(Rom) In Bologna bringt der Wechsel an der Spitze der Diözese auch eine Wende in der Moschee-Frage. Der bisherige Erzbischof, Carlo Kardinal Caffarra, widersetzte sich einem Moschee-Bau, wenn in den islamischen Geldgeberstaaten nicht gleiche Rechte für die Christen gewährt werden. Der seit vergangenem Dezember amtierende Erzbischof, Matteo Maria Zuppi, sprach sich nun für einen Moschee-Bau aus.
Das „rote“ Bologna und seine Rückgewinnung
Bologna war nach dem Zweiten Weltkrieg die kommunistische Hochburg Italiens und ist auch heute mehrheitlich links. Das Erzbistum, traditionell mit der Kardinalswürde verbunden, wurde von 1952–1968 von Kardinal Giacomo Lercaro geleitet, einem der Moderatoren des Zweiten Vatikanischen Konzils und bekanntester und einflußreichster Vertreter der progressive „Rheinischen Allianz“ in Italien. Auf seine Unterstützung geht die Gründung der „Schule von Bologna“ zurück.
Papst Johannes Paul II. bemühte sich schrittweise das Erzbistum in die Hände von Bischöfen zu legen, deren Kirchenverständnis orthodoxer geprägt war. Mit den Kardinälen Giacomo Biffi (1984–2003) und Carlo Caffarra (2004–2015) schien diese „Rückgewinnung“ gelungen. Kardinal Caffarra stellte sich entschieden den Bestrebungen der Homo-Lobby entgegen. In Sachen Gender-Ideologie hatte er einige Gefechte mit der Ratshausmehrheit auszutragen. Vor beiden Familiensynoden meldete er sich zu Wort, um der These von Kardinal Walter Kasper und dessen Anhängern zu widersprechen und die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe zu verteidigen. 2014 war er einer der fünf Kardinäle, die das Buch „In der Wahrheit Christi bleiben: Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche“ vorlegten. 2015 gehörte er zu den elf Kardinälen, deren Stellungnahmen unter der Herausgeberschaft von Winfried Aymans und Joachim Kardinal Meisner im Sammelband „Elf Kardinäle zu Ehe und Familie. Essays aus pastoraler Sicht“ publiziert wurden.
Neuer Erzbischof gehört der Gemeinschaft Sant’Egidio an
Im Juni 2015 war Kardinal Caffarra 77 Jahre alt geworden. Seine altersbedingte Emeritierung war nur mehr eine Frage der Zeit. Zwei Tage nach Abschluß der zweiten Bischofssynode ernannte Papst Franziskus am vergangenen 27. Oktober überraschend den römischen Weihbischof Matteo Maria Zuppi zum neuen Erzbischof von Bologna.
Erzbischof Zuppi gehört der Gemeinschaft von Sant’Egidio an, die sich um eine besondere Nähe zu Papst Johannes Paul II. bemühte. Im Gegensatz zu anderen „Reformgruppen“ nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die durch Radikalisierung immer mehr aus der Kirche hinausrutschten, betonte Sant’Egidio die Zugehörigkeit und die Papsttreue. Dennoch gilt die Gemeinschaft als linkslastig und progressiv. Bekannt ist sie nicht nur für ihre kirchliche Parallel-Diplomatie. Die ist allerdings von solcher Bedeutung, daß im Februar 2015 sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Rom-Besuch das Zentrum von Sant’Egidio im Stadtteil Trastevere aufsuchte.
Die bisher größte, allerdings auch umstrittenste innerkirchliche Wirkung übte Sant’Egidio durch die interreligiösen Assisi-Treffen aus, die eine Idee dieser Gemeinschaft sind. Den Auftakt bildete das Treffen von 1986 in Assisi, das wegen synkretistischer Elemente zu anhaltenden Diskussionen in der katholischen Kirche führte. Die Treffen finden jährlich an verschiedenen Orten statt. Der Gemeinschaft gelang es dreimal, Päpste zur Teilnahme an Treffen in Assisi zu bewegen. Der Auftakt 1986 mit Papst Johannes Paul II. und Vertretern anderer Weltreligionen stellte in dieser Form eine absolute Neuheit dar und sicherte der Gemeinschaft internationale Aufmerksamkeit. 1987 erfolgt die kanonische Anerkennung der 1968 gegründeten Gemeinschaft durch den Vatikan.
Seit vergangenem Oktober liegt ein viertes Assisi-Treffen, diesmal mit der Teilnahme von Papst Franziskus, in der Luft. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin war es, der meinte, daß ein solches Treffen im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit „wichtig“ wäre.
Wiedereinzug der „Schule von Bologna“ ins erzbischöfliche Palais
Msgr. Zuppi war 2012, als ihn Papst Benedikt XVI. zum Weihbischof von Rom ernannte, der zweite Priester von Sant’Egidio, der zum Bischof berufen wurde. Sant’Egidio ist vor allem in Rom sehr aktiv. Die Ernennung wurde von Beobachtern im kirchenpolitischen Sinn als Signal gesehen, als einen Ersatz für den von der Gemeinschaft seit Jahren gehegten Wunsch, einen Kardinal aus den eigenen Reihen stellen zu können. Msgr. Zuppi nahm als zuständiger Weihbischof für die römische Altstadt seine Aufgab jedenfalls so ernst, daß er auch die altrituelle Personalpfarrei der Petrusbruderschaft Santissima Trinità dei Pellegrini besuchte und einer Zelebration im überlieferten Ritus beiwohnte.
Da Zuppi der progressiven „Schule von Bologna“ angehört, wird seine Berufung nach Bologna auch als symbolischer Rückschritt in die Zeit von Kardinal Lercaro gesehen. Eine persönliche Verbundenheit zwischen Zuppi und Papst Franziskus bestand bereits, als dieser Erzbischof von Buenos Aires war und in bestimmten Kirchenkreisen, geheim als Papst in spe gesehen wurde.
„Die Wende des neuen Bischofs: ‚In Bologna braucht es eine Moschee‘ “
In der Moschee-Frage stellte Kardinal Caffarra einen entschiedenen Widerpart gegen die linke Stadtverwaltung war. Erzbischof Zuppi hingegen, „ganz Diplomat jener Parallel-Diplomatie von Sant’Egidio“, so Secretum meum mihi, unterstützt das Moschee-Projekt. „Ich denke, daß das ein wichtiger Ort ist, im konkreten Fall für den Islam.“ Mit diesen Worten wird der neue Erzbischof am 5. März vom Corriere di Bologna zitiert. Die Kehrtwende war der Tageszeitung die Titelseite wert. Die Schlagzeile lautete: „Islam: Die Wende des neuen Bischofs. ‚In Bologna braucht es eine Moschee‘“.
Das Projekt Moschee-Bau ist seit Jahren umstritten. Unbehagen lösen Größe und „demonstrative Sichtbarkeit“ aus, so die Kritik der oppositionellen Lega Nord. Zweifel bestehen zudem, was die Geldgeber betrifft. Die Opposition fordert „Transparenz“ über die Finanzierung des Projekts. Als Hauptsponsor wird Saudi-Arabien genannt. „Wir akzeptieren es nicht, daß ein fremder Staat in unserem Land Moscheen baut, der im eigenen Land den Bau von Kirchen verbietet.“ Die Angelegenheit sei genau zu prüfen, da Moscheen auch Orte der politischen Aufwiegelung und von Haßpredigten seien. Zudem handle es sich bei Moscheen „nicht nur um Gebetsstätten, weshalb Länder, wie beispielsweise Ägypten, sie unter Überwachung gestellt haben.“
Am vergangenen Freitag fand in Bologna eine Tagung über die Integration der Moslems statt. Am Podium saßen der linksdemokratische Bürgermeister Virginio Merola, der Rektor der Universität Bologna Francesco Ubertini und Erzbischof Matteo Maria Zuppi.
Mit seiner Wortmeldung überraschte der Erzbischof die gesamte Politik, auch die einem Moschee-Bau wohlwollend gegenüberstehende linke Ratshausmehrheit. Mit dem Stadtoberhaupt pflegt der Erzbischof freundschaftlichen Kontakt. Bürgermeister Merola regierte dennoch zurückhaltend: „Wir werden darüber sprechen, nach den Wahlen“.
In weniger als drei Monaten stehen Kommunalwahlen auf der Tagesordnung. Der Rathauskoalition kommt ein Wahlkampfthema Moschee ungelegen. Der Hauptkonkurrent ist die EU-skeptische Lega Nord, die für einen Einwanderungstopp eintritt.
Erzbischof Zuppi läßt sich davon nicht beirren und beruft sich auf Papst Franziskus. Der Papst habe dazu aufgerufen: „Brücken zwischen den verschiedenen Kulturen zu bauen. Und was die Sicherheit anbelangt, müßte vielmehr das Gegenteil Angst machen“. Womit der Erzbischof auch eine indirekte „Wahlempfehlung“ abgab. Er sei auch dafür, an den Schulen „islamische Feste zu feiern“. Wörtlich wiederholte der Erzbischof in seiner Replik: „Ich bin für eine Moschee in Bologna.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/Corriere di Bologna (Screenshots)