
(Rom) Papst Franziskus empfing am Montag Nicolas Sarkozy in Audienz, Frankreichs Ex-Staatspräsidenten und 2017 wahrscheinlich erneuten Bewerber um das höchste Staatsamt. Mehr Aufsehen sorgte das Beisein seiner standesamtlich dritten Ehefrau Carla Bruni.
Am 27. Februar hatte Papst Franziskus eine historische Protokolländerung vollzogen, indem er den neuen Staatspräsidenten Argentiniens gemeinsam mit dessen Ehefrau empfing. Macri ist ein sogenannter wiederverheiratet Geschiedener. Um genau zu sein, ist er standesamtlich bereits zum dritten Mal verheiratet.
Das vatikanische Protokoll sah bisher vor, daß ein irregulärer Ehepartner nicht an der Audienz mit dem Papst teilnehmen durfte, sondern in einem anderen Raum warten mußte. Da die sakramentale Ehe unauflöslich ist und die Scheidung und standesamtliche Wiederverheiratung von der Kirche nicht anerkennt werden, wurde dies auch im Protokoll zum Ausdruck gebracht.
„Der Papst fühlte sich sehr schlecht, als er hörte, daß er laut Protokoll gezwungen ist, die Frau in einem anderen Saal und getrennt zu begrüßen“, schrieb im Februar Elisabetta Pique, die argentinische Papst-Biographin. „Das scheint mir ungerecht“, habe das Kirchenoberhaupt gesagt, „und so reifte in ihm die Idee, das Protokoll zu ändern.“
Sarkozy ist ein ehemaliges Staatsoberhaupt. Das vatikanische Protokoll trägt dem Rang Rechnung, den ihm auch die Republik Frankreich zuteil werden läßt. Sarkozy könnte in bald einem Jahr wieder Frankreich regieren. Eine Neuauflage des Duells Chirac gegen Le Pen Vater im zweiten Wahlgang 2002 wird nicht ausgeschlossen. Nur, daß 2017 die Hauptfiguren Sarkozy gegen Le Pen Tochter heißen könnten.
Vorstufe zur „Revolution“ oder Rückzugsgefecht?

Unter den Papst-nahen Vatikanisten besteht kein Zweifel, daß Franziskus im Zusammenhang mit den wiederverheiratet Geschiedenen Signale aussendet. Ob es sich dabei um Rückzugsgefechte handelt, als Ausgleich für die „Unmöglichkeit“ (Kardinal Gerhard Müller) ihnen die Zulassung zur Kommunion zu gewähren, oder um die Vorstufe zu einer „Revolution“, die Kardinal Walter Kasper seit bald drei Jahren ankündigt, wird derzeit unter Vatikanisten aufmerksam beobachtete und kontrovers diskutiert.
„Integrare“, einbinden, habe das Schlüsselwort des Papstes bei der Bischofssynode und auch in Mexiko gelautet, schreibt etwa Giacomo Galeazzi, ein progressiver Vatikanist.
Die Begegnung des Papstes mit Sarkozy, Carla Bruni und einer kleinen Delegation fand im Rahmen einer Privataudienz statt. Daher gibt es dazu auch keine offizielle Erklärung durch das Presseamt des Vatikans.
2008 empfing das Präsidentenpaar Sarkozy/Bruni Papst Benedikt XVI. bei seinem Frankreich-Besuch im Pariser Élyséepalast. Als Präsident Sarkozy seinen Gegenbesuch im Vatikan abstattete, wurde er hingegen von seiner Schwiegermutter zu Benedikt XVI. begleitet. Damit wurden protokollarische Reibungen vermieden. Bruni, eine Italienerin, die in Frankreich als Modell und Sängerin Karriere machte, gilt als Agnostikerin und nahm bei ihren gelegentlichen Wortmeldungen zur italienischen Politik Positionen ein, die von Italiens Linken vertreten wurden. 2009 attackierte Bruni den deutschen Papst, wegen des Widerstandes der katholischen Kirche gegen die Geburtenkontrolle, wie sie durch eine Verhütungs- und Abtreibungsmentalität praktiziert wird. Sarkozy nahm daher feierlich, aber doch lieber ohne seine standesamtlich dritte Ehefrau vom Kanonikat an der Lateranbasilika Besitz, das dem französischen Staatsoberhaupt als Rechtsnachfolger der Könige zusteht.
Die Protokolländerung für Argentiniens Präsidenten Macri war von Papst Franziskus eigenmächtig angeordnet worden. Vor zwei Wochen zog das Staatssekretariat nach und ließ verlauten, daß die Protokolländerung künftig für alle katholischen Staatsoberhäupter gelte, die offiziell den Vatikan besuchen.
Bisher durften irreguläre Ehepartner auch nicht auf die offiziellen Audienz-Photos mit dem Papst. Seit dem 27. Februar ist natürlich auch das anders. Von Papst Franziskus, Sarkozy und Carla Bruni gibt es allerdings keine offiziellen Fotos, weil es sich um eine Privataudienz handelte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/La Nacion (Screenshots)