Hagia Sophia an Christen zurückgeben – Eiszeit in russisch-türkischen Beziehungen


Hagia Sophia Gawrilow(Istanbul/​Moskau) Das Ver­hält­nis zwi­schen Ruß­land und der Tür­kei ist seit dem Abschuß eines rus­si­schen Kampf­bom­bers, der in Syri­en Luft­an­grif­fe gegen den Isla­mi­schen Staat (IS) flog, auf das Äußer­ste gespannt. Kurz vor­her der poli­ti­schen Eis­zeit hat­te ein rus­si­scher Duma-Abge­ord­ne­ter die Rück­ga­be der berühm­ten Hagia Sophia von Kon­stan­ti­no­pel an die Chri­sten­heit vorgeschlagen.

Russisch-amerikanische Rivalität

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Ende Sep­tem­ber begann Ruß­land mit Luft­an­grif­fen den Isla­mi­schen Staat (IS) die Al-Nus­ra-Front und ande­re Dschi­had-Mili­zen in Syri­en zu bekämp­fen. Syri­en ist mit Ruß­land befreun­det, das an der syri­schen Küste den ein­zi­gen Flot­ten­stütz­punkt im Mit­tel­meer unterhält.

Die USA began­nen bereits im Sep­tem­ber 2014 mit „syste­ma­ti­schen Luft­an­grif­fen“ (Sta­te Depar­te­ment), ohne aber kon­kre­te Erfol­ge zu erzie­len. Mit ein Grund für die poli­ti­sche, mili­tä­ri­sche und pro­pa­gan­di­sti­sche Riva­li­tät zwi­schen Ruß­land und den USA, die der­zeit in Syri­en aus­ge­tra­gen wird, wobei bei­de Sei­ten offi­zi­ell gegen die Isla­mi­sten kämp­fen, aller­dings unter­schied­li­che poli­ti­sche Lösun­gen des Syri­en-Kon­flikts ver­tre­ten. Auf dem poli­tisch-mili­tä­ri­schen Schach­brett ist die Tür­kei ein enger Ver­bün­de­ter der USA und NATO-Mitglied.

Rückgabe der Hagia Sophia für Eröffnung der „Großen Moschee“ von Moskau

Ange­sichts der poli­tisch ange­spann­ten Lage fällt ein Antrag, auf Rück­ga­be der Hagia Sophia von Kon­stan­ti­no­pel an die Chri­sten, ins Leere.

Der „Vor­schlag“ stammt vom Duma-Abge­ord­ne­ten Ser­gej Gawri­low. Gawri­low ist Vor­sit­zen­der des par­tei­über­grei­fen­den Duma-Komi­tees zur Ver­tei­di­gung der christ­li­chen Werte.

Er hat­te den Vor­schlag bereits im Sep­tem­ber, noch vor den Luft­an­grif­fen, im Zusam­men­hang mit der Eröff­nung der neu­en Gro­ßen Moschee von Mos­kau vor­ge­bracht. Am 23. Sep­tem­ber hat­ten Ruß­lands Prä­si­dent Wal­d­imir Putin, der tür­ki­sche Prä­si­dent Recep Erdo­gan und zahl­rei­che Staats­füh­rer der isla­mi­schen Welt an der Eröff­nungs­fei­er in Mos­kau teilgenommen.

„Ein ebensolcher Schritt der Türkei“

Gawri­low begrün­de­te sei­nen Antrag mit der Bedeu­tung der „freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen“ zwi­schen Ruß­land und der Tür­kei. Die Eröff­nung der neu­en Gro­ßen Moschee in Mos­kau unter­strei­che die Ach­tung Ruß­lands für den Islam. „Im Sin­ne der freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen wäre es an der Tür­kei, einen eben­sol­chen Schritt zu set­zen durch die Rück­ga­be der Hagia Sophia an die christ­li­che Kir­che“, so Gawri­low. Ruß­land sei bereit, die „besten Spe­zia­li­sten“ nach Istan­bul zu schicken, „um die­ses Monu­ment der Welt­chri­sten­heit zu restaurieren“.

Das war vor Beginn der rus­si­schen Luft­an­grif­fe gegen die Isla­mi­sten in Syri­en und vor dem Abschuß des rus­si­schen Bom­bers. Gawri­low erin­ner­te in die­sen Tagen an sei­nen Vor­schlag. Doch seit­her haben sich die „freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen“ zwi­schen Ruß­land und der Tür­kei rapi­de abgekühlt.

Hauptkirche der orthodoxen Christenheit

Die Hagia Sophia war die Haupt­kir­che des Byzan­ti­ni­schen Rei­ches und der Ortho­do­xie. Ihre Ent­wei­hung gilt nicht nur der ortho­do­xen Chri­sten­heit noch heu­te als Wun­de. Dazu trägt ihre Sicht­bar­keit als Wahr­zei­chen Istan­buls (bis 1930 Kon­stan­ti­no­pel) bei.

Die Geschich­te der Hagia Sophia beginnt im Jahr 325 unter Kai­ser Kon­stan­tin dem Gro­ßen, der von Ost- und West­kir­che als Hei­li­ger ver­ehrt wird. Er begann mit der Errich­tung des Vor­gän­ger­baus, der „Gro­ßen Kir­che“. Nach­dem die Kir­che bei einem Auf­stand 532 einem Brand zum Opfer fiel, begann unter Kai­ser Justi­ni­an I., der in der ortho­do­xen Kir­che als Hei­li­ger ver­ehrt wird, der Bau der heu­ti­gen Hagia Sophia.

Als 1453 die Tür­ken unter Sul­tan Meh­med II. Kon­stan­ti­no­pel erober­ten, pro­fa­nier­ten sie die Kir­che und mach­ten eine Moschee dar­aus. Äußer­lich wur­de die­se Umwand­lung durch die Errich­tung von Mina­ret­ten sicht­bar gemacht. Seit dem Ende des 16. Jahr­hun­derts wird die ehe­ma­li­ge Basi­li­ka von vier Mina­ret­ten flankiert.

Nach dem Ende des osma­ni­schen Sul­ta­nats wur­de die Hagia Sophia 1934 auf Vor­schlag von Kemal Ata­türk von der tür­ki­schen Regie­rung in ein Muse­um umge­wan­delt. In jüng­ster Zeit gab es mehr­fa­che Vor­stö­ße isla­mi­scher Grup­pen in der Tür­kei, wie­der eine Moschee dar­aus zu machen. In die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung zielt Gawri­lows Vorschlag.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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