(Rom) Laudato si, die erste eigentliche Enzyklika von Papst Franziskus und erste Öko-Enzyklika der Kirchengeschichte, ist „zu argentinisch“, sagt ein australischer Theologe und Wirtschaftswissenschaftler. Die Enzyklika und die darin vorgeschlagenen Lösungen zur Genesung der Welt atmen zuviel an lateinamerikanischen „Vorurteilen“.
Ganz anders sieht das der argentinische Papst-Vertraute, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo: „Das ist das Lehramt der Kirche. Und dem Lehramt hat man zu gehorchen.“ Diese Replik entfuhr dem Kurienbischof am vergangenen 5. Dezember, nachdem Wissenschaftler der Wirtschaftswissenschaften und anderer Disziplinen bei einer Tagung des Acton Institute an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom die Haltlosigkeit der Umweltthese von Laudato si kritisiert hatten. Die Aussage erstaunt, weil sie der von Papst Franziskus gezeigten Haltung widerspricht, der entgegen dem Lehramt über Homosexualität „nicht urteilen“ will und Lutheraner im offenen Widerspruch zum Lehramt aufforderte, nach eigener Gewissensentscheidung zur Kommunion zu gehen.
Sanchez Sorondo ist Kanzler der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften und päpstliche Kontaktperson zwischen dem Vatikan und der UNO in Sachen Klimawandel, Post-Millenniums-Zielen und Bevölkerungspolitik. Er hält auch die Kontakte zu linken politischen Bewegung bis hin zur radikalen und extremen Linken.
Kritik von unerwarteter Seite
Nun legte der australische Priester und Wirtschaftswissenschaftler Paul Anthony McGavin mit „What’s wrong with ‚Laudato si‘?“ eine grundsätzliche Kritik der Öko-Enzyklika von Papst Franziskus vor, die vom Vatikanisten Sandro Magister veröffentlicht wurde. McGavin ist emeritierter Ordinarius an der School of Business der Australian Defence Force Academy von Canberra und Hochschulseelsorger und Kaplan der Universität Canberra. Er kann auf eine 30jährige wissenschaftlicher Tätigkeit im Bereich der Wirtschaftswissenschaften verweisen. Seine jüngste Veröffentlichung erfolgte 2015 unter dem Titel „Grappling Afresh with Labour Resource Challenges“.
Die Kritik erstaunt, weil McGavin keineswegs ein „traditionalistischer“ oder „konservativer“ Priester ist, sondern sich bisher sogar positiv zur Persönlichkeit und Aussagen von Papst Franziskus geäußert hatte. Nach der Familiensynode 2015 verteidigte er die Hypothese, wiederverheiratet Geschiedene könnten nach einer Einzelfallprüfung vom Diözesanbischof wieder zur Kommunion zugelassen werden.
„Typisch lateinamerikanische Perspektive“
Ausgangspunkt der Kritik von McGavin an der päpstlichen Enzyklika ist die „typisch lateinamerikanische Perspektive“, mit der Papst Franziskus auf den Menschen und die Umwelt schaue und damit auch auf Fragen wie Armut, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Da sei ein „Vorurteil“, so McGavin, das die rationale Analyse dieser Phänomene blockiere. In Folge seien auch die daraus gefolgerten Lösungsvorschläge unbrauchbar.
McGavin geht noch weiter: Die außergewöhnliche Fähigkeit von Papst Franziskus im zwischenmenschlichen Bereich Beziehungen zu knüpfen, verschleiere seine geringeren Fähigkeiten, geeignete Lösungen für Fragen globaler Natur, des Systems und der gesamten Menschheit zu benennen.
Die Kritik McGavins erfolgte kurz, nachdem am 6. Februar die zweite Videobotschaft mit „Gebetsmeinungen“ von Papst Franziskus veröffentlicht wurde. Wie in Laudato si forderte er darin erneut, es brauche als Antwort auf „die Beziehung zwischen der Armut und der Zerbrechlichkeit des Planeten“ eine „neue Lebensweise“ (im spanischen Original: einen „neuen Lebensstil“).
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Das Video des Papstes 2/Youtube/manlymaturity (Screenshot)