu­ti­gen­des und hoff­nungs­vol­les Zei­chen für die vie­len ver­folg­ten Chri­sten in die­sem Land gewe­sen.“ Damit hat Münch ein Ven­til beim Publi­kum geöff­net. Mit Applaus und iro­ni­schen Zwi­schen­ru­fen reagiert es auf Münchs Anmer­kung, der Hin­weis auf Papie­re, die bei christ­li­chen Flücht­lin­gen auf Les­bos Papst Fran­zis­kus zufol­ge nicht in Ord­nung gewe­sen sei­en, kön­ne ihn nicht über­zeu­gen. Emo­tio­nal reagie­ren man­che im Saal auch auf Münchs Bericht von drei syri­schen Chri­sten, die über die Ent­schei­dung des Pap­stes erschüt­ter­te gewe­sen sei.
Vie­le Kon­gress­be­su­cher beschäf­ti­gen sich inten­siv mit der Fra­ge, wie wert­kon­ser­va­ti­ve Gläu­bi­ge inmit­ten einer als Durst­strecke wahr­ge­nom­me­nen Pha­se der Kir­che die Hoff­nung nicht ver­lie­ren sol­len. Auf der Stän­de­mei­le fin­den sie Ansprech­part­ner. Ideen wer­den aus­ge­tauscht: Man­che haben nach Rom und an die Bischö­fe geschrie­ben, besinn­li­che­re Natu­ren set­zen unein­ge­schränkt auf das Gebet.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: forum​-deut​scher​-katho​li​ken​.de (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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