Papst Franziskus, Francesca Chaouqui und Medjugorje – Interview mit Substitut Angelo Becciu


Substitut Angelo Becciu im Gespräch über Vatileaks 2, Papst Franziskus, Francesca Chaouqui und Medjugorje
Substitut Angelo Becciu im Gespräch über Vatileaks 2, Papst Franziskus, Francesca Chaouqui und Medjugorje

(Rom) Kuri­en­erz­bi­schof Ange­lo Becciu ist als Sub­sti­tut die Num­mer Drei des vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­ats. Er lei­tet die Abtei­lung All­ge­mei­ne Ange­le­gen­hei­ten, der die diplo­ma­ti­schen Ver­tre­tun­gen des Hei­li­gen Stuhls unter­ste­hen und von der die diplo­ma­ti­schen Ver­hand­lun­gen mit den Staa­ten geführt wer­den. Erz­bi­schof Becciu gewähr­te der ita­lie­ni­schen Wochen­zeit­schrift Pan­ora­ma ein Inter­view, das in der Aus­ga­be vom 20. Janu­ar erschei­nen wird. Schwer­punkt des Inter­views sind Fra­gen zu Vati­leaks 2 und den getrof­fe­nen Gegen­maß­nah­men, über Papst Fran­zis­kus, Msgr. Val­le­jo Bal­da, Fran­ce­s­ca Chaou­qui, das Opus Dei und Med­jug­or­je. Das Inter­view führ­te Ste­fa­no Lorenzetto.

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Pan­ora­ma: 2012 der Skan­dal der Vatik­an­bank, jetzt COSEA, die Kom­mis­si­on, die die öko­no­misch-admi­ni­stra­ti­ven Struk­tu­ren des Hei­li­gen Stuhls neu orga­ni­sie­ren soll­te. Der Ein­druck ist, daß Kar­di­nä­le und Prä­la­ten die Spen­den der Gläu­bi­gen für pri­va­te Zwecke nüt­zen. Ange­fan­gen beim Petrus-Pfen­nig, der von Ihnen abhängt.

Erz­bi­schof Becciu: Ich bedaue­re, wenn das drau­ßen so scheint. Ich kann ver­si­chern, daß das ein völ­lig ver­zerr­tes Bild ist. Die Jour­na­li­sten soll­ten genau­er sein und sagen, daß der Obo­lus für eine Viel­zahl von Bedürf­nis­sen der Welt­kir­che dient, nicht nur für Wer­ke der Näch­sten­lie­be zugun­sten der Bedürf­tig­sten. Nie­mand betrügt die Gläu­bi­gen, wenn ihre Almo­sen dazu ver­wen­det wer­den, kirch­li­che Ein­rich­tun­gen zu unter­stüt­zen. Das ist eine alte Praxis.

Pan­ora­ma: Nuz­zi behaup­tet, daß „nur zwei von zehn Euro den Armen zugu­te kommen“.

Erz­bi­schof Becciu: Erst vor weni­gen Tagen erin­ner­te mich Bene­dikt XVI. dar­an, wie er als Kind am 29. Juni, dem Fest der Hei­li­gen Petrus und Pau­lus, den Obu­lus in der Über­zeu­gung spen­de­te, daß der Papst das Geld nach sei­nem Dafür­hal­ten ver­wen­den kann. Das ist die Gewiß­heit der Gläu­bi­gen der gan­zen Welt, wenn sie dem Hei­li­gen Vater spen­den. Wol­len wir die für die Armen­für­sor­ge bestimm­te Quo­te von zwei auf sechs Euro erhö­hen? Von 4.000 Ange­stell­ten müß­ten wir sofort 400 ent­las­sen. Wir zie­hen es vor, der ita­lie­ni­schen Regie­rung nicht die­se zusätz­li­che Last auf­zu­bür­den und hal­ten uns an die Emp­feh­lun­gen von Papst Fran­zis­kus: „Refor­miert, aber schaut, daß nie­mand arbeits­los wird.“

Pan­ora­ma: Es wird der Vor­wurf gemacht, die Löcher der Römi­schen Kurie mit dem Petrus-Pfen­nig zu stopfen.

Erz­bi­schof Becciu: Der Haus­halt ist öffent­lich, vom Hei­li­gen Vater und dem Kar­di­nals­rat appro­biert. Dar­in kann man lesen, wie wir ihn ver­wen­den, auch um das Defi­zit von Radio Vati­kan oder dem Osser­va­to­re Roma­no zu decken und die Apo­sto­li­schen Nun­tia­tu­ren zu erhal­ten, also die diplo­ma­ti­schen Ver­tre­tun­gen des Hei­li­gen Stuhls, die unter ande­rem einen indi­rek­ten Dienst für die Armen lei­sten. Über sie läßt der Papst sei­ne Hil­fe der Bevöl­ke­rung zukom­men, die von Natur­ka­ta­stro­phen betrof­fen ist und über sie erfolgt die jähr­li­che Ver­tei­lung der finan­zi­el­len Unter­stüt­zung für die Missionskirchen.

Pan­ora­ma: Nuz­zi schreibt in Via Cru­cis, daß „das Staats­se­kre­ta­ri­at eine nega­ti­ve und auch kon­fu­se Finanz­si­tua­ti­on aufweist“.

Erz­bi­schof Becciu: Die Situa­ti­on ist trans­pa­rent und Sei­ner Hei­lig­keit genau bekannt.

Pan­ora­ma: Er behaup­tet, daß bei der Vatik­an­bank noch Kon­ten offen sind, die auf Paul VI. und Johan­nes Paul I. lau­ten, und fragt sich, war­um sie nicht längst geschlos­sen wur­den, und ob es Geld­be­we­gun­gen dar­auf gibt, und sagt abschlie­ßend, der Sub­sti­tut habe nie dar­auf geantwortet.

Erz­bi­schof Becciu: Ich? Sie sind der erste Jour­na­list, der mich dazu etwas fragt. Wenn ich mich nicht irre, han­del­te es sich um Bestän­de, die nie ver­wen­det wur­den und auf die man erst im Zuge der IOR-Neu­or­ga­ni­sa­ti­on auf­merk­sam wurde.

Kurienerzbischof Becciu während des Fluges bei einer Papst-Reise
Kuri­en­erz­bi­schof Becciu wäh­rend des Flu­ges bei einer Papst-Reise

Pan­ora­ma: Nuz­zi schreibt auf Face­book: „5846 Vatikan­bür­ger haben das Recht mit einem Aus­weis ein­zu­kau­fen, ohne eine Mehr­wert­steu­er zu bezah­len. Wie kann es dann sein, daß es 41.000 sol­cher Aus­wei­se gibt?“

Erz­bi­schof Becciu: Das ist mög­lich, weil sehr vie­le von ihnen ein­fach nur Erken­nungs­aus­wei­se sind und nicht Ein­kaufs­aus­wei­se. Aber las­sen Sie mich sagen: Es hät­ten statt 41.000 auch drei Mil­lio­nen sein kön­nen, so vie­le wie Rom Ein­woh­ner hat, sprich unbe­grenzt. Haben Sie zufäl­lig Kennt­nis davon, daß die Men­schen in San Mari­no, im Für­sten­tum Andor­ra oder im Kan­ton Tes­sin einen Aus­weis brau­chen, um Zutritt zu die­sen Län­dern zu erhal­ten? Die Aus­ga­be von Zugangs­be­rech­ti­gun­gen zum Vati­kan stellt kei­ne Begün­sti­gung dar, son­dern eine Form von Kon­trol­le, wer das Staats­ge­biet betritt. Der Aus­weis ist daher eine Ein­schrän­kung, die der Vati­kan­staat jenen auf­er­legt, die ihn betre­ten und dort Ein­käu­fe täti­gen wol­len. Sie wer­den mir zustim­men, daß das zu sei­nen Lasten geschieht, von wegen Steuerhinterziehung!

Pan­ora­ma: Wer sind aber die Inha­ber der Ausweise?

Erz­bi­schof Becciu: Neben den Staats­bür­gern, das sind weni­ger als 500 Per­so­nen, ver­fü­gen die Ange­stell­ten und pen­sio­nier­ten Ange­stell­ten und die von ihnen dele­gier­ten Per­so­nen, also deren Ehe­frau­en über einen sol­chen Aus­weis. Dann das Diplo­ma­ti­sche Corps, die reli­giö­sen Orden, das Vika­ri­at von Rom, das Kran­ken­haus Bam­bin Gesà¹, die Patri­ar­chal­ba­si­li­ken, die Pfar­rer und Vize-Pfar­rer von Rom und der Pro­vinz, die päpst­li­chen Uni­ver­si­tä­ten und ande­re kirch­li­che Ein­rich­tun­gen, kurz­um alle, die beruf­lich und in ihrer Tätig­keit mit dem Vati­kan zu tun haben.

Pan­ora­ma: Wel­chen Ein­druck haben Sie beim Lesen der Bücher von Nuz­zi und Fit­ti­pal­di gewonnen?

Erz­bi­schof Becciu: Die ver­öf­fent­li­chen Doku­men­te waren mir bereits bekannt. Mir gefällt nicht die Hal­tung der Autoren, als wären sie mit einer gött­li­chen Mis­si­on beauf­tragt zur Ret­tung der Kir­che. Papst Fran­zis­kus hat es mit aller Klar­heit beim Ange­lus drei Tage nach der Ver­öf­fent­li­chung ihrer Bücher gesagt: Doku­men­te steh­len ist eine Straf­tat, eine ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ge Tat, die nicht hilft. Schon gar nicht, weil sie längst bekannt waren.

Pan­ora­ma: Und den­noch spre­chen wir hier darüber.

Erz­bi­schof Becciu: Ich will in die­ser Sache ganz klar sein: Es steht nicht das Recht der Jour­na­li­sten zur Dis­kus­si­on, die Noti­zen zu ver­öf­fent­li­chen, in deren Besitz sie gelan­gen. Die Zwei­fel betref­fen die Art, mit der sie die­se Noti­zen beschafft haben. Dazu ist ein Gerichts­pro­zeß im Gan­ge, der das klä­ren wird. Jeden­falls fra­ge ich mich: War­um sind die Quel­len sei­ner bei­den Bücher, die Herr Nuz­zi geschrie­ben hat, immer im Gefäng­nis gelan­det? Mir scheint das kein Ver­dienst zu sein. Und was wäre aus dem Kam­mer­die­ner Pao­lo Gabrie­le gewor­den, der ihm 2012 die dem Papst gestoh­le­nen Doku­men­te wei­ter­reich­te, die im Buch „Sei­ne Hei­lig­keit“ abge­druckt wur­den? Mir ist nicht bekannt, daß sich Nuz­zi um des­sen Schick­sal gesorgt hät­te. Der ein­zi­ge, der das tat, war Bene­dikt XVI., der ihn mit größ­ter Güte begna­dig­te und uns anfleh­te: „Wenn man ihn wirk­lich ent­las­sen muß, tut es. Aber fin­det ihm eine ande­re Arbeit. Ich will nicht, daß sei­ne Kin­der lei­den müssen.“

Pan­ora­ma: Wenn Sie ein Gale­rist wären und ich Ihnen ein Bild bräch­te und sagen wür­de, daß es dem recht­mä­ßi­gen Besit­zer weg­ge­nom­men wur­de, wür­den Sie es dann zum Ver­kauf anbieten?

Erz­bi­schof Becciu: Das wür­de mir das Kind, das in mir noch leben­dig ist, ver­bie­ten. Ich erin­ne­re mich, eines Tages tri­um­phie­rend mit einem Stift nach Hau­se gekom­men zu sein. Mei­ne Mut­ter brach­te mich an einem Ohr zie­hend in den Kin­der­gar­ten zurück: „Sag, wem Du ihn genom­men hast und gib ihn zurück“. Wenn ich also ein Gale­rist wäre, wür­de ich es nicht zum Ver­kauf anbie­ten. Und wenn ein Gale­rist zu mir käme, um zu beich­ten und sich die­ser Sün­de beschul­di­gen wür­de, wür­de ich ihm die Abso­lu­ti­on nur ertei­len, nach­dem er das Die­bes­gut zurück­ge­ge­ben hat. Doch jen­seits der Meta­pher: Ich hät­te nie etwas ver­wen­det, das dem Papst gestoh­len wur­de. Wenn aber Geld zum Maß­stab aller Din­ge wird, dann kön­nen wir uns alle frei­ge­spro­chen füh­len. Dann soll­ten wir aber gefäl­ligst auf­hö­ren, Ethik und Pres­se­frei­heit ins Spiel zu bringen.

Pan­ora­ma: Nam­haf­te Beob­ach­ter hat­ten pro­gno­sti­ziert, daß der Pro­zeß gegen Msgr. Lucio Angel Val­le­jo Bal­da und Fran­ce­s­ca Chaou­qui, den Sekre­tär und ein Mit­glied der COSEA, die beschul­digt sind, eine „orga­ni­sier­te kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung“ gebil­det zu haben, noch vor Beginn des Hei­li­gen Jah­res der Barm­her­zig­keit enden wür­de, viel­leicht mit einem Indult. Man hat hin­ge­gen den Ein­druck, daß der Vati­kan ihn in die Län­ge zieht. Hat ihn der Medi­en­rum­mel erschreckt?

Erz­bi­schof Becciu: Mit­nich­ten. Der Wunsch war der, das Hei­li­ge Jahr nicht zu stö­ren. Der Gerichts­prä­si­dent woll­te jedoch die Ermitt­lun­gen ver­tie­fen und der Ver­tei­di­gung der bei­den Ange­klag­ten mehr Zeit ein­räu­men, die zusam­men mit ihrem Mit­ar­bei­ter Nico­la Maio und den Jour­na­li­sten Nuz­zi und Fit­ti­pal­di ange­klagt sind, sich unrecht­mä­ßig Doku­men­te ver­schafft zu haben, die grund­le­gen­de Inter­es­sen des Hei­li­gen Stuhls betreffen.

Pan­ora­ma: Macht es aber Sinn, zwei Chro­ni­sten im Vati­kan den Pro­zeß zu machen, die in der Aus­übung ihres Berufs den Geset­zen des ita­lie­ni­schen Staa­tes folgen?

Erz­bi­schof Becciu: Damit Sie mich rich­tig ver­ste­hen: Wir sind Nuz­zi und Fit­ti­pal­di dank­bar, daß sie sich frei­wil­lig dem Urteil stel­len. Sie wären nicht gezwun­gen, dies zu tun.

Substitut Becciu mit Italiens Ministerpräsident Enrico Letta (2014)
Sub­sti­tut Becciu mit Ita­li­ens Mini­ster­prä­si­dent Enri­co Let­ta (2014)

Pan­ora­ma: Wer und war­um hat Papst Fran­zis­kus die Namen von Val­le­jo Bal­da und Chaou­qui empfohlen?

Erz­bi­schof Becciu: Das weiß ich nicht. Mit dem gera­de neu­ge­wähl­ten Papst gab es einen star­ken Drang, auch die Ernen­nungs­pro­ze­du­ren zu erneu­ern. Der Ver­rat der bei­den war eine Ohr­fei­ge für den Hei­li­gen Vater. Sie hat­ten auf das Evan­ge­li­um geschwo­ren, nie­mand nichts von dem mit­zu­tei­len, was sie wäh­rend der Erfül­lung ihrer Auf­ga­be sehen, hören oder lesen würden.

Pan­ora­ma: Doch der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster hat­te bereits im Juli 2013 gewarnt: „Es ist zu erwar­ten, daß Fran­ce­s­ca Chao­qui dem Vati­kan noch Kopf­zer­bre­chen berei­ten wird ange­sichts der Indis­kre­tio­nen, die dank ihr auf [der Ent­hül­lungs­sei­te] Dagos­pia erschei­nen, deren eif­ri­ge Infor­man­tin sie ist was Klatsch und Gif­ten an der Kurie betrifft.“

Erz­bi­schof Becciu: Der Hei­li­ge Vater hat aner­kannt, daß ein Feh­ler gemacht wur­de. Mehr sage ich nicht dazu.

Pan­ora­ma: Bevor ein Mit­ar­bei­ter ins Haus geholt wird, bei wem wer­den Infor­ma­tio­nen eingeholt?

Erz­bi­schof Becciu: Bei den Bischö­fen und Pfarrern.

Pan­ora­ma: Sie soll­ten sich auch an die Cara­bi­nie­ri wenden.

Erz­bi­schof Becciu: Ich weiß nicht, ob die Pfar­rer die­se Not­wen­dig­keit sehen.

Pan­ora­ma: Chaou­qui hat der [Tages­zei­tung] La Stam­pa erklärt, daß sie „wegen eines schä­bi­gen Macht­kamp­fes in Schwie­rig­kei­ten“ sei und daß vie­le im Vati­kan „hof­fen, daß Papst Berg­o­glio von einem Tag auf den ande­ren stirbt.“

Erz­bi­schof Becciu: Einen sol­chen Unsinn kom­men­tie­re ist nicht.

Pan­ora­ma: Glau­ben Sie nicht, daß die Dis­kre­di­tie­rung der Kir­che Teil eines Pla­nes ist, um sie ihrer wirt­schaft­li­chen Unab­hän­gig­keit zu berau­ben? Das ist schon ein­mal durch die Savoy­er gesche­hen, man den­ke an die Sic­car­di-Geset­ze von 1850.

Erz­bi­schof Becciu: Alles kann gesche­hen. Ich bin Ver­schwö­rungs­theo­rien abge­neigt. Aller­dings muß ich mit Ent­schie­den­heit wie­der­ho­len, daß wir kein Hau­fen von Kor­rup­ten und Unfä­hi­gen sind. Die COSEA hat neben posi­ti­ven Aspek­ten auch eini­ges Krum­mes sicht­bar gemacht. Gegen ver­ein­zel­te Fäl­le beim IOR und der APSA wur­den die not­wen­di­gen Gegen­maß­nah­men ergrif­fen. Der Papst hat eine Reform ein­ge­lei­tet, indem er ein Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at errich­tet hat. Nun geht es dar­um, die­sem einen kla­ren recht­li­chen Rah­men zu geben.

Pan­ora­ma: Sie stan­den im Staats­se­kre­ta­ri­at an der Sei­te von Kar­di­nal Tar­cis­io Ber­to­ne. Was den­ken Sie von den 150.000 Euro, die er nach der Restau­rie­rung des Atti­co, das er bewohnt, dem Kran­ken­haus Bam­bin Ges๠gespen­det hat, die ohne sein Wis­sen von die­ser Ein­rich­tung bezahlt wurde?

Erz­bi­schof Becciu: Das ist eine per­sön­li­che Ent­schei­dung, um der Kin­der­kli­nik zu hel­fen. Ich habe den Ein­druck, daß Kar­di­nal Ber­to­ne zu einer leicht­fer­ti­gen Ziel­schei­be der Jour­na­li­sten gewor­den ist.

Pan­ora­ma: Es ist eine Tat­sa­che, daß die Kar­di­nä­le der Römi­schen Kurie in fürst­li­chen Räu­men leben, wäh­rend Papst Fran­zis­kus sich mit weni­ger als 50 Qua­drat­me­tern begnügt.

Erz­bi­schof Becciu: Das stimmt. Aller­dings sind vie­le die­ser Räum­lich­kei­ten sehr alt, aus einer Zeit, als die Kar­di­nä­le tat­säch­lich noch als Kir­chen­für­sten betrach­tet und als sol­che behan­delt wur­den. Ich habe Nuz­zi im Fern­se­hen sagen hören, daß alle Pur­pur­trä­ger nach San­ta Mar­ta über­sie­delt wer­den und ihre Unter­künf­te ver­mie­tet wer­den soll­ten, was dem Vati­kan gro­ße Ein­nah­men ver­schaf­fen wür­de, ohne für den Unter­halt der Zen­tral­be­hör­den der Kir­che auf die Abga­ben der Gläu­bi­gen zurück­grei­fen zu müs­sen. Die Idee scheint mir ziem­lich popu­li­stisch an der Gren­ze zum Lächer­li­chen. Die Kar­di­nä­le zu über­sie­deln, hie­ße, den Wil­len schon alter Men­schen zu zwin­gen. Und zudem: Wo soll­ten wir dann die Prie­ster und Mit­ar­bei­ter des Staats­se­kre­ta­ri­ats unter­brin­gen, die der­zeit in San­ta Mar­ta woh­nen? Wir müß­ten ein zusätz­li­ches Gebäu­de errich­ten, um sie unter­zu­brin­gen. Auf der Grund­la­ge eines ideo­lo­gi­schen Vor­ur­teils for­dert man von uns, die vor­han­de­nen Woh­nun­gen unge­nützt leer­ste­hen zu las­sen und beträcht­li­che Sum­men für einen Neu­bau aus­zu­ge­ben. Und das soll Lie­be zu den Armen sein?

Pan­ora­ma: War­um wür­den sie unge­nützt leerstehen?

Erz­bi­schof Becciu: Weil es nicht erlaubt ist, sie an vati­k­an­frem­de Per­so­nen zu ver­mie­ten. Die­se Woh­nun­gen befin­den sich an den Sit­zen der Dik­aste­ri­en, als sol­che genie­ßen sie Extra­ter­ri­to­ri­a­li­tät. Das sind Dienst­woh­nun­gen. Das gilt auch für pen­sio­nier­te Dik­aste­ri­en­lei­ter. Dar­in dür­fen nur Staats­bür­ger oder Ange­stell­te des Vati­kans woh­nen. Stel­len Sie sich vor, wel­chen Auf­ruhr es gäbe, wenn sie aus irgend­ei­nem Unglück an Steu­er­hin­ter­zie­her ver­mie­tet wür­den oder irgend­wel­che von der Justiz gesuch­te Gestal­ten, die damit in den Genuß der Immu­ni­tät kämen.

Pan­ora­ma: Die Ver­däch­ti­gun­gen erstrecken sich auch auf die Diö­ze­sen. Die Staats­an­walt­schaft von Mar­sa­la hat Ermitt­lun­gen gegen den Bischof von Maza­ra del Vallo, Dome­ni­co Moga­vero ein­ge­lei­tet. Er wird beschul­digt, Tau­sen­de Euros von der Kurie auf sein eige­nes Kon­to ver­scho­ben zu haben. Es soll aber auch um eine Mil­li­on Euro Kre­dit für den Bau von drei Kir­chen gehen, der sich in Nichts auf­ge­löst hat.

Erz­bi­schof Becciu: Es ist schwie­rig, sich dazu auf der Grund­la­ge von Medi­en­be­rich­ten zu äußern. Es sind Ermitt­lun­gen im Gan­ge und wir alle haben Ver­trau­en in die Justiz. Ich hof­fe für sei­ne Ehr­bar­keit, daß das, was der Bischof zu sei­ner Ver­tei­di­gung vor­bringt, wahr ist.

Pan­ora­ma: Msgr. Moga­vero hat eine Kolum­ne in der Sonn­tags­aus­ga­be des Fat­to Quo­ti­dia­no [links­li­be­ra­les Revol­ver­blatt]. Er for­der­te 2009 Mini­ster­prä­si­dent Sil­vio Ber­lus­co­ni auf, „zum Wohl des Lan­des“ zurück­zu­tre­ten und eben­so Dino Boffo, den Chef­re­dak­teur des Avv­ve­ni­re [Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz]. Soll­te er nun nicht kon­se­quen­ter­q­wei­se auf die Lei­tung sei­ner Diö­ze­se verzichten?

Erz­bi­schof Becciu: Ich sage nur soviel: Mir hat es nicht gefal­len, daß er auf RAI 3 bezüg­lich Via Cru­cis und Ava­ri­zia [die Bücher von Nuz­zi und Fit­ti­pal­di] von mora­li­sie­ren­dem Wil­len, Trans­pa­renz und Lega­li­tät gespro­chen hat.

Pan­ora­ma: Wer das Schwert nimmt…

Erz­bi­schof Becciu: Wir wol­len nicht übertreiben.

Pan­ora­ma: Wie kommt es, daß alle füh­ren­den Gestal­ten, die geru­fen wer­den, um sich im Vati­kan um die Mas­sen­me­di­en und die Finan­zen zu küm­mern, vom Opus Dei kom­men? Joa­quin Navar­ro-Vals, Etto­re Got­ti Tede­schi, Greg Bur­ke, Msgr. Val­le­jo Bal­da. Auch Chaou­qui behaup­tet, dem Werk „gei­stig sehr nahezustehen“.

Erz­bi­schof Becciu: Sich für nahe zu erklä­ren bedeu­tet gar nichts. Bur­ke ist ein ehe­ma­li­ger Jour­na­list der Time, der mit Wir­kung ab 1. Febru­ar zum Vize­di­rek­tor des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes ernannt wur­de. Er wur­de wegen sei­ner Pro­fes­sio­na­li­tät aus­ge­wählt. Wenn er auch dem Opus Dei ange­hört, ist das eine Ehre für die Prä­la­tur, tüch­ti­ge Per­so­nen hervorzubringen.

Pan­ora­ma: Ich stel­le ein Para­dox fest: Der Papst gilt als Mar­xist, ist aber von Ange­hö­ri­gen einer kon­ser­va­ti­ven Prä­la­tur umgeben.

Erz­bi­schof Becciu: Mar­xist? Das sagen Sie zum Scherz, hof­fe ich.

Pan­ora­ma: Das sage nicht ich. Das hal­ten ihm vie­le vor, vor allem in den USA. Fran­zis­kus selbst hat über die­se sei­ne „lin­ki­sche“ Beti­telung gewitzelt.

Erz­bi­schof Becciu: Ja, dann ist aber auch dar­an zu erin­nern, daß er die mar­xi­sti­sche Ideo­lo­gie als falsch bezeich­net hat. Und daß er, als er jun­ger Pro­vinz­obe­rer in Argen­ti­ni­en war, abge­setzt wur­de, weil er die Befrei­ungs­theo­lo­gie nicht gut­hieß. Die Lei­den­schaft für die Armen ist kein Allein­an­spruch des Kommunismus.

Pan­ora­ma: Wie geht es Papst Franziskus?

Erz­bi­schof Becciu: Er hat­te etwas Grip­pe, hat sich aber sofort erholt. Er über­rascht uns mit sei­ner Ener­gie. Kaum von der anstren­gen­den Rei­se nach Afri­ka zurück, war er schon wie­der an der Arbeit.

Pan­ora­ma: Ihnen fiel es zu, mit einem Tweet die Nach­richt zu demen­tie­ren, daß er einen Gehirn­tu­mor habe: „Was ist das für ein Wir­bel um sei­ne Gesund­heit!?“ Ist das nicht eine wenig ange­mes­se­ne Spra­che für einen Substituten?

Erz­bi­schof Becciu: Um ehr­lich zu sein, woll­te ich einen noch kolo­rier­te­ren römi­schen Aus­druck gebrau­chen, doch dann habe ich doch vor­ge­zo­gen, ihn auszutauschen.

Pan­ora­ma: Selt­sam. Sie haben Zeit, sich mit Twit­ter abzu­ge­ben, wäh­rend ich, der weit weni­ger Ver­ant­wor­tung tra­ge, das nicht nütze.

Erz­bi­schof Becciu: Ich lie­be Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. Ich habe auch Face­book fre­quen­tiert, es ermög­lich­te die Beichte.

Pan­ora­ma: Sie hören die Beich­te auf Facebook?

Erz­bi­schof Becciu: Damit wir uns ver­ste­hen: Es hat mir ermög­licht, geist­li­che Gesprä­che zu begin­nen, die zu einer per­sön­li­chen sakra­men­ta­len Beich­te geführt haben. Das ist vorgekommen.

Substitut Becciu vor der Fahne Sardiniens
Sub­sti­tut Becciu vor der Fah­ne Sardiniens

Pan­ora­ma: Ich habe bemerkt, daß Sie auf Twit­ter neben Osser­va­to­re Roma­no und Avve­ni­re auch Tut­to­sport und La Gaz­zet­ta del­lo Sport verfolgen.

Erz­bi­schof Becciu: Sie spre­chen nun von einer ande­ren Art von Glauben.

Pan­ora­ma: Darf ich wis­sen, zu wem Sie halten?

Erz­bi­schof Becciu: Auweh! Den­ken Sie dar­an, daß ich aus dem Savoy­ischen König­reich Sar­di­ni­en komme.

Pan­ora­ma: Caglia­ri und…

Erz­bi­schof Becciu: Juventus.

Pan­ora­ma: Wahr­schein­lich braucht es mehr Glau­ben für den Stier [Sym­bol des FC Juven­tus Turin].

Erz­bi­schof Becciu: Die Lie­be zu Latein hat überwogen.

Pan­ora­ma: Sie haben Pao­lo Bro­sio, den Fern­seh­spre­cher und Anhän­ger von Juven­tus in Audi­enz zu Berg­o­glio gebracht.

Erz­bi­schof Becciu: Mich hat sein Wei­nen wäh­rend des getürk­ten Tele­fon­an­rufs von Fran­zis­kus, der von einem Fern­seh­sen­der orga­ni­siert wur­de, sehr bewegt. Ich habe mit dem Papst dar­über gespro­chen, der mir sag­te: „Ruf ihn“. Das war eine Arbeit, den Jour­na­li­sten davon zu über­zeu­gen, daß es sich dies­mal nicht um einen Scherz handelt.

Pan­ora­ma: Ich weiß, daß bei der Audi­enz über die Erschei­nun­gen von Med­jug­or­je gespro­chen wur­de, wo sich Bro­sio bekehrt hat.

Erz­bi­schof Becciu: So ist es. Es wird die Zweck­mä­ßig­keit geprüft, daß der Hei­li­ge Stuhl pasto­ra­le Anwei­sun­gen über den Mari­en­kult an jenem Ort gibt.

Pan­ora­ma: Laut einem Tweet vom ver­gan­ge­nen 29. Juli, der sofort von Dagos­pia über­nom­men wur­de, soll­ten Sie am Ende der Ame­ri­ka-Rei­se des Pap­stes aus Ihrem Amt ent­fernt werden.

Erz­bi­schof Becciu: Statt­des­sen bin ich immer noch hier. Die soge­nann­ten „gut Infor­mier­ten“ tref­fen nicht ein­mal ins Schwarze.

Pan­ora­ma: Papst Fran­zis­kus hat die Römi­sche Kurie mehr­fach gewarnt vor der Ver­su­chung des Kar­rie­ris­mus. Ist sie so verbreitet?

Erz­bi­schof Becciu: Der demü­ti­ge Arbeits­ei­fer jener mit 75 Jah­ren nach 40 in Stil­le, im Ver­bor­ge­nen ver­brach­ten Arbeits­jah­ren, ohne je etwas zu for­dern, ist stär­ker verbreitet.

Pan­ora­ma: Wer­den häu­fig Beför­de­run­gen gewünscht?

Erz­bi­schof Becciu: Es kommt vor, daß jemand eine Vor­rückung wünscht. Das hat eine posi­ti­ve Sei­te: etwas anstre­ben, das die Per­son noch mehr moti­viert. Dann ist aber auch die nega­ti­ve Sei­te: sich von einer Ernen­nung bedrücken las­sen, die nie erfolgt.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
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Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!

 




 

3 Kommentare

  1. Von dies­re Sache habe ich jeden­falls etwas gelernt,naemlich in mei­nen per­soen­li­chen finan­zi­el­len Ange­le­gen­hei­ten 100% ehr­lich und tranz­parant zu sein.

    • Sie sind ein bra­ves Kind, gut gemacht! Als näch­stes nun bit­te auch Ihre gesund­heit­li­chen Ange­le­gen­hei­ten „trans­pa­rent“ machen – oder haben Sie etwa dbzgl. etwas zu verbergen???

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