Kritik am Papst von den Rändern, der den Umbau des US-Episkopats beschleunigen will


Papst Franziskus beim Treffen mit den Bischöfen in der Kathedrale von Mexiko-Stadt

(Rom) Der Papst, der vom Ende der Welt kam, wird von der alten Mit­te umju­belt, aber gera­de von den Rän­dern ein­ge­bremst. Nor­ber­to Kar­di­nal Rive­ra Car­rera, der Pri­mas von Mexi­ko, fällt ein ein­deu­tig nega­ti­ves Urteil über die Rede von Papst Fran­zis­kus an die mexi­ka­ni­schen Bischö­fe: „Impro­vi­sier­te Wor­te und schlecht bera­ten“. Die Kri­tik Rive­ras löste im Vati­kan „ein Pan­dä­mo­ni­um“ aus, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Der „schlech­te Rat­ge­ber“ für Mexi­ko wird von Papst Fran­zis­kus sogar auf eine Schlüs­sel­po­si­ti­on nach Washing­ton beför­dert. Dort soll er den US-Epi­sko­pat auf Berg­o­glio-Kurs bringen.

Kardinal Riveras Ärger über die Papst-Rüge

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Der Leit­ar­ti­kel in der Kir­chen­zei­tung Des­de la fe des Erz­bis­tums ist nament­lich nicht gekenn­zeich­net. Den­noch ist die Autoren­schaft auf den Erz­bi­schof von Mexi­ko-Stadt, Nor­ber­to Kar­di­nal Rive­ra Car­rera, den Pri­mas des zen­tral­ame­ri­ka­ni­schen Lan­des zurück­zu­füh­ren. Die nicht gezeich­ne­ten Leit­ar­ti­kel stam­men in der Regel immer vom Erz­bi­schof. Kar­di­nal Rive­ra greift dar­in Papst Fran­zis­kus fron­tal an wegen des­sen drei Wochen zuvor in der Kathe­dra­le der mexi­ka­ni­schen Haupt­stadt gehal­te­ne Anspra­che an die Bischö­fe des Lan­des. Der Leit­ar­ti­kel wur­de auch auf der Inter­net­sei­te der Wochen­zei­tung und jener des Erz­bis­tums veröffentlicht.

Beson­ders kri­tisch ins Feld geht der Kar­di­nal mit jenen Pas­sa­gen, in denen der Papst die aus­ge­ar­bei­te­te Rede­vor­la­ge links lie­gen­ließ und frei und impro­vi­siert sprach. Beson­de­ren Anstoß erreg­te die Ermah­nung, die Bischö­fe hät­ten die Pflicht, „die Ein­heit des bischöf­li­chen Gemein­schaft zu bewahren“.

Wört­lich sag­te der Papst: „Wenn Ihr strei­ten müßt, strei­tet. Wenn Ihr Euch etwas zu sagen habt, dann sagt es. Tut es aber als Män­ner, ins Gesicht, und als Män­ner Got­tes, die dann zusam­men beten gehen und gemein­sam zu unter­schei­den ver­su­chen. Und wenn ihre die Gren­ze über­schrit­ten habt, dann bit­tet um Ver­ge­bung.“ Zusam­men­fas­send mein­te der Papst: „Gemein­schaft und Ein­heit unter Euch: Die Gemein­schaft ist die leben­di­ge Form der Kir­che und die Ein­heit ihrer Hir­ten ist der Beweis ihrer Wahr­haf­tig­keit. Es braucht kei­ne Prin­zi­pi­en, son­dern eine Gemein­schaft von Zeu­gen des Herrn.“

Implizierte Kritik an Kardinal Maradiagas Einfluß in Rom

Norberto Kardinal Rivera Carrera, Erzbischof von Mexiko-Stadt und Primas von Mexiko
Nor­ber­to Kar­di­nal Rive­ra Car­rera, Erz­bi­schof von Mexi­ko-Stadt und Pri­mas von Mexiko

Kar­di­nal Rive­ra war­te­te drei Wochen, doch mit der Ermah­nung kann er sich nicht anfreun­den und repli­zier­te nun offen­bar nach reif­li­cher Über­le­gung: „Hat der Papst irgend­ei­nen Grund die mexi­ka­ni­schen Bischö­fe so zu rügen? Was der Papst weiß, und das weiß er genau, ist, daß die Kir­che in Mexi­ko im Ver­gleich mit den ande­ren ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten einen aty­pi­schen Fall dar­stellt. Erstens zah­len­mä­ßig: Unser Land hat mit 81 Pro­zent [93 Mil­lio­nen] den höch­sten Katho­li­ken­an­teil, und genau auf­grund die­ser brei­ten und gefe­stig­ten katho­li­schen Prä­senz unter­schei­den wir uns von den ande­ren Staa­ten des Kontinents.“

Unüber­hör­bar klingt in den Wor­ten von Kar­di­nal Rive­ra nicht nur ein Ver­weis auf ande­re latein­ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten durch, son­dern ein Sei­ten­hieb gegen Kar­di­nal Oscar Rodri­guez Mara­dia­ga, den Erz­bi­schof von Tegu­ci­gal­pa, der unter Papst Fran­zis­kus in Rom gro­ßes Anse­hen genießt und Koor­di­na­tor des C9-Kar­di­nals­ra­tes zur Bera­tung des Pap­stes ist. Mara­dia­ga ver­tritt im Kar­di­nals­rat durch päpst­li­che Ernen­nung Mit­tel­ame­ri­ka und damit auch Mexi­ko. In Hon­du­ras ging der Katho­li­ken­an­teil wäh­ren der Amts­zeit von Kar­di­nal Mara­dia­ga von inner­halb von 20 Jah­ren von 76 auf 47 Pro­zent zurück.

Aber auch und gera­de im Argen­ti­ni­en des ehe­ma­li­gen Pri­mas Jor­ge Mario Berg­o­glio ist ein mas­si­ver Katho­li­ken­schwund im Gange.

Ein Bericht des Stu­di­en­zen­trums Lati­no­ba­ro­me­tro vor zwei Jah­ren hob her­vor, daß es bis­her nur zwei Aus­nah­men in Latein­ame­ri­ka gibt, die der Ero­si­on des Katho­li­zis­mus in Rich­tung Frei­kir­chen nach US-ame­ri­ka­ni­schem Modell stand­hal­ten: Mexi­ko und die Domi­ni­ka­ni­sche Republik.

„Keineswegs uneigennützige Ratgeber“

Kar­di­nal Rive­ra beton­te im Leit­ar­ti­kel: „Die Vor­stel­lung wäre absurd, daß Sei­ne Hei­lig­keit den gro­ßen Wider­stand igno­riert, den die katho­li­sche Kir­che in Mexi­ko der Expan­si­on der pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten cha­ris­ma­ti­scher und pflings­t­le­ri­scher Prä­gung ent­ge­gen­ge­setzt hat, die sich in ande­ren Län­dern unge­hin­dert ausbreiten.“

Daher stell­te sich der Leit­ar­tik­ler die Fra­ge: „Sind die impro­vi­sier­ten Wor­te des Hei­li­gen Vaters nicht etwa die Fol­ge eines schlech­ten Rates, der ihm von jemand gege­ben wur­de, der ihm nahe­steht? Wer hat den Papst schlecht bera­ten?“ Und noch ein­mal: „War­um ver­sucht man das Wir­ken der mexi­ka­ni­schen Bischö­fe her­ab­zu­set­zen? Zum Glück kennt das Volk sei­ne Hir­ten und geht mit ihnen bei der Errich­tung des Reichs Got­tes, was auch immer der Preis dafür ist, wie die Geschich­te die­ses Lan­des zeigt.“

Daß es kei­nes­wegs unei­gen­nüt­zi­ge Rat­ge­ber geben kann, läßt Kar­di­nal Rive­ra am Ende des Leit­ar­ti­kels durch­blicken. „Die Hand der Zwie­tracht“ beab­sich­tigt den Ein­druck zu erwecken, daß „die Ver­su­chun­gen ein Übel des Epi­sko­pats sind“.

Die Rügen und Ermah­nung in der päpst­li­chen Anspra­che ähneln jenen, die der Papst bereits bei ande­rer Gele­gen­heit und vor ande­ren Bischö­fen geäu­ßert hat­te, bei­spiels­wei­se im Sep­tem­ber 2015 in Washing­ton an die US-ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe und im Novem­ber 2015 in Flo­renz an die ita­lie­ni­schen Bischö­fe. In kei­nem Fall erhob sich dage­gen jedoch ein sol­cher Pro­test von ober­ster Stel­le wie in Mexi­ko. In den ande­ren Län­dern herrsch­te viel­mehr ein­hel­li­ger Dank für den „Ruck“, mit dem der Papst alte bischöf­li­che Sche­ma­ta auf­ge­rüt­telt habe. An den Rän­dern scheint die Kir­che tat­säch­lich leben­di­ger zu sein.

Mexikanische Kritik löste im Vatikan „ein Pandämonium aus“

Nuntius Christophe Pierre
Nun­ti­us Chri­sto­phe Pierre

Die Kri­tik an Papst Fran­zis­kus in der Kir­chen­zei­tung des Erz­bis­tums Mexi­ko-Stadt „löste nicht nur im Vati­kan, son­dern welt­weit ein Pan­dä­mo­ni­um aus“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Die Vati­ka­ni­sten und Medi­en, die San­ta Mar­ta am näch­sten ste­hen, haben sich sofort zur Ver­tei­di­gung des Kir­chen­ober­haupts in Bewe­gung gesetzt, „vom Direk­tor des halb­of­fi­ziö­sen Sis­mo­gra­fo, Luis Badil­la, bis zum Koor­di­na­tor des Nach­rich­ten­por­tals Vati­can Insi­der, Andrea Tornielli.“

Tor­ni­el­li, der in San­ta Mar­ta ein und aus geht, wies zurecht die Autoren­schaft des Leit­ar­ti­kels Kar­di­nal Rive­ra zu. Gleich­zei­tig benann­te er erstaun­li­cher­wei­se im Apo­sto­li­schen Nun­ti­us für Mexi­ko, dem Fran­zo­sen Chri­sto­phe Pierre, den „Rat­ge­ber“, der Papst Fran­zis­kus emp­foh­len habe, die mexi­ka­ni­schen Bischö­fe zu rügen.

Nuntius als „schlechter Ratgeber“

Es sei kein Geheim­nis, so auch Magi­ster, daß sich Papst Fran­zis­kus auf das Urteil von Pierre ver­läßt. Die Ent­hül­lung und damit Bloß­stel­lung des Papst-Ver­trau­ten Pierre durch den Papst-Ver­trau­ten Tor­ni­el­li erklärt sich des­halb, weil Pierre Mexi­ko bald ver­las­sen wird. Papst Fran­zis­kus beför­derrt ihn auf den Posten des neu­en Apo­sto­li­schen Nun­ti­us für die USA. Dort löst er Car­lo Maria Viganò ab, der aus Alters­grün­den ausscheidet.

„Die Nun­tia­tur in Washing­ton ist eine Schlüs­sel­stel­lung in der Stra­te­gie Berg­o­gli­os“, so Magi­ster. Der Epi­sko­pat der USA zählt zu den größ­ten und ein­fluß­reich­sten der Welt. Vor allem aber wei­gert er sich stand­haft, die neu­en Leit­li­ni­en anzu­neh­men, die Fran­zis­kus ihm auf­zwin­gen möch­te. Der Epi­sko­pat der USA hält unbe­irrt an der Linie der Pon­ti­fi­ka­te von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. fest.

Neuer Nuntius soll den US-Episkopat auf Bergoglio-Kurs bringen

Papst Fran­zis­kus ist sich bewußt, daß die katho­li­sche Kir­che in den USA ein Haupt­hin­der­nis dabei ist, der Welt­kir­che einen ande­ren Kurs zu ver­pas­sen. Daher zielt er auf einen per­so­nel­len Umbau des Epi­sko­pats ab. Mit der Ernen­nung des lin­ken Außen­sei­ters Blai­se Cupich zum Erz­bi­schof von Chi­ca­go und damit einem der bedeu­tend­sten Bischofs­sit­ze der USA, setz­te er das bis­her deut­lich­ste Signal in die­se Rich­tung. Sie wur­de von zahl­rei­chen Katho­li­ken des Lan­des, vor allem aber von der Mehr­heit der Bischö­fe mit Erstau­nen und Ent­set­zen zur Kennt­nis genommen.

Mit einem Fran­zis­kus getreu­en neu­en Nun­ti­us ist damit zu rech­nen, daß die Berich­te für die Aus­wahl der Bischofs­kan­di­da­ten eine neue Berg­o­glia­ni­sche Dimen­si­on anneh­men wer­den. Der Umbau des US-Epi­sko­pats dürf­te nun beschleu­nigt ange­gan­gen werden.

Die frankophonen Nuntien Washingtons

Msgr. Jean Jadot
Msgr. Jean Jadot

Chri­sto­phe Pierre ist der erste Fran­zo­se als Nun­ti­us in Washing­ton, aller­dings schon der zwei­te Fran­ko­pho­ne auf die­se Posten. Vor ihm hat­te der Wal­lo­ne Jean Jadot von 1973–1980 die­ses Amt inne. Jadot gilt den pro­gres­si­ven US-Katho­li­ken noch heu­te als „Held“, so Magi­ster, weil er für eine Rei­he von pro­gres­si­ven Bischofs­er­nen­nun­gen ver­ant­wort­lich zeich­ne­te, dar­un­ter jene von Rem­bert Weak­land in Mil­wau­kee und Ray­mond Hunt­hau­sen in Seattle.

Jadots Wir­ken für eine „ande­re“ Kir­che war der Grund, wes­halb ihn Papst Johan­nes Paul II. kurz nach sei­ner Wahl in den Vati­kan zurück­hol­te und ihn nur mehr mit einer unbe­deu­ten­den Neben­rol­le betrau­te. Jadot war bis­her der ein­zi­ge Nun­ti­us in den USA, der nicht mit der Kar­di­nals­wür­de aus­ge­zeich­net wur­de. Mit Viganò könn­ten es, wenn auch aus ande­ren Grün­den, bald zwei sein. „Auch sei­ne Erhe­bung in den Kar­di­nals­stand ist alles ande­re als sicher“, so Magister.

Text: Il Foglio/​Giuseppe Nardi
Bild: Des­de la fe/​Wikicommons (Screen­shot)

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