Der perfekte Jesuit? – Selbstbildnis von Jorge Mario Bergoglio


Papst Franziskus, der perfekte Jesuit
Papst Franziskus, der perfekte Jesuit?

(Rom) Als „per­fek­ten Jesui­ten“ sieht der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster den Papst. Fran­zis­kus habe mit sei­ner jüng­sten Pres­se­kon­fe­renz auf dem Rück­flug von Mexi­ko nach Rom ein „flie­gen­des Selbst­bild­nis“ geliefert.

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„Was woll­te Papst Fran­zis­kus wirk­lich sagen über die der­zeit vom Ita­lie­ni­schen Par­la­ment dis­ku­tier­ten ein­ge­tra­ge­nen Part­ner­schaf­ten?“, fragt sich Magi­ster und stellt damit eine Fra­ge, die über die kon­kre­te Sach­fra­ge hin­aus­geht. Seit dem März 2013 stel­len sich Katho­li­ken und Beob­ach­ter immer wie­der die Fra­ge, was der Papst eigent­lich sagen will und vor allem, was denkt er wirk­lich. Der von ihm ernann­te Prä­fekt des neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ta­ri­ats, Msgr. Dario Viganò, lob­te das zig­zag­haf­te Her­um­sprin­gen als gera­de­zu genia­len „Berg­o­glio-Stil“, was vor allem eines ist: Lob­hu­de­lei. Dahin­ter ver­birgt sich jedoch ein wah­rer Kern, den San­dro Magi­ster als „Jesui­tis­mus“ identifiziert.

Sybillinische Andeutungen

Die Fra­ge sei nicht neben­säch­lich „ange­sichts von tau­send vor­her­ge­hen­den sybil­li­ni­schen Andeu­tun­gen“ des Pap­stes, wie jene in der römi­schen Luther­kir­che, „die noch immer nicht ent­zif­fert und viel­leicht unüber­biet­bar ist“.

Gemeint ist das päpst­li­che „Ja, Nein, ent­schei­det ihr“, das Fran­zis­kus einer Luthe­ra­ne­rin zur Ant­wort gab, als sie ihn frag­te, ob sie gemein­sam mit ihrem katho­li­schen Mann die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen könne.

Eine päpst­li­che Ant­wort, die von sol­cher „Klar­heit“ ist, daß sie jeder aus­le­gen kön­ne, wie er will. Der luthe­ri­sche Gast­ge­ber, Pastor Kru­se, legt sie seit­her als Zustim­mung zur Inter­kom­mu­ni­on aus, denn die Letzt­ent­schei­dung tref­fe jeder selbst gemäß sei­nem Gewissen.

Selbsternannte Papst-Interpreten

Auch der pro­gres­si­ve Katho­lik Alber­to Mel­lo­ni, Lei­ter der ultra­pro­gras­si­ven Schu­le von Bolo­gna und „selbst­er­nann­ter Berg­o­glio-Inter­pret“, so Magi­ster, wis­se die päpst­li­chen Äuße­run­gen mit abso­lu­ter Sicher­heit zu deu­ten. Der Papst habe den ita­lie­ni­schen Bischö­fen unmiß­ver­ständ­lich ange­ord­net, sich nicht in die Dis­kus­si­on um das „Homo-Ehe“-Gesetz ein­zu­mi­schen. „Punkt.“

In der Tat sag­te Fran­zis­kus ver­gan­ge­ne Woche auf dem Rück­flug von Mexi­ko, „der Papst mischt sich nicht in die ita­lie­ni­sche Poli­tik ein, weil der Papst für alle da ist und sich nicht in die kon­kre­te, inter­ne Poli­tik eines Lan­des ein­mi­schen kann: Das ist nicht die Auf­ga­be des Papstes.“

Aller­dings, anders als von Mel­lo­ni behaup­tet, erteil­te Fran­zis­kus kei­nen Befehl an die Bischö­fe, es ihm gleich­zu­tun. Gleich nach sei­ner Wahl sag­te er zum ita­lie­ni­schen Epi­sko­pat: „Mit der ita­lie­ni­schen Regie­rung müßt ihr selbst zurecht­kom­men“. Das sei nicht das­sel­be wie „sich nicht ein­mi­schen“, so Magister.

Der Papst, der sich „nicht einmischt“ – Dank für die „große Wende, die er der Kirche gibt“

„Der Papst also nicht, die Bischö­fe aber schon?“, fragt Magi­ster. Kei­nes­wegs, denn Fran­zis­kus ließ auch die ita­lie­ni­schen Katho­li­ken wis­sen, daß sie wohl gegen Regie­rungs­plä­ne demon­strie­ren könn­ten, aber nicht damit rech­nen dürf­ten, dabei von den Bischö­fen ange­führt zu werden.

Papst Fran­zis­kus schafft es sich gekonnt und wohl beab­sich­tigt, so zwi­schen kla­ren Posi­tio­nen zu bewe­gen, daß er letzt­lich nir­gends rich­tig fest­ge­macht wer­den kann.

Die links­de­mo­kra­ti­sche Sena­to­rin Moni­ca Cirin­nà , nach der das der­zeit dis­ku­tier­te „Homo-Ehe“-Gesetz benannt ist, ver­säum­te es nicht, Papst Fran­zis­kus öffent­lich zu loben „für die gro­ße Wen­de, die er der Kir­che gibt.“

Hat auch sie etwas falsch ver­stan­den? So scheint es, denn der Papst sag­te auf dem Rück­flug von Mexi­ko auch, er den­ke zur Homo-Ehe, „was die Kir­che denkt“. Mit ande­ren Wor­ten heißt das, er ist gegen die „Homo-Ehe“, weil die Kir­che seit jeher und mit Nach­druck gegen homo­se­xu­el­le Ver­bin­dun­gen jeder Art ist.

Der Papst sagt: Ja, Nein, Jein

Magi­ster fragt wei­ter: „Bedeu­tet das also, daß Fran­zis­kus so denkt, wie die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die in ihrem Doku­ment von 2003 schreibt, daß katho­li­sche Abge­ord­ne­te nicht für sol­che Geset­ze stim­men dürfen?“

„Das ist nicht gesagt“, ant­wor­tet Magi­ster, denn der Beant­wor­tung einer ent­spre­chen­den Fra­ge der Jour­na­li­stin Fran­ca Gian­sol­da­ti (Il Mess­ag­ge­ro) im Flug­zeug, ent­zog sich der Papst: „Ich erin­ne­re mich nicht gut an die­ses Dokument.“

Dann füg­te er hin­zu, daß ein katho­li­scher Abge­ord­ne­ter „nach einem Gewis­sen“ abstim­men müs­se. Vom Gewis­sen als Letzt­in­stanz sprach Fran­zis­kus schon mehr. Die­ses Mal füg­te er immer­hin hin­zu, daß es sich um ein „gut gebil­de­tes Gewis­sen“ han­deln müs­se, was nicht mit einem Gewis­sen des „Ich tu, was ich will“ zu ver­wech­seln sei.

Genau das hat­te Kar­di­nal Ange­lo Bag­nas­co, der Vor­sit­zen­de der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, weni­ge Tage zuvor gefor­dert. Doch prompt distan­zier­te sich der Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­kon­fe­renz, der von Fran­zis­kus ein­ge­setz­te Bischof Nun­zio Galan­ti­no, der „Mann des Pap­stes“ unter den ita­lie­ni­schen Bischöfen.

Päpstliches Nein zu „ideologischen [LGBT-]Kolonialisierungen“ – im fernen Mexiko

Trotz aller Erklä­run­gen, sich „nicht ein­zu­mi­schen“, nahm der Papst sehr wohl gegen die Lega­li­sie­rung von „Homo-Ver­bin­dun­gen“ Stel­lung, aller­dings im fer­nen Mexi­ko. Am 15. Febru­ar sag­te er beim Tref­fen mit den Fami­li­en in einem mit 100.000 Men­schen gefüll­ten Sta­di­on in Tux­la Gut­ier­rez:

„Heut­zu­ta­ge sehen und erle­ben wir an ver­schie­de­nen Fron­ten, wie die Fami­lie geschwächt wird, wie sie in Fra­ge gestellt wird; wie man meint, sie sei ein bereits über­hol­tes Modell und habe kei­nen Platz in unse­ren Gesell­schaf­ten, und wie unter dem Vor­wand der Moder­ni­tät immer stär­ker ein auf die Iso­lie­rung gegrün­de­tes Modell begün­stigt wird. In unse­re Gesell­schaf­ten – die sich als freie, demo­kra­ti­sche, sou­ve­rä­ne Gesell­schaf­ten bezeich­nen – drin­gen ideo­lo­gi­sche Kolo­nia­li­sie­run­gen ein, die sie zer­stö­ren, und am Ende sind wir Kolo­nien von Ideo­lo­gien, die die Fami­lie, den Kern der Fami­lie zer­stö­ren, der die Grund­la­ge jeder gesun­den Gesell­schaft ist.“

Kei­nen hal­ben Tag spä­ter schei­ter­te in Rom der Ver­such der Links­re­gie­rung, den Cirin­nà ‑Ent­wurf mit einem Hand­streich durch­zu­set­zen. Dabei fand die päpst­li­che Kri­tik an den „ideo­lo­gi­schen Kolo­nia­li­sie­run­gen“ der Homo-Lob­by so gut wie kei­nen Wider­hall in den Medi­en. Nicht ein­mal der Avve­ni­re, die Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz berich­te­te darüber.

Papst Franziskus und der „multiple Jesuitismus“: Sich nie festmachen lassen

„Aber viel­leicht war es genau das, was sich der Papst erwar­tet hat­te. Sein Den­ken steht dort geschrie­ben, wenn auch ver­steckt in einer lan­gen Rede, gehal­ten in einem Sta­di­on im fer­nen Mexi­ko. Wer will, kann es nach­prü­fen.“ Offen­sicht­lich sol­le aber die Geschich­te „vom Papst, der sich nicht in die Poli­tik ein­mischt“, weitergehen.

„In Berg­o­glio steckt ein mul­ti­pler Jesui­tis­mus in stän­di­ger Bewe­gung, der sich nie grei­fen und fest­ma­chen läßt. Sein Spre­chen ist ein stän­di­ges Reden, Zurück­neh­men und sich Widersprechen.“

„Das gilt sogar dann, wenn er auf dem­sel­ben Flug gleich zwei­mal urteilt – er, der in der Welt für den Satz berühmt ist: ‚Wer bin ich, um zu urtei­len?‘ – daß der ame­ri­ka­ni­schen Bewer­ber um die Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur, Donald Trump, ‚kein Christ‘ sei. Dabei schaff­te er es, selbst hier zwi­schen dem ersten und dem zwei­ten Urteil ein erstaun­li­ches ‚ich mische mich nicht ein‘ ein­zu­schie­ben“, so Magister.

Text: Set­ti­mo Cielo/​Giuseppe Nardi
Bild: UCR (Screen­shot)

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