Die angeborene „Weisheit“ der Armen als dritte Quelle der Offenbarung – Der Populismus des Papstes


Papst Franziskus in Kangemi: worüber er dort sprach und wozu er im ugandischen Namugongo schwieg.
Papst Franziskus in Kangemi: worüber er dort sprach und wozu er im ugandischen Namugongo schwieg.

(Rom) Unter den sechs Tagen, die Papst Fran­zis­kus in Kenia, Ugan­da und in der Zen­tral­afri­ka­ni­schen Repu­blik ver­brach­te, sticht der 27. Novem­ber her­vor, als er in Nai­ro­bi das Elends­vier­tel Kan­ge­mi besuch­te. „Die Armen sind zwei­fels­oh­ne der Polar­stern die­ses Pon­ti­fi­kats“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Die­ses Mal aber erklär­te der Papst, war­um dem so ist. Hören wir, wor­über er in Kan­ge­mi sprach und wozu er im ugan­di­schen Namu­gon­go schwieg.

In seiner Rede in Kangemi sagte Franziskus:

Anzei­ge

„Vor allem aber möch­te ich mich bei einem Aspekt auf­hal­ten, den die aus­schlie­ßen­den Reden nicht zu erken­nen ver­mö­gen oder zu ver­ken­nen schei­nen. Ich möch­te mich auf die Weis­heit der Armen­vier­tel bezie­hen, eine Weis­heit, die aus dem ‚zähen Wider­stand des Ech­ten her­vor­sprießt‘ (Enzy­kli­ka Lau­da­to Si, 112), aus den Wer­ten des Evan­ge­li­ums, wel­che die durch den zügel­lo­sen Kon­sum ein­ge­schlum­mer­te Wohl­stands­welt zu ver­ges­sen haben scheint. Ihr seid fähig, ‚Ban­de der Zuge­hö­rig­keit und des Zusam­men­le­bens zu knüp­fen, die das Gedrän­ge in eine Gemein­schafts­er­fah­rung ver­wan­deln, wo die Wän­de des Ichs durch­bro­chen und die Schran­ken des Ego­is­mus über­wun­den wer­den‘ (ebd. 149).

Papst Franziskus in Kenia
Papst Fran­zis­kus im Elends­vier­tel von Kangemi

Die Kul­tur der Armen­vier­tel, die von die­ser beson­de­ren Weis­heit durch­drun­gen ist, ‚besitzt sehr posi­ti­ve Eigen­schaf­ten, die ein Bei­trag für die Zeit sind, in der wir leben. Sie drückt sich aus in Wer­ten, die dar­in bestehen, Soli­da­ri­tät zu üben; das Leben für den ande­ren hin­zu­ge­ben; die Geburt dem Tod vor­zu­zie­hen; den eige­nen Ver­stor­be­nen ein christ­li­ches Begräb­nis zu geben; dem Kran­ken einen Platz im eige­nen Haus zu bie­ten; mit dem Hung­ri­gen zu tei­len – Wo zehn essen, da essen auch zwölf, sagen sie –; Geduld und Stär­ke gegen­über gro­ßen Wid­rig­kei­ten zu zei­gen usw.‘ (Equi­po de Sacer­do­tes para las Vil­las de Emer­gen­cia (Argen­ti­ni­en), Refle­xio­nes sob­re la urba­ni­sa­ción y la cul­tu­ra vil­lera [2010]). Wer­te, die sich dar­auf stüt­zen, dass jeder Mensch wich­ti­ger ist als der Göt­ze Geld. Dan­ke, dass ihr uns dar­an erin­nert, dass eine ande­re Art von Kul­tur mög­lich ist!

Ich möch­te die­se Wer­te, die ihr prak­ti­ziert, an erster Stel­le for­dern – Wer­te, die nicht an der Bör­se gehan­delt wer­den, Wer­te, mit denen nicht spe­ku­liert wird und die kei­nen Markt­wert besit­zen. Ich beglück­wün­sche euch, ich beglei­te euch und möch­te, dass ihr wisst, dass der Herr euch nie ver­gisst. Der Weg Jesu begann in den Rand­ge­bie­ten, er geht aus von den Armen und geht mit den Armen zu allen.

Die­se Anzei­chen für ein gutes Leben, die sich täg­lich unter euch ent­wickeln, anzu­er­ken­nen bedeu­tet in kei­ner Wei­se, sich kei­ne Vor­stel­lung von der abscheu­li­chen Unge­rech­tig­keit der städ­ti­schen Aus­gren­zung zu machen. Es sind die Wun­den, die Min­der­hei­ten ver­ur­sa­chen, wel­che Macht und Reich­tum kon­zen­trie­ren und ego­istisch ver­schwen­den, wäh­rend wach­sen­de Mehr­hei­ten sich in ver­wahr­lo­ste, ver­seuch­te, aus­ge­son­der­te Rand­zo­nen flüch­ten müssen.“

Eine politische Rede, in der Jesus nur einmal Erwähnung fand

Die Rede des Pap­stes war eine ein­zi­ge Ankla­ge, wäh­rend der er Jesus nur ein­mal erwähn­te, um zu sagen, daß auch des­sen Weg „in den Rand­ge­bie­ten“ begon­nen habe. „Er geht aus von den Armen und geht mit den Armen zu allen“, so der Papst. Gott erwähn­te er drei­mal. Ein­mal als Zitat. Ein­mal als Anru­fung: „Ich bit­te Gott“, daß er die Ver­ant­wor­tungs­trä­ger den Weg der „sozia­len Inklu­si­on“ ein­schla­gen läßt. Und schließ­lich am Ende mit den Wor­ten auf Sua­hi­li „Gott seg­ne Euch“.

Die Kir­che erwähn­te Fran­zis­kus nie. „Sei­ne Rede hat­te vor allem einen poli­ti­schen Zuschnitt, den Zuschnitt einer glo­ba­len poli­ti­schen Visi­on, die den bei­den ande­ren gro­ßen poli­ti­schen ‚Mani­fe­sten‘ die­ses Pon­ti­fi­kats fol­gen: den Reden von Rom und von San­ta Cruz in Boli­vi­en vor den Volks­be­we­gun­gen und Glo­ba­li­sie­rungs­geg­nern Latein­ame­ri­kas und dem Rest der Welt“, so Magister.

Dem­sel­ben Den­ken sei auch die Rede von Kan­ge­mi in Nai­ro­bi ent­sprun­gen. Es geht um die „ange­bo­re­ne Weis­heit“ des Vol­kes, beson­ders der Armen, in der Papst Fran­zis­kus die „ein­zi­ge genui­ne Alter­na­ti­ve zu den Lastern der rei­chen und aus­beu­te­ri­schen Klas­sen“ sieht.

Der Populismus als Teil des argentinischen Charakters des Papstes

Papst Franziskus in Namugongo
Papst Fran­zis­kus in Namugongo

„Das ist der Popu­lis­mus von Jor­ge Mario Berg­o­glio, der Teil sei­nes argen­ti­ni­schen Cha­rak­ters ist, den er nun auch in der Kir­che aus­übt, wann immer er sich an das christ­li­che Volk wen­det, um Bischö­fe, Kar­di­nä­le, die Kir­che der Appa­ra­te usw. zu gei­ßeln“, so Magister.

Der pro­gres­si­ve ame­ri­ka­ni­sche Vati­ka­nist John Allen ging nach der Kan­ge­mi-Rede soweit, zu schrei­ben, daß die Armen für Papst Fran­zis­kus eine Quel­le der gött­li­chen Offen­ba­rung sei­en, die nicht weni­ger wich­tig sei, als die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on. Damit wür­de der argen­ti­ni­sche Papst einem Kir­chen- und Offen­ba­rungs­ver­ständ­nis sui gene­ris fol­gen, das außer­halb der Offen­ba­rung und außer­halb der Kir­che liegt. Den­noch wird man sich die eupho­ri­sche Aus­sa­ge Allens mer­ken müssen.

„Die poli­ti­sche Visi­on des Pap­stes ist schwer im Rechts-Links-Sche­ma ein­zu­ord­nen. Sei­ne Ankla­gen gegen eine ‚Wirt­schaft, die tötet‘ fin­den schnell Wider­hall in der glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­schen Lin­ken. Gleich­zei­tig sagt er Din­ge, die von der ‚libe­ra­len‘ Rich­tung wenig geschätzt wer­den, so in Kan­ge­mi sei­ne Ankla­ge gegen ‚neue For­men des Kolo­nia­lis­mus‘, mit denen arme Staa­ten zu einer Redu­zie­rung der Gebur­ten­ra­te gezwun­gen wer­den sol­len“, so Magister.

Populistisch und undeutlich – Das Schweigen zu Abtreibung und Homosexualität

In sei­nem Popu­lis­mus ver­mei­det es Fran­zis­kus jedoch, die Din­ge beim Namen zu nen­nen. Das hin­ter­läßt eine Ambi­va­lenz, die allen alles und nie­man­dem nichts sagt, je nach­dem wie man es hören und auf­neh­men will. Eine Aus­nah­me stellt der­zeit sein Enga­ge­ment für die Welt­kli­ma­kon­fe­renz und die Unter­zeich­nung eines neu­en Kli­ma­ab­kom­mens dar. Das War­um für die­ses Enga­ge­ment, die argu­men­ta­ti­ve Erläu­te­rung die­ser Posi­ti­on bleibt er aller­dings auch in die­sem Fall schuldig.

Afri­kas Bischö­fe sag­ten es bei der Bischofs­syn­ode deut­li­cher. Sie kri­ti­sier­ten die Erpres­sung durch inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen, Finanz­kre­di­te an Bedin­gun­gen zu kop­peln, wie die Ein­füh­rung der Abtrei­bung und der „Homo-Ehe“.

Papst Fran­zis­kus ver­mied die Nen­nung die­ser The­men. Um die Abtrei­bung macht er einen gro­ßen Bogen und bei der Homo­se­xua­li­tät ist es nicht anders. Im ugan­di­schen Namu­gon­go besuch­te er die Gedenk­stät­te für den hei­li­gen Karl Lwan­ga und des­sen Gefähr­ten. Die­se ließ ihr König hin­rich­ten, weil sie sich sei­nen homo­se­xu­el­len Begier­den wider­setzt hat­ten. Papst Fran­zis­kus ehr­te sie und pre­dig­te über sie, ohne den Grund ihres Mar­ty­ri­ums auch nur anzudeuten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va/​S​e​t​t​imo Cie­lo (Screen­shots)

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