Priesterzölibat „nach dem Vorbild Christi“ – Kardinalstaatssekretär: „Man kann darüber reden, aber ohne Eile“


(Rom) An der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na fand in der ver­gan­ge­nen Woche eine hoch­ka­rä­tig besetz­te Tagung zum The­ma Prie­ster­zö­li­bat statt. Vom 4.–6. Febru­ar wur­de über den Zöli­bat als kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment des Prie­ster­tums gespro­chen und die­ser ver­tei­digt. Die Pla­nung zur Tagung begann noch in der letz­ten Zeit des Pon­ti­fi­kats von Papst Bene­dikt XVI. Durch­ge­führt wur­de sie nun zu einem Zeit­punkt, da es rund um Papst Fran­zis­kus rumort und eine Rei­he von Gesprächs­part­nern des Pap­stes behaup­ten, er den­ke dar­an, den Prie­ster­zö­li­bat, den in der zwei­tau­send­jäh­ri­gen Geschich­te der Chri­sten­heit nur die latei­ni­sche Kir­che ver­wirk­li­chen und bewah­ren konn­te, auf­zu­ge­ben. Mit beson­de­rer Span­nung wur­den daher das Ein­gangs­re­fe­rat von Kuri­en­kar­di­nal Marc Ouel­let, Prä­fekt der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on und das Schluß­re­fe­rat von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin erwartet.

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Bei­de ver­tei­dig­ten in ihren Aus­füh­run­gen den Prie­ster­zö­li­bat ener­gisch und führ­ten dafür eine Fül­le theo­lo­gi­scher Argu­men­te an. Der Prie­ster­zö­li­bat habe sich trotz der Her­aus­for­de­rung und man­cher Schwie­rig­kei­ten auch in der Pra­xis bewährt.

„Tradition des Priesterzölibats geht bis auf die Apostel zurück und folgt dem Vorbild von Jesus Christus“

Kar­di­nal Ouel­let grün­de­te sei­ne Aus­füh­run­gen auf das Neue Testa­ment und das Vor­bild Jesu Chri­sti, von dem sich der prie­ster­li­che Zöli­bat her­lei­te. Er bestä­tig­te aller­dings, daß die Fra­ge auch nach 2000 Jah­ren „noch immer kon­tro­vers“ gese­hen werde.

„Die kirch­li­che Tra­di­ti­on des Zöli­bats und der Ent­halt­sam­keit der Kle­ri­ker ist nicht am Beginn des 4. Jahr­hun­derts als etwas Neu­es ent­stan­den, son­dern war viel­mehr – sowohl im Osten wie im Westen – die Bestä­ti­gung einer Tra­di­ti­on, die bis auf die Apo­stel zurück­reicht. Als das Kon­zil von Elvi­ra in Spa­ni­en 306 bestimm­te, daß die Prie­ster die Pflicht haben, in per­fek­ter Ent­halt­sam­keit zu leben, gilt es zu ver­ste­hen, daß die­se Not­wen­dig­keit der Kir­che in den frü­hen Jahr­hun­der­ten sowohl den Zöli­bat und das Ver­bot wie­der zu hei­ra­ten als auch die per­fek­te Ent­halt­sam­keit für jene, die bereits ver­hei­ra­tet sind, umfaßte.“

Kardinal Marc Ouellet, Präfekt der Bischofskongregation
Kar­di­nal Marc Ouel­let, Prä­fekt der Bischofskongregation

Mit noch grö­ße­rer Span­nung wur­den die Aus­füh­run­gen von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin erwar­tet. Als der dama­li­ge Nun­ti­us im Sep­tem­ber 2013 von Papst Fran­zis­kus an die Spit­ze der Römi­schen Kurie beru­fen wur­de, beton­te er in einem Inter­view auf­fäl­lig die Tat­sa­che, daß der prie­ster­li­che Zöli­bat „kein Dog­ma“ sei und daher „dis­ku­tiert“ wer­den kön­ne. Als insti­tu­tio­nell höchst­ran­gi­ger Mit­ar­bei­ter von Papst Fran­zis­kus und von die­sem per­sön­lich aus­ge­wählt, kommt sei­nen Aus­sa­gen beson­de­res Gewicht zu.

Kardinalstaatssekretär Parolin: „Man kann reden, aber ohne Eile und konstruktiv“

Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär war es dann auch, der in sei­nem Refe­rat, mit dem die Tagung abge­schlos­sen wur­de, die Tür ver­hält­nis­mä­ßig am wei­te­sten in Rich­tung mög­li­cher Aus­nah­men öff­ne­te. Die Tür zu Aus­nah­men war bereits vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil auf­ge­tan wor­den. Die sicht­bar­ste Erschei­nungs­form dafür sind seit­her in der latei­ni­schen Kir­che stän­di­ge Dia­ko­ne, die zum Zeit­punkt der Dia­ko­nats­wei­he ver­hei­ra­tet sein kön­nen. Die­se soge­nann­ten „viri pro­ba­ti“ gel­ten man­chen seit­her als „Vor­stu­fe“ zur Zöli­bats­auf­he­bung nach dem Bei­spiel der grie­chi­schen Kirche.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin
Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Parolin

Die Ost­kir­chen haben den Zöli­bat nicht durch­ge­hal­ten und weit­ge­hen­de Aus­nah­men gestat­tet. Die Bischö­fe und Mön­che leben zöli­ba­t­är, wäh­rend der Diö­ze­san­kle­rus ver­hei­ra­tet ist. Das hat zur Fol­ge, daß alle Bischö­fe dem Mönchs­tum ent­stam­men. Wer zum Zeit­punkt der Wei­he ver­hei­ra­tet ist, kann es als Welt­prie­ster blei­ben. Nach der Wei­he ist auch in der Ost­kir­che eine Hei­rat oder eine Wie­der­hei­rat aus­ge­schlos­sen. Ein inner­kirch­li­cher Auf­stieg ist für den ver­hei­ra­te­ten nie­de­ren Welt­kle­rus aller­dings nicht möglich.

Wört­lich sag­te Kar­di­nal Parolin:

Der Zöli­bat ist eine Beru­fung, der in der latei­ni­schen Kir­che als beson­ders ange­mes­sen für jene gese­hen wird, die zum prie­ster­li­chen Amt geru­fen sind. Die zöli­ba­t­ä­re Spi­ri­tua­li­tät des Pres­by­ters ist ein „posi­ti­ver“, kon­struk­ti­ver Vor­satz, der dar­auf abzielt, daß das Volk Got­tes immer von der Gefahr der Kor­rup­ti­on und der Ver­bür­ger­li­chung radi­kal freie Hir­ten hat.

Und wei­ter:

Die Höhe anzu­er­ken­nen, die die­ser Vor­satz mit sich bringt, macht ihn aber nicht exklu­siv, wie das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil in Pres­by­terorum ordi­nis sag­te, indem es erklär­te, daß er „nicht vom Wesen des Prie­ster­tums selbst gefor­dert (ist), wie die Pra­xis der frü­he­sten Kir­che und die Tra­di­ti­on der Ost­kir­chen zeigt, wo es neben sol­chen, die aus gna­den­haf­ter Beru­fung zusam­men mit allen Bischö­fen das ehe­lo­se Leben erwäh­len, auch hoch­ver­dien­te Prie­ster im Ehe­stand gibt“.

Und eben­so:

Die katho­li­sche Kir­che hat den Ost­kir­chen die zöli­ba­t­ä­re Ent­schei­dung nie auf­ge­zwun­gen. Ande­rer­seits hat sie auch im Lau­fe der Geschich­te Aus­nah­men erlaubt wie im Fall von ver­hei­ra­te­ten luthe­ri­schen, cal­vi­ni­sti­schen oder angli­ka­ni­schen Hir­ten, die – in die katho­li­sche Kir­che auf­ge­nom­men – eine Dis­pens erhiel­ten, um das Wei­he­sa­kra­ment emp­fan­gen zu kön­nen. Das geschah bereits wäh­rend des Pon­ti­fi­kats von Papst Pius XII. 1951.

In jüng­ster Zeit hat 2009 das Motu pro­prio Angli­ca­n­o­rum coe­ti­bus von Papst Bene­dikt XVI. die Errich­tung von Ter­ri­to­ri­al­or­di­na­ria­ten der latei­ni­schen Kir­che erlaubt, wo zu katho­li­schen Prie­stern geweih­te, ehe­ma­li­ge angli­ka­ni­sche Pasto­ren ihr Amt ausüben.

Im Gefol­ge der mas­si­ven Emi­gra­ti­on der Katho­li­ken aus dem Nahen Osten hat Papst Fran­zis­kus 2014 mit dem päpst­li­chen Dekret Prae­cep­ta de cle­ro uxora­to ori­en­ta­li den ver­hei­ra­te­ten ori­en­ta­li­schen Prie­ster erlaubt, in den christ­li­chen Gemein­schaf­ten der Dia­spo­ra und damit auch außer­halb ihrer histo­ri­schen Gebie­te zu wir­ken, indem er bis­he­ri­ge Ver­bo­te aufhob.

In der aktu­el­len Situa­ti­on wur­de dann häu­fig eine Art „sakra­men­ta­ler Not­stand“ durch den Man­gel an Prie­stern betont, beson­ders in eini­gen Gegen­den. Das hat von meh­re­ren Sei­ten die Fra­ge nach der Even­tua­li­tät auf­kom­men las­sen, die soge­nann­ten „viri pro­ba­ti“ zu weihen.

Wenn die Pro­ble­ma­tik auch nicht unbe­deu­tend scheint, ist es aber sicher nicht ange­bracht, über­eil­te Ent­schei­dun­gen und nur auf­grund von Dring­lich­kei­ten zu tref­fen. Den­noch ist es auch wahr, daß die Not­wen­dig­kei­ten der Evan­ge­li­sie­rung, zusam­men mit der Geschich­te und den viel­fäl­ti­gen Tra­di­tio­nen der Kir­che, die Mög­lich­keit zu legi­ti­men Debat­ten offen­läßt, wenn sie von der Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums moti­viert sind und auf kon­struk­ti­ve Wei­se geführt wer­den, wobei immer die Schön­heit und Höhe der zöli­ba­t­ä­ren Ent­schei­dung zu bewah­ren ist.

Der Zöli­bat ist ein Geschenk, das es erfor­dert, mit freu­di­ger Aus­dau­er ange­nom­men und gepflegt zu wer­den, damit es wirk­li­che Früch­te brin­gen kann. Um ihn gewinn­brin­gend zu leben, ist es not­wen­dig, daß jeder Prie­ster sich das gan­ze Leben lang stän­dig als Jün­ger auf dem Weg fühlt, der manch­mal der Wie­der­ent­deckung und der Stär­kung sei­ner Bezie­hung zum Herrn bedarf und auch der „Hei­lung“.

Das Refe­rat von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin „Der in per­so­na Chri­sti geweih­te Prie­ster“ in vol­ler Län­ge (ita­lie­ni­sches Original).

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Chiesa e postconcilio/​kairosterzomillennio (Screen­shots)

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