(Rom) Unter Angehörigen des Neokatechumenalen Wegs wird derzeit die Nachricht verbreitet, daß sich nach einem Treffen jüdischer Rabbinen mit Kiko Argüello, dem Gründer und Vorsitzenden, mehrere Rabbinen und mehr als tausend Juden zu Christus bekehrt haben.
Publik wurde die Nachricht erstmals am 22. Dezember durch einen Eintrag auf einer spanischsprachigen Facebook-Seite des Neokatechumenalen Wegs „Soy del Camino Neocatecumenal“. Zum besseren Verständnis: Der 1964 in Madrid gegründete Neokatechumenale Weg ist von der katholischen Kirche als geistliche Gemeinschaft anerkannt und gilt kirchenrechtlich als selbständige Stiftung mit Rechtspersönlichkeit. Die Leitung liegt auf Lebenszeit gleichberechtigt in der Hand der drei Gründer, den beiden Spaniern Kiko Argüello und Carmen Hernández sowie dem italienischen Priester Don Mario Pezzi. Das Neokatechumenat versteht sich nach eigenen Angaben weder als Bewegung noch als Vereinigung, sondern als „Instrument“ der Pfarreien, um Kirchenferne wieder zu Christus zu führen. Laut Internetauftritt gehören weltweit eine Million Katholiken dem Neokatechumenalen Weg an, der fast 100 Priesterseminare unterhält und mit 25.000 Gemeinschaften in 800 Diözesen aktiv ist. Für Kritik sorgten wiederholt von der Gemeinschaft gepflegte, „pseudojüdische“ Sonderriten. Der Neokatechumenale Weg sieht Kontakte zum Judentum als Teil seiner Mission an. Die von Kiko Argüello entworfene und 2000 fertiggestellte Niederlassung Domus Galiaeae, über dem See Genezareth in Israel, wurde laut eigenen Angaben bisher von mehr als 150.000 Juden besucht.
Die Nachricht
Ein gewisser Elias Bautista schrieb am 22. Dezember auf seiner persönlichen Facebook-Seite und der Facebook-Seite „Soy del Camino Neocatecumenal“:
„Soeben habe ich entdeckt, daß die obersten Leiter des Neokatechumenalen Wegs (Kiko und Carmen) sich soeben mit einer wichtigen Gruppe wichtiger jüdischer Rabbinen getroffen haben: unter anderem haben sie (die Juden) Unseren Herrn Jesus Christus als den wahren Messias anerkannt, und ihrerseits (den Neokatechumenalen) mitgeteilt, daß wir „am Ende der Zeiten“ (nicht dem Ende der Welt) leben, und daß wir uns deshalb vorbereiten müssen, auf das, was kommt. Aber … die neokatechumenalen Leiter haben beschlossen ‚das Geheimnis zu wahren‘, und es nur unter den neokatechumenalen kikos… bekanntzumachen… Warum? Ich weiß es nicht. Das ist eine sehr schwerwiegende Sünde.… Ich möchte, daß sie zur Vernunft kommen und daß Unser Herr Euch die Unterscheidung schenkt bezüglich der Notwendigkeit, die Informationen dieses wichtigen, einzigartigen und erwarteten Ereignisses zu teilen.“
Elias Bautista erhielt allerdings keine Antwort. So schrieb er am 2. Januar erneut auf der Facebook-Seite „Soy del Camino Neocatecumenal“:
„Soeben habe ich erfahren, daß sich mehr als tausend Juden zum katholischen Glauben bekehrt und Unseren Herrn als ihren Messias anerkannt haben, nachdem sie sich mit Kiko und Carmen getroffen haben. Das ist eine große Nachricht! Diese Rabbinen haben die neokatechumenalen Leiter aufmerksam gemacht, daß die Parusie sehr nahe ist: die Wiederkunft Unseres Herrn ist wirklich nahe.
Aber… Kiko, Carmen & Co haben beschlossen, die Nachricht nur den Neokatechumenalen vorzubehalten. Die gute Nachricht sollte aber verbreitet und in jedem Winkel des Planeten bekannt werden, sei es unter Katholiken als auch unter Nicht-Katholiken! Das ist eine schwerwiegende Unterlassung von Seiten der neokatechumenalen Leiter. Schlimm für sie!“
Bestätigung ohne Dementi
Der Administrator der Facebook-Seite bestätigte in seiner Antwort am 3. Januar das Verbot, die Nachricht publik zu machen. Weder die Bekehrung einer Gruppe von Rabbinen und der „mehr als tausend Juden“ noch das angeblich bevorstehende „Ende der Zeiten“ wurde vom Administrator dementiert. Er setzt aber voraus, daß innerhalb des Neokatechumenalen Wegs alle Angehörigen informiert wurden.
„Bruder Elias, der Friede des Herrn sei mit Dir. Wenn Du zum Neokatechumenalen Weg gehörst, sollten Dir Deine Katechisten bereits den Grund erklärt haben, warum diese Nachricht nicht in den sozialen Netzwerken und den Massenmedien verbreitet werden soll. Nun ist es so. Ich erkläre es Dir: Obwohl es eine schöne Nachricht ist und viele von uns sehr erfreut und bewegt hat, weil es eine große Gnade des Herrn ist, der dieses ganze Ereignis ermöglicht hat, bleibt die Tatsache, daß nicht alle Menschen in der Welt dieses Werk Gottes demütig und vernünftig akzeptieren würden.
In der Welt gibt es immer Menschen, die urteilen und kritisieren wollen, und das keineswegs konstruktiv, und zudem gibt es extremistische Gruppen, die auf falsche Weise agieren könnten. Das alles [die Entscheidung der Leitung des Neokatechumenalen Wegs, die Nachricht nicht publik zu machen] ist nicht etwas, was man leichten Herzens entscheidet. Es ist auch eine Eingebung des Heiligen Geistes, so wie Maria seinerzeit die Verkündigung geheimhielt. Deshalb laden wir Dich ein, Dich nicht zu entmutigen, sondern im Gegenteil die Moral hochzuhalten und zu beten, damit zum geeigneten Moment diese Nachricht auf angemessene Weise publik gemacht wird.
Mit herzlichen Grüßen, Frieden“
Was weiß der Neokatechumenale Weg und verschweigt es anderen?
Doch „Bruder Elias“ gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und schrieb am 4. Januar erneut:
„Es gibt immer irgendeinen Vorwand für die Feigheit, Trägheit und Eigenbrötelei. […] Die Welt muß bereit sein für das Schwerwiegende, das sich abzeichnet, da das die größte Nachricht aller Zeiten ist: Wir wissen, daß das, was vor diesem grandiosen Ereignis kommt, schrecklich und entsetzlich sein wird und wer nicht bereit sein wird, wird in die Klauen des Satans fallen! Ich beharre darauf und wiederhole: Es ist eine schwerwiegende Unterlassung. Das Blut der Gezeichneten wird auf alle Mitglieder des Neokatechumenalen Wegs fallen, das versichere ich Dir!“
Eine Antwort ist bisher nicht erfolgt. Was weiß der Neokatechumenale Weg, was alle anderen, einschließlich der Kirche nicht wissen? Bereits die Errichtung der Domus Galiaeae wurde in Zusammenhang mit Endzeitprophetien gebracht, laut denen der Neokatechumenale Weg die Wiederkunft des Herrn auf dem Berg der Seligpreisungen erwarte. Ein ausgedehnter symbolisch aufgeladenen Gebäudekomplex ganz eigener Art, der Außenstehenden schwer entzifferbar ist.
Das der Gemeinschaft kritisch gegenüberstehende Osservatorio sul Camino Neocatecumenale bezweifelt die Nachricht, daß sich eine Gruppe von Rabbinen und mehr als tausend Juden zur katholischen Kirche bekehrt hätten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Facebook/Domusgalilaeae.org (Screenshots)