Türkische Armee bombardiert Christendorf im Nordirak – Christen auf der Flucht


Türkische Armee bombardierte Christendorf im Nordirak
Türkische Armee bombardierte Christendorf im Nordirak

(Damaskus/​Ankara) In der Nacht auf den 17. Janu­ar bom­bar­dier­te die tür­ki­sche Luft­waf­fe den granz­na­hen Ort Sha­ra­nish im kur­di­schen Nord­irak. Sha­ra­nish wird vor­wie­gend von chaldäi­schen und assy­ri­schen Chri­sten bewohnt. Die Chri­sten befin­den sich seit­her auf der Flucht. Mit­ten in der Nacht muß­ten sie wegen des tür­ki­schen Bom­ben­an­griffs, bei eisi­gen Tem­pe­ra­tu­ren in die 25 Kilo­me­ter ent­fern­te Stadt Zaxo flüchten.

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Die Nach­richt wur­de durch das chaldäi­sche Patri­ar­chat bekannt, das den tür­ki­schen Mili­tär­an­griff scharf ver­ur­teil­te. Der zer­stö­re­ri­sche Angriff auf das Chri­sten­dorf sei „nicht zu rechtfertigen“.

Die Tür­kei bekämpft offi­zi­ell im Irak und in Syri­en die die Ter­ror-Miliz Isla­mi­scher Staat (IS), in Wirk­lich­keit aber vor allem die kur­di­sche Arbei­ter­par­tei PKK. Kri­ti­ker wer­fen der Tür­kei vor, den Kampf gegen die Dschi­ha­di­sten zum „Vor­wand“ zu neh­men, um einen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Feld­zug gegen das kur­di­sche Volk in den Nach­bar­staa­ten zu führen.

Das chaldäi­sche Patri­ar­chat for­der­te inzwi­schen die auto­no­me kur­di­sche Regie­rung des Nord­iraks auf, „ange­mes­se­ne Maß­nah­men zum Schutz der Bür­ger“ zu ergrei­fen. Lou­is Raphaà«l I. Sako, der Patri­arch von Baby­lon und Ober­haupt der mit Rom unier­ten chaldäi­schen Kir­che, stammt aus Zaxo.

Das schwierige Los der Christen im Nahen Osten

Wie der päpst­li­che Nach­rich­ten­dienst Fides berich­te­te, war das Chri­sten­dorf in den 1980er Jah­ren von der ira­ki­schen Armee zer­stört wor­den. Auch damals im Zuge einer anti-kur­di­schen Mili­tär­ope­ra­ti­on. Die Chri­sten kehr­ten zurück und bau­ten den Ort wie­der auf. Grund für die Rück­kehr war die zuneh­men­de Chri­sten­ver­fol­gung in Bag­dad und Mosul.

Seit 2014 leben auch meh­re­re Dut­zend christ­li­cher Fami­li­en aus der Nini­ve-Ebe­ne im Ort, die vor dem Erobe­rungs­feld­zug des Isla­mi­schen Staa­tes (IS) dort­hin geflo­hen waren. Doch auch in Saha­ra­nish sind sie nicht sicher.

Im ver­gan­ge­nen Herbst waren die Chri­sten­dör­fer der Gegend unfrei­wil­li­ger Schau­platz von Kämp­fen zwi­schen der kur­di­schen Armee und ande­ren Kur­den­ver­bän­den. Nun ist es die tür­ki­sche Armee, von der die Chri­sten aus Saha­ra­nish ver­trie­ben wurden.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Türme des Klo­sters Mor Gabri­el in der Süd­tür­kei, 130 nord­west­lich von Zaxo

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11 Kommentare

  1. Ein­mal mehr beweist die tür­ki­sche Regie­rung ihre Sym­pa­tie gegen­über dem IS. Das
    ist kein Zufall, denn der mus­li­mi­sche Staat sieht ins­ge­heim in den Chri­sten einen
    Feind. Alle Beteue­run­gen, in Bezug auf die EU-Mit­glied­schaft sind nur Makulatur.
    Die Chri­sten in der von Krieg gebeu­tel­ten Regi­on Nord­irak, müs­sen zu guter letzt
    vor den Angrif­fen der Tür­kei flie­hen. Das alles zeigt die Hal­tung eines unkalkulie
    ren­den Staa­tes, der ger­ne die Mil­li­ar­den Euro von der EU für die Flücht­lin­ge nimmt,
    aber in Sachen Men­schen­rech­te nicht zu bewe­gen ist.

    • Nach so einer Akti­on gehö­ren der Tür­kei jeg­li­che Gel­der von der EU gestri­chen. Doch in den hie­si­gen Nach­rich­ten taucht eine sol­che Mel­dung höch­stens als Rand­no­tiz auf. Euro­pa ist in einem jäm­mer­li­chen Zustand!

  2. In der Tür­kei selbst wird unter dem „Kali­fen“ Erdo­gan mäch­tig Stim­mung gegen die Chri­sten gemacht. O‑Ton Erdo­gan vor drei Jah­ren anl. einer Eröff­nung einer Auto­bahn­brücke (!) am Bosporus:
    -
    „Die Herr­schaft der Chri­sten über Byzanz ist ein dunk­les Kapitel.
    [.…]
    Mit der Erobe­rung von Kon­stan­ti­no­pel im 15. Jahr­hun­dert haben die mus­li­mi­schen Osma­nen ein Zeit­al­ter der Erleuch­tung eingeleitet.“
    -

    Daher soll also die­se „Erleuch­tung“ auch den noch im Nird­irak ver­blie­be­nen Chri­sten gleich­sam ein­ge­bombt wer­den. Damit sich auch dort das Reich der Fin­ster­nis aus­brei­te und so der Irak ins­ge­samt zu einem „chri­sten­frei­en Gebiet“ werde.
    O‑Ton Erdogan:
    -
    „Die Moscheen sind unse­re Kaser­nen, die Zita­del­len sind unse­re Bajo­net­te, die Mus­li­me sind unse­re Soldaten.“
    -

  3. Die tür­ki­sche Repu­blik kehrt nur zu ihren ideo­lo­gi­schen Grund­la­gen zurück. Man muss dar­an erin­nern, das das unter­ge­hen­de osma­ni­sche Reich ab 1915 ein Völ­ker­mord an sei­nen christ­li­chen Min­der­hei­ten, Arme­ni­er und Assy­rer, über 1,5 Mil­lio­nen Men­schen 20% der dama­li­gen Bevöl­ke­rung Klein­asi­ens ver­übt hat. Haupt­draht­zie­her die­ses Völ­ker­mor­des war die Par­tei der Jung­tür­ken unter einem Tri­um­vi­rat aus Tala­at Pascha, Enver Pascha und Dja­mal Pascha. Der eigent­li­che Chef­ideo­lo­ge des Völ­ker­mor­des war eigent­lich ein im heu­te grie­chi­chen Salo­ni­ki gebo­re­nen Arzt Dr.Nazim Bey, der aus einer vom Juden­tum zum Islam über­ge­tre­te­nen Fami­lie stamm­te. Im ersten Bal­kan­krieg 1912 hat­ten die Grie­chen Salo­ni­ki besetzt und Dr.Nazim als tür­ki­scher Natio­na­list gefol­tert. In die Tür­kei über­ge­stellt schwor Dr.Nazim den in der Tür­kei ver­blie­be­nen Chri­sten blu­ti­ge Rache. In Kon­fe­ren­zen ver­glich er die Chri­sten mit einer Krebs­er­kran­kung die man „bis zur letz­ten Zel­le“ aus­mer­zen muss­te. Der erste Welt­krieg soll­te den Plan ermög­li­chen. Die Chri­sten wur­den fälsch­li­cher­wei­se der Kol­la­bo­ra­ti­on mit den West­mäch­ten und den Rus­sen den Kriegs­geg­nern beschul­digt. Arme­ni­sche Män­ner wur­den mas­sen­haft ent­haup­tet, die Frau­en und Kin­der auf Todes­mär­che nach Syri­en geschickt, wobei sie ver­ge­wal­tigt und gekreu­zigt wur­den. End­sta­ti­on waren Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger in der syri­schen Wüste wie bei­spiel­wei­se in Deir-Al-Zor, das heu­te wie­der im Mit­tel­punkt des Kampf­ge­sche­hens steht. Deir-Al-Zor spielt in etwa im Arme­ni­schen Geden­ken die Rol­le Ausch­witz bei den Juden. Es ist inter­es­sant zu wis­sen, dass die grie­chi­schen Chri­sten vor­erst vom Völ­ker­mord aus­ge­spart blie­ben, das hat­te aber ledig­lich poli­ti­sche Oppor­tu­ni­täts­grün­de. Grie­schen­land war 1915 im ersten Welt­krieg noch neu­tral, gross­an­ge­leg­te Mas­sa­ker an den Grie­chen zum dama­li­gen Zeit­punk­te hät­ten den West­mäch­ten einen zusätz­li­chen Ver­bün­de­ten gegen die Tür­kei ver­schafft. Dage­gen trat 1917 Grie­chen­land in den Krieg gegen die Tür­kei, Bul­ga­ri­en, Öster­reich und Deutsch­land auf Sei­ten der Entente ein, das been­de­te die Schon­frist für die in der Tür­kei leben­den Grie­chen. Im ersten Welt­krieg war der spä­te­re Grün­der der tür­ki­schen Repu­blik Kemal Ata­türk, von den jung­tür­ki­schen Füh­rern kalt­ge­stellt wor­den, da er ihre Kriegs­füh­rung ablehnte.
    Nach der Kapi­tu­la­ti­on der Tür­kei Ende 1918 lehn­te er aller­dings die Frie­dens­be­din­gun­gen der Entente ab und über­nahm die Füh­rung eines Natio­nal­auf­stands. Die Grie­chen in der Tür­kei, die sich einen Anschluss an Grie­chen­land erwünscht hät­ten wur­den dar­auf­hin eben­falls Opfer eines Völ­ker­mords durch Ata­türks Trup­pen. Annä­hernd 500.000 ver­lo­ren dabei ihr Leben, eine wei­te­re Mil­li­on muss­te nach Grie­chen­land flie­hen um ihr Leben zu ret­ten. Umge­kehrt muss­ten 500.000 in Grie­chen­land leben­den Tür­ken in die Tür­kei umsie­deln. Der heu­ti­ge stra­te­gi­sche Part­ner der NATO und Ange­la Mer­kels, die Tür­kei ver­dankt somit ihre Staats­grün­dung einem dop­pel­ten und drei­fa­chen Völ­ker­mord an Chri­sten. Es ist daher heu­te noch tür­ki­sche Staats­rä­son die­se Völ­ker­mor­de zu leug­nen. Als ob Nazi­deutsch­land 1945 über­lebt hät­te und heu­te den Völ­ker­mord an den Juden leug­nen wür­de. Daher ist die­se Bom­bar­die­rung christ­li­cher Dör­fer in Syri­en kei­nes­wegs erstaun­lich. Das ist der Fluch der bösen Tat. Die moder­ne Tür­kei kann eben ihre Grün­dungs­ge­schich­te nicht überwinden.

    • Die tür­ki­sche Repu­blik geht aber doch auf Ata­türk zurück und nicht auf die Jungtürken.

      „Im ersten Welt­krieg war der spä­te­re Grün­der der tür­ki­schen Repu­blik Kemal Ata­türk, von den jung­tür­ki­schen Füh­rern kalt­ge­stellt wor­den, da er ihre Kriegs­füh­rung ablehnte.“

      Die Leug­nung der eige­nen Schan­de dürf­te all­ge­mei­ne Hal­tung jeder Gemein­schaft sein, ins­be­son­de­re dann, wenn sie sich als Staat aus­drück­lich über­haupt erst auf der Basis der „tür­ki­schen“ Nati­on gründet.

      Schwie­ri­ges Kapi­tel – Erdo­gan jeden­falls steht zu gro­ßen Tei­len ideo­lo­gisch nicht mehr in der Tra­di­ti­on Atatürks.

      Hier koli­diert libe­ra­ler Natio­na­lis­mus mit

      • @Zeitschnur,
        Musta­pha Kemal Ata­türk war sel­ber ein Mit­glied der Jung­tür­ken des „Kom­mit­te Ein­heit und Fort­schritt“. Nach den Bal­kan­krie­gen 1912 und 1913 über­warf er sich mit den Jung­tür­ki­schen Füh­rern um Talat und Enver, über­wie­gend in der Fra­ge des spä­te­ren Kriegs­bünd­nis­ses mit Deutsch­land. Den­noch kämpf­te er im Ersten Welt­krieg an der Sei­te Deutsch­lands, unter Ande­rem in Gallipo­li. An und für sich waren die Jüng­tür­ken eine repu­bli­ka­ni­sche Bewe­gung, die sich auf das Erbe der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on berief. 1909 hat­ten sie den Sul­tan Abdel­ha­mid II gestürzt. Aller­dings gin­gen sie nicht so weit vor 1914 eine Repu­blik aus­zu­ru­fen, sie woll­ten mit dem Sul­ta­nat irgend­wie den Islam in ihre Bewe­gung ein­bin­den. Das wur­de durch Ata­türk nach 1919 nachgeholt.

      • Die Jung­tür­ken woll­ten v.a, dass wie­der eine Ver­fas­sung ein­ge­setzt wird und dach­ten erst mal nicht dran, den Sul­tan zu stür­zen, son­dern sie woll­ten eine kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie wie etwa im Deut­schen Reich. Schon seit der Mit­te des 19. Jh hat das Osm. Reich im Grun­de sei­ne „Viel­völ­ker­an­sprü­che“ ein­ge­büt oder nur noch bröckelnd der for­mell, einen Teil hat­ten sich die Fran­zo­sen ein­ver­leibt, einen teil die Bri­ten, teilw­wei­se haben die Völ­ker die ver­hass­te Tür­ken­herr­schaft selbst abge­wor­fen. Teil­wei­se unter­stütz­te Russ­land die auto­no­men Bewegungen.
        In Deutsch­land sprach man vom „kran­ken Mann am Bosporus“.

        Aber was ich oben mein­te, viel­leicht nicht klar genug aus­ge­drückt hatte:

        Die­se jung­tür­ki­sche Bewe­gung war so wie alle ande­ren euro­päi­schen Ver­fas­sungs­be­we­gun­gen natio­na­li­stisch. Um mit dem unse­li­gen Abso­lu­tis­mus fer­tig zu wer­den, bedurf­te es eines ande­ren Inte­gra­ti­ons­ob­jek­tes neben dem Mon­ar­chen, und das war das „Volk“, die „Nati­on“.

        Dass die­ses Kon­strukt der „Nati­on“ qua­si mit der glei­chen mora­li­schen Unan­tast­bar­keit, die sich zuvor die Mon­ar­chen ange­maßt hat­ten, ver­se­hen wur­de, liegt in der Logik des Perspektivwechsels: 

        Man durf­te die Sün­den und die Schan­de der „Nati­on“ nicht mehr thematisieren!

        Das ist die Hal­tung der Tür­ken bis heu­te. In Deutsch­land nennt man das ger­ne „Nest­be­schmut­zer“, wir ken­nen die­se Hal­tung also auch.
        Aller­dings fin­de ich immer noch, dass Deutsch­land die Grö­ße hat­te, sich mit sei­ner Schan­de aus­ein­an­der­zu­set­zen und von daher unter den Euro­pä­ern am wenig­sten ver­dient hät­te, geschla­gen zu wer­den. Sol­che Selbst­kri­tik müss­te man noch zum ersten Mal von den Fran­zo­sen, Eng­län­dern oder Rus­sen hören!

  4. Kur­di­sche Poli­ti­ker haben die­ser Tage den schwe­ren Vor­wurf erhe­ben, dass Erdo­gan der eigent­li­che Füh­rer des „Isla­mi­schen Staats“ sei.

    • Das mag sein. Trotz­dem ist es rat­sam sich nicht mit Sache der Kur­den, deren Rin­gen vom westl. Main­stream der­art gefei­ert wird, gemein zu machen. Auch dort gibt es mas­sen­wei­se Isla­mi­sten (man sieht es auch in der europ. Dia­spo­ra) und auch Kom­mu­ni­sten. Nicht ver­wun­der­lich, wenn die­se sel­ber eini­ges in Schil­de füh­ren und mit gewis­ser Inten­ti­on nun westl. Pro­tek­ti­on suchen.

      • Dar­in haben Sie sicher recht. Die mili­tä­ri­sche Alli­anz assy­ri­scher Chri­sten mit Kur­den, die ja doch meist sun­ni­ti­sche Mos­lems sind, neben Ale­vi­ten und Jesi­den, erscheint mir dar­um zweifelhaft.

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