Franziskus zu Scalfari: „Bekehren Sie sich nicht“ – „Revolutionäre verstehen sich eben“


Eugenio Scalfari und Papst Franziskus: "Unter Revolutionären versteht man sich eben"?
Eugenio Scalfari und Papst Franziskus: "Unter Revolutionären versteht man sich eben"?

(Rom) Euge­nio Scal­fa­ri, der Grün­der und ehe­ma­li­ge Chef­re­dak­teur der Tages­zei­tung La Repubbli­ca, der ein­zi­gen Tages­zei­tung, die Papst Fran­zis­kus laut eige­ner Anga­be täg­lich liest, beharrt dar­auf: die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen wer­den wie­der zu den Sakra­men­ten zuge­las­sen wer­den. Dies schrieb der beken­nen­de Athe­ist aus einer Fami­lie mit alter frei­mau­re­ri­scher Tra­di­ti­on und Doy­en des lin­ken Jour­na­lis­mus in Ita­li­en am gest­ri­gen Sonn­tag in sei­ner Kolum­ne.

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Wegen eini­ger, höchst umstrit­te­ner Inter­views, die er mit Papst Fran­zis­kus füh­ren konn­te, schuf sich Scal­fa­ri den Nim­bus eines „lai­zi­sti­schen Freun­des des Pap­stes“ und sogar als „lai­zi­sti­sche Stim­me des Pap­stes“. Von der Titel­sei­te der Repubbli­ca ver­kün­de­te Scal­fa­ri, wie Papst Fran­zis­kus die Kir­che „ver­än­dern“ wol­le. „Papst Fran­zis­kus: So wer­de ich die Kir­che ver­än­dern“, lau­te­tet die Schlag­zei­le am 1. Okto­ber 2013, als das erste Scal­fa­ri-Inter­view mit dem Papst abge­druckt wurde.

Scalfaris Kolumne: „Wiederverheiratet Geschiedene werden zur Kommunion zugelassen werden“

Am 1. Novem­ber 2015 schrieb Scal­fa­ri weni­ge Tage nach dem Ende der hit­zig ver­lau­fe­nen Bischofs­syn­ode über die Fami­lie, der Papst habe ihn ange­ru­fen und ihm ange­kün­digt: „Alle wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen wer­den die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen kön­nen“. Dar­an knüpf­te sei­ne gest­ri­ge Kolum­ne an.

Dar­in nahm er unter ande­rem zur Hal­tung der Kir­che in der „Homo-Ehe“-Diskussion Stel­lung und erklär­te sei­ner Leser­schaft, war­um Papst Fran­zis­kus sein Pro­gramm nicht so schnell und noch nicht ganz durch­set­zen habe können:

„Natür­lich muß Fran­zis­kus, wie bereits in der syn­oda­len Dis­kus­si­on über das The­ma der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen gesche­hen, die die Wie­der­zu­las­sung zu den Sakra­men­ten wün­schen, (vor­über­ge­hen­de) Kom­pro­miß­lö­sun­gen suchen, um die Ein­heit der syn­oda­len Kir­che zu bewahren.

Der Kom­pro­miß zum The­ma der Sakra­men­te für die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen war, den Bischö­fen und den von ihnen beauf­trag­ten Beicht­vä­tern die Ent­schei­dung zu über­tra­gen, ob der Antrag­stel­ler wie­der ange­nom­men wer­den kann oder nicht. Auf die­se Wei­se wur­de die Tür der Wie­der­zu­las­sung zur Hälf­te geöff­net, Fall für Fall. Es ist aber jenen, die es wün­schen – soll­ten sie vom Beicht­va­ter ein nega­ti­ves Gut­ach­ten erhal­ten haben – immer mög­lich, nach einer gewis­sen Buß­zeit erneut einen Antrag zu stel­len, und es ist eben­so mög­lich, viel­mehr sogar sicher, daß die­ser zwei­te Antrag ange­nom­men wird.

In die­ser Pha­se – wie wir wis­sen – hat die Span­nung zwi­schen dem Papst und der Kurie ihr Maxi­mum erreicht, was bedeu­tet, daß Fran­zis­kus die größt­mög­li­che Mehr­heit des Epi­sko­pats zusam­men­hal­ten muß, die eine pasto­ra­le Akti­on bevor­zugt und auf die­se Wei­se die von Fran­zis­kus gewoll­te mis­sio­na­ri­sche Kir­che reprä­sen­tiert. Das erklärt umfas­send den Kom­pro­miß in Sachen Ehe und ein­ge­tra­ge­ne Partnerschaften.“

Soweit Scal­fa­ri in sei­ner Kolum­ne vom 24. Janu­ar, der sich als Athe­ist erstaun­lich detail­liert für die katho­li­sche Kir­che, deren Sakra­men­te und sogar den Zugang zu die­sen interessiert.

Ambivalente Haltung des Vatikans: halbherzige Dementi

Scal­fa­ri bedient das Kli­schee des „guten“ Pap­stes, der von einer „bösen“ Kurie dar­an gehin­dert wer­de, sein Regie­rungs­pro­gramm umzu­set­zen, weil er Rück­sich­ten neh­men müs­se, um die Ein­heit der Kir­che nicht zu gefähr­den. Scal­fa­ri erklärt damit dem Publi­kum, daß auch in der Kir­che erst ein­mal Mehr­hei­ten gefun­den wer­den müß­ten und nur schritt­wei­se vor­ge­gan­gen wer­den kön­ne. Zudem fällt sei­ne Beto­nung der „syn­oda­len Kir­che“ auf, die er als neue Kir­che signalisiert.

Papst Fran­zis­kus gewähr­te Scal­fa­ri meh­re­re Gesprä­che, deren Inhalt vom La Repubbli­ca-Grün­der nach eige­nen Anga­ben frei wie­der­ge­ge­ben wur­de. Seit­her ist die Rede von einem „Scal­fa­ri-Lehr­amt“. Die Reak­tio­nen dar­auf waren ambi­va­lent. Einer­seits demen­tier­te das Pres­se­amt des Vati­kans jeweils anschlie­ßend den Inhalt, ohne eine wirk­li­che Klä­rung her­bei­zu­füh­ren. Ande­rer­seits hält Papst Fran­zis­kus an den Gesprä­chen fest. Die umstrit­te­nen Inter­views wur­den sogar in einen Sam­mel­band mit Papst-Inter­views auf­ge­nom­men und vom Vati­kan­ver­lag ver­öf­fent­licht. Eine ernst­haf­te Distan­zie­rung sieht anders aus.

Scalfaris Anekdoten  und Begninis: „Unter Revolutionären versteht man sich eben“

Euge­nio Scal­fa­ri genießt es unter­des­sen, ein „aus­ge­zeich­ne­tes fee­ling“ zum Papst zu haben, wie es beim 40. Grün­dungs­fest von La Repubbli­ca hieß, das am ver­gan­ge­nen 14. Janu­ar gefei­ert wur­de. Bei die­ser Gele­gen­heit erzähl­te Scal­fa­ri, daß ihn Papst Fran­zis­kus gebe­ten habe, sich „nicht zu bekeh­ren“, denn, so der Papst, er wüß­te sonst nicht, wo er dann einen ande­ren Ungläu­bi­gen wie ihn fän­de, mit dem er reden kön­ne, um neu­en Ansporn zu bekom­men. „Belu­stig­tes und applau­die­ren­des Publi­kum“, beschrieb La Noti­zia die Szene.

Scal­fa­ri saß bei der Vor­stel­lung des Gesprächs­bu­ches von Andre­as Tor­ni­el­li und Papst Fran­zis­kus im Vati­kan als Ehren­gast in der ersten Rei­he. Die Prä­sen­ta­ti­on erfolg­te durch den in Ita­li­en über­aus belieb­ten Schau­spie­ler und Komi­ker Rober­to Benig­ni, was maxi­ma­le Ein­schalt­quo­ten und Sym­pa­thie sicher­te. Begnini sag­te, in sei­ner gewohnt bur­les­ken Vor­trags­wei­se, daß ihm „die­ser Papst gefällt, aber sehr sehr “ sogar und man über die­sen Papst „nicht auf maß­vol­le Art gut spre­chen kann: ent­we­der man redet gut über ihn oder gar nicht“. Papst Fran­zis­kus „ist ein Revo­lu­tio­när, wie ihn Euge­nio Scal­fa­ri genannt hat, der auch ein Revo­lu­tio­när ist. Unter Revo­lu­tio­nä­ren ver­steht man sich eben“, so Begnini.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: UCCR
Video: La Repubbli­ca (mit Wer­be­vor­spann, der nicht aus­ge­schal­tet wer­den kann)

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