(Rom) Papst Franziskus wird auch am Gründonnerstag 2016 das Letzte Abendmahl des Herrn nicht in der Lateranbasilika, der Bischofskirche Roms und „Mutter aller Kirchen“ zelebrieren, sondern an einem noch nicht bekannten Ort.
Das Amt für die liturgischen Feiern des Papstes veröffentlichte gestern den Kalender der päpstlichen Zelebrationen bis zum Weißen Sonntag. Am Gründonnerstag ist um 9.30 Uhr die Chrisammesse im Petersdom verzeichnet. Für die Missa in Coena Domini findet sich weder auf der offiziellen Internetseite des Heiligen Stuhl noch auf der Seite des Vatican Information Service (VIS) ein Hinweis. Ebensowenig scheint der erste Tag des Triduum Sacrum im heutigen Osservatore Romano (Ausgabe 29. Februar/1. März) auf, in dem der Kalender der päpstlichen Zelebrationen ebenfalls veröffentlicht wurde. Es scheint gerade so, als wäre der Gründonnerstag mit dem Letzten Abendmahl aus den päpstlichen Zelebrationen verschwunden.
Dem ist natürlich nicht so. Die Nichterwähnung weist vielmehr darauf hin, daß Papst Franziskus, wie in den vergangenen drei Jahren, die Gründonnerstagsliturgie unter Ausschluß der Öffentlichkeit zelebrieren wird.
Sakramente treten hinter Fußwaschung zurück
Die Einsetzung des Weihesakraments (Priestertum) und des Altarsakraments (Eucharistie) treten damit erneut hinter die Geste der Fußwaschung zurück. Die besondere Koppelung der feierlichen Liturgie an die Bischofskirche der Diözese entfällt zugunsten eines Besuches im Gefängnis (2013 und 2015) oder einer Behinderteneinrichtung (2014).
Für den Besuch von Gefängnissen, Alten- und Behindertenheimen erntet der Papst nicht nur Verständnis, sondern Lob. Er setzt damit in die Tat um, was er von allen fordert, das Wegwerfdenken zu überwinden und jede Aussonderung von Menschen zu vermeiden. Kritiker halten dem Papst aber vor, diese Einrichtungen und Institutionen jederzeit besuchen zu können, während die Gründonnerstagsliturgie an einem einzigen Abend des Kirchenjahres gefeiert wird und zwar als Ausdruck der Zelebration des Bischofs mit seiner Gemeinde. Die Zelebration ist daher an die Bischofskirche gekoppelt und liturgisch für die Kirche von herausragender Bedeutung.
Wegen seiner „Ausritte“ (Francisco Fernandez de la Cigoña) erntete Papst Franziskus in den vergangenen Jahren einige Kritik aus traditionsverbundenen Kirchenkreisen. Konservative Katholiken wagen keine Kritik am Papst und progressive Katholiken sind über jede Abweichung von der Tradition begeistert.

Kritisiert wird vor allem, daß der Papst sich ohne verständlichen Grund den Gläubigen seiner Diözese und der Weltkirche „entzieht“. Die Fußwaschung sei ein wichtiger Hinweis auf die Demut und die Einübung der Nächstenliebe. Sie sei aber nicht das wichtigste Element der Gründonnerstagsliturgie, sondern nur im Zusammenhang mit der Einsetzung der Sakramente zu verstehen. Das darin zum Ausdruck kommende Dienen meine zwar implizit ein Dienen gegenüber allen, doch in erster Linie gegenüber den Brüdern im Glauben.
Abwesenheit von der Bischofskirche eine „Anomalie“
Kritisiert wurde in den vergangenen Jahren auch, daß Franziskus nicht nur Frauen und Männern, sondern auch Angehörigen anderer Religionen die Füße wäscht. „Die Fußwaschung vermittelt den Eindruck einer Handlungsanleitung für soziales Engagement. Das aber wäre ein völlig falscher Eindruck. Richtig verstanden zeigt sich Petrus, der Papst, hier als servus servorum, als Diener der Diener Gottes, oder Knecht der Knechte Gottes, wie es früher hieß. Durch die Verdrängung der wichtigeren Elemente der Gründonnerstagsliturgie bekommt alles aber einen bitteren und unzulänglichen Beigeschmack“, so die katholische Seite Dotta ignoranza über „zweifelhafte liturgische Freiheiten des Papstes“.
„Unter Franziskus wurde die so wichtige Gründonnerstagsliturgie vom Papst noch nie öffentlich gefeiert. Nun entzieht er sich schon zum vierten Mal hintereinander. Die Gründonnerstagsliturgie scheint unter ihm unsichtbar zu werden“, so Messa in Latino.
Das Ausweichen auf irgendeine andere Kirche als die Bischofskirche, auf irgendeine Kapelle, um die Verbundenheit mit der Gemeinde oder mit Menschen in einer besonderen Situation zu unterstreichen, sei löblich und verständlich, stelle jedoch für die drei heiligen Tage „eine Anomalie“ dar, so Dotta ignoranza. Ein Gefängnis, ein Altenheim, eine Behinderteneinrichtung könne der Papst auch zwischen der Chrisammesse und der Missa in Coena Domini aufsuchen. „An Zeit dafür würde es nicht fehlen. Apropos, vielleicht könnte der Papst in diesem Jahr ein Lebenszentrum oder eine Schwangerenberatungsstelle der Lebensrechtsbewegung aufsuchen, wo täglich um das Leben der ungeborenen Kinder gerungen und der ‚Wegwerfkultur‘ widerstanden wird. Wir wären sofort dafür, allerdings auch dann, bitte, vor der Gründonnerstagsliturgie.“
Text. Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Osservatore Romano (Screenshot)