Obdachlosenzeitung veröffentlicht Interview mit Papst Franziskus


Staatnieuws
Staat­nieuws: „Unser Freund in Rom“

(Rom) Die nie­der­län­di­sche Obdach­lo­sen­zeit­schrift Stra­at­nieuws setz­te Papst Fran­zis­kus auf die Titel­sei­te und ver­öf­fent­lich­te unter dem Titel „Unser Freund in Rom“ ein Inter­view mit dem katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt. Die Ita­lie­ni­sche Sek­ti­on von Radio Vati­kan über­nahm das Inter­view vollständig.

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Bis vor kur­zem waren Inter­views mit einem Papst unbe­kannt. Obwohl sich die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel rapi­de änder­ten, hiel­ten Päp­ste Inter­views nicht für ein lehr­amts­taug­li­ches Mit­tel. Johan­nes Paul II. gewähr­te weni­ge regle­men­tier­te Aus­nah­men. Papst Bene­dikt XVI. das Gespräch mit dem Jour­na­li­sten Peter See­wald, aus dem ein Gesprächs­buch ent­stand. Ganz anders Papst Fran­zis­kus. Die Zahl der Inter­views, die er den unter­schied­lich­sten Medi­en gewährt, sind zahl­reich und kaum mehr zu über­blicken. Sie fin­den meist vor­bei an den zustän­di­gen Stel­len des Hei­li­gen Stuh­les statt. Auch das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt erfährt meist erst davon, wenn ein Inter­view irgend­wo ver­öf­fent­licht wurde.

Die wich­tig­sten Medi­en, denen Papst Fran­zis­kus bis­her Inter­views gewähr­te sind: La Repubbli­ca (die umstrit­te­nen Inter­views von Euge­nio Scal­fa­ri); La Civil­tà  Cat­to­li­ca (römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift) und La Naci­on (Argen­ti­en). Vie­le der Inter­views fan­den inter­na­tio­na­le Beach­tung wegen umstrit­te­ner Aus­sa­gen, die das Kir­chen­ober­haupt dar­in mach­te oder die­sem zuge­schrie­ben wur­den. Aus die­sem Grund soll­te heu­te der Blick auf ein ruhi­ge­res Fahr­was­ser fal­len. Ein Inter­view, das Papst Fran­zis­kus einer nie­der­län­di­schen Obdach­lo­sen­zei­tung gewähr­te. Das Gespräch wird in deut­scher Über­set­zung doku­men­tiert, um einen Ein­blick in das Wesen und Den­ken des Pap­stes zu ermög­li­chen und den Umgang und die Eig­nung des Inter­views als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form eines Pap­stes zu prüfen.

„Unser Freund in Rom“

Die Redak­teu­re beschrei­ben zunächst ihre Ein­drücke im Vati­kan und von der Begeg­nung mit Papst Fran­zis­kus: „Der Hei­li­ge Vater ver­mit­telt den Ein­druck eines ruhi­gen und freund­li­chen, doch gleich­zei­tig ener­gi­schen und prä­zi­sen Man­nes. Nach­dem wir Platz genom­men hat­ten, ent­schul­dig­te er sich dafür, nicht Hol­län­disch zu spre­chen. Wir haben es ihm sofort verziehen.“

Stra­at­nieuws: Unse­re Gesprä­che begin­nen immer mit einer Fra­ge zur Stra­ße, in der der Gesprächs­part­ner auf­ge­wach­sen ist. Hei­li­ger Vater, an was erin­nern Sie sich von die­ser Stra­ße? Wel­che Bil­der kom­men Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Stra­ßen Ihrer Kind­heit denken?

Fran­zis­kus: Von der Zeit an, als ich ein Jahr alt war, bis zum Zeit­punkt, als ich in das Semi­nar ein­ge­tre­ten bin, habe ich immer in der­sel­ben Stra­ße gelebt. Es war ein ein­fa­ches Vier­tel von Bue­nos Aires, alles nie­de­re Häu­ser. Es gab einen klei­nen Platz, wo wir Fuß­ball gespielt haben. Ich erin­ne­re mich, von zu Hau­se weg­ge­lau­fen zu sein, um mit den Buben nach der Schu­le Fuß­ball zu spie­len. Mein Vater arbei­te­te in einer Fabrik, die hun­dert Meter ent­fernt war. Er war Buch­hal­ter. Und mei­ne Groß­el­tern leb­ten 50 Meter ent­fernt. Alles lag nur weni­ge Schrit­te von­ein­an­der ent­fernt. Ich erin­ne­re mich auch an die Namen der Leu­te. Als Prie­ster brach­te ich ihnen die Sakra­men­te, vie­len brach­te ich die letz­te Trö­stung, die mich geru­fen haben und ich bin hin­ge­gan­gen, weil ich sie gern hat­te. Das sind mei­ne spon­ta­nen Erinnerungen.

Stra­at­nieuws: Sie haben auch Fuß­ball gespielt?

Fran­zis­kus: Ja.

Stra­at­nieuws: Waren Sie gut?

Fran­zis­kus: Nein. In Bue­nos Aires wur­den jene, die so Fuß­ball­spie­len wie ich „pata dura“ genannt. Das bedeu­tet, daß man zwei lin­ke Bei­ne hat. Aber ich habe gespielt, oft war ich Tormann.

Stra­at­nieuws: Wie ent­stand Ihr per­sön­li­cher Ein­satz für die Armen?

Fran­zis­kus: Da kom­men mir vie­le Erin­ne­run­gen in den Sinn. Sehr berührt hat mich eine Frau, die drei­mal in der Woche zu uns nach Hau­se kam, um mei­ner Mut­ter zu hel­fen. Sie half ihr zum Bei­spiel in der Wasch­kü­che. Sie hat­te zwei Kin­der. Es waren Ita­lie­ner, Sizi­lia­ner, und sie haben den Krieg erlebt. Sie waren sehr arm, aber so gute Leu­te. Von die­ser Frau habe ich mir immer eine Erin­ne­rung bewahrt. Ihre Armut hat mich berührt. Wir waren nicht reich. Wir kamen nor­mal zum Monats­en­de, nichts mehr. Wir hat­ten ein Auto und wir mach­ten kei­nen Urlaub oder sol­che Din­ge. Doch ihr fehl­te es vie­le Male am Nötig­sten. Wir hat­ten genug und mei­ne Mut­ter gab ihr etwas. Dann ist sie nach Ita­li­en zurück­ge­gan­gen und spä­ter nach Argen­ti­ni­en zurück­ge­kehrt. Ich habe sie, als ich Erz­bi­schof von Bue­nos Aires war, wie­der­ge­fun­den. Sie war 90 Jah­re alt. Ich habe sie bis zu ihrem Tod mit 93 Jah­ren beglei­tet. Eines Tages hat sie mir eine Medail­le des Hei­lig­sten Her­zen Jesu gege­ben, die ich jeden Tag bei mir tra­ge. Die­se Medail­le – die auch eine Erin­ne­rung ist – tut mir viel Gutes. Wol­len Sie sie sehen?

(Mit eini­ger Mühe gelingt es dem Papst die Medail­le her­vor­zu­ho­len, die völ­lig ver­blaßt ist, da sie seit Jah­ren getra­gen wird.)

So den­ke ich jeden Tag an sie und wie sehr sie wegen ihrer Armut gelit­ten hat. Und ich den­ke an alle ande­ren, die gelit­ten haben. Ich tra­ge ich und bete …

Stra­at­nieuws: Wel­che Bot­schaft hat die Kir­che für die Obdach­lo­sen? Was bedeu­tet christ­li­che Soli­da­ri­tät für sie konkret?

Fran­zis­kus: Mir kom­men zwei Din­ge in den Sinn. Jesus ist obdach­los in die Welt gekom­men und hat sich arm gemacht. Die Kir­che will alle umar­men und sagen, daß es ein Recht ist, ein Dach über dem Kopf zu haben. In den Volks­be­we­gung arbei­tet man mit drei spa­ni­schen T: tra­ba­jo (Arbeit), techo (Haus) und tier­ra (Land). Die Kir­che pre­digt, daß jede Per­son das Recht auf die­se drei T hat.

Stra­at­nieuws: Sie rufen oft zur Auf­merk­sam­keit für die Armen und die Flücht­lin­ge auf. Fürch­ten Sie nicht, daß auf die­se Wei­se eine Form von Über­sät­ti­gung in den Mas­sen­me­di­en und in der Gesell­schaft all­ge­mein ent­ste­hen könnte?

Fran­zis­kus: Uns allen kommt die Ver­su­chung, wenn man ein The­ma anspricht, das nicht schön ist, weil man nicht ger­ne dar­über spricht, zu sagen: „Hören wir doch auf, Schluß mit die­ser Sache, die nervt.“ Ich spü­re, daß es die­se Ermü­dung gibt, aber sie macht mir nicht Angst. Ich muß fort­fah­ren, Wahr­hei­ten aus­zu­spre­chen und zu sagen, so wie die Din­ge sind.

Stra­at­nieuws: Ist das Ihre Pflicht?

Fran­zis­kus: Ja, das ist mei­ne Pflicht. Das spü­re ich in mir. Es ist kein Gebot, aber als Per­so­nen müs­sen wir alle es tun.

Stra­at­nieuws: Befürch­ten Sie nicht, daß Ihre Ver­tei­di­gung der Soli­da­ri­tät und der Hil­fe mit den Obdach­lo­sen und ande­ren Armen poli­tisch aus­ge­nützt wer­den könn­te? Wie muß die Kir­che spre­chen, um Ein­fluß zu neh­men, aber gleich­zei­tig nicht von den poli­ti­schen Grup­pen ver­ein­nahmt zu werden?

Fran­zis­kus: Es gibt Wege, die füh­ren in die­sem Punkt zu Feh­lern. Ich möch­te zwei Ver­su­chun­gen beto­nen. Die Kir­che muß mit der Wahr­heit und auch mit dem Zeug­nis spre­chen: dem Zeug­nis der Armut. Wenn ein Gläu­bi­ger von der Armut oder den Obdach­lo­sen spricht und selbst das Leben eines Pha­ra­os führt, dann geht das nicht. Das ist die erste Ver­su­chung. Die ande­re Ver­su­chung ist die, Abkom­men mit den Regie­run­gen zu schlie­ßen. Man kann Abkom­men schlie­ßen, aber es müs­sen kla­re, trans­pa­ren­te Abkom­men sein. Zum Bei­spiel: Wir ver­wal­ten ein Gebäu­de, aber alle Kon­ten sind kon­trol­liert, um Kor­rup­ti­on zu ver­mei­den, denn es gibt immer die Ver­su­chung der Kor­rup­ti­on im öffent­li­chen Leben, sowohl im poli­ti­schen wie im kirch­li­chen. Ich erin­ne­re mich, ein­mal mit gro­ßem Schmerz beob­ach­tet zu haben, als Argen­ti­ni­en unter dem Mili­tär­re­gime wegen der Mal­vi­nen (Falk­land-Inseln) im Krieg mit Groß­bri­tan­ni­en war, daß vie­le Men­schen Din­ge gaben und vie­le Men­schen, auch Katho­li­ken, die den Auf­trag hat­ten, sie zu ver­tei­len, sie nach Hau­se nah­men. Es gibt immer die Gefahr der Kor­rup­ti­on. Ein­mal habe ich eine Fra­ge an einen argen­ti­ni­schen Mini­ster, einen ehr­li­chen Mann gerich­tet. Einer, der sein Amt auf­gab, weil er nicht mit eini­gen etwas obsku­ren Din­gen klar­kam. Ich habe ihn gefragt: Wenn ihr Hil­fe an die Armen und Bedürf­ti­gen schickt, sei es Nah­rung, sei es Klei­dung, sei es Geld: von dem, was ihr schickt, wie­viel kommt davon an? Er hat mir gesagt: 35 Pro­zent. Das heißt, daß 65 Pro­zent ver­lo­ren­ge­hen. Das ist Kor­rup­ti­on: Ein Stück für mich, ein ande­res Stück für mich.

Stra­at­nieuws: Glau­ben Sie, daß Sie bis­her in Ihrem Pon­ti­fi­kat einen Men­ta­li­täts­wan­del errei­chen konn­ten, zum Bei­spiel in der Politik?

Fran­zis­kus: Ich wüß­te das nicht zu sagen. Ich weiß es nicht. Ich weiß, daß eini­ge gesagt haben, ich sei Kom­mu­nist. Das ist aber eine etwas ver­al­te­te Kate­go­rie [lacht]. Viel­leicht ver­wen­det man heu­te ande­re Wor­te, um das zu sagen …

Stra­at­nieuws: Mar­xist, Sozialist …

Fran­zis­kus: Das alles haben sie gesagt.

Stra­at­nieuws: Die Obdach­lo­sen haben finan­zi­el­le Pro­ble­me, aber pfle­gen ihre Frei­heit. Der Papst hat kei­ne mate­ri­el­len Bedürf­nis­se, doch man­che sehen ihn als Gefan­ge­nen im Vati­kan. Ver­spü­ren Sie nie den Wunsch, sich in die Lage eines Obdach­lo­sen zu versetzen?

Fran­zis­kus: Ich erin­ne­re mich an das Buch von Mark Twa­in „Der Prinz und der Bet­tel­kna­be“, wenn einer alle Tage zu Essen hat, Klei­der hat, ein Bett zum Schla­fen hat, einen Schreib­tisch zum Arbei­ten hat und es ihm an nichts fehlt. Und er auch Freun­de hat. Doch die­ser Prinz von Mark Twa­in lebt in einem gol­de­nen Käfig.

Stra­at­nieuws: Füh­len Sie sich frei hier im Vatikan?

Fran­zis­kus: Zwei Tage, nach­dem ich zum Papst gewählt wur­de, habe ich, wie man offi­zi­ell sagt, Besitz von der päpst­li­chen Woh­nung im Apo­sto­li­schen Palast ergrif­fen. Das ist kei­ne Luxus­woh­nung. Aber sie ist groß, sehr groß … Nach­dem ich mir die­se Woh­nung ange­schaut hat­te, kam sie mir vor wie ein umge­kehr­ter Trich­ter, das heißt, groß, aber mit einer klei­nen Tür. Das heißt, iso­liert sein. Ich habe mir gedacht: Hier kann ich nicht leben, allein schon aus men­ta­len Grün­den nicht. Das wür­de mir nicht gut tun. Anfangs schien das eine selt­sa­me Sache, aber ich habe dar­um gebe­ten, hier in San­ta Mar­ta blei­ben zu wol­len. Und das tut mir gut, weil ich mich frei füh­le. Ich esse im Spei­se­saal, wo alle essen. Und wenn ich früh dran bin, esse ich mit den Ange­stell­ten. Ich tref­fe Leu­te, grü­ße sie und das macht es mög­lich, daß der gol­de­ne Käfig weni­ger Käfig ist. Mir fehlt aber die Straße.

Stra­at­nieuws: Hei­li­ger Vater, Marc [ein Stra­ßen­ver­käu­fer von Stra­at­nieuws] möch­te Sie ein­la­den, mit uns eine Piz­za essen zu gehen. Was sagen Sie dazu?

Fran­zis­kus: Das wür­de ich ger­ne, aber es wür­de uns nicht gelin­gen. Denn sobald ich hier raus­ge­he, wer­den die Men­schen zu mir kom­men. Als ich die Glä­ser mei­ner Bril­len in der Stadt gewech­selt habe, war es sie­ben Uhr abends. Es waren nicht vie­le Men­schen auf der Stra­ße. Sie haben mich zum Opti­ker gebracht, ich bin aus dem Auto gestie­gen und da war eine Frau, die mich gese­hen hat und rief: „Der Papst!“ Ich war dann drin­nen und drau­ßen war alles vol­ler Menschen …

Stra­at­nieuws: Fehlt Ihnen der Kon­takt mit den Leuten?

Fran­zis­kus: Er fehlt mir nicht, weil die Men­schen her­kom­men. Jeden Mitt­woch gehe ich zur Gene­ral­au­di­enz auf den Platz, manch­mal gehe ich in eine Pfar­rei. Ich bin mit den Men­schen in Kon­takt. Zum Bei­spiel gestern [26. Okto­ber] sind mehr als 5.000 Zigeu­ner in die Aula Pao­lo VI gekommen.

Stra­at­nieuws: Man sieht, daß Sie die­se Run­de auf dem Platz bei der Gene­ral­au­di­enz genießen …

Fran­zis­kus: Das stimmt. Ja, das stimmt.

Stra­at­nieuws: Ihr Namens­vet­ter, der hei­li­ge Fran­zis­kus, wähl­te die radi­ka­le Armut und ver­kauf­te auch sein Evan­ge­li­ar. Füh­len Sie sich als Papst und Bischof von Rom nie unter Druck, die Schät­ze der Kir­che zu verkaufen?

Fran­zis­kus: Das ist eine leich­te Fra­ge. Es sind nicht die Schät­ze der Kir­che, son­dern die Schät­ze der Mensch­heit. Zum Bei­spiel: wenn ich mor­gen sage, daß die Pie­tà  von Michel­an­ge­lo ver­stei­gert wird, dann geht das nicht, weil sie nicht der Kir­che gehört. Sie befin­det sich in einer Kir­che, aber sie gehört der Mensch­heit. Das gilt für alle Schät­ze der Kir­che. Wir müs­sen aber damit begin­nen, die Geschen­ke und ande­re Din­ge zu ver­kau­fen, die man mir gibt. Und der Erlös des Ver­kaufs geht an Mon­si­gno­re Kra­jew­ski, der ein Almo­se­ni­er ist. Dann gibt es noch die Lot­te­rie. Es gab Maschi­nen, die ver­kauft wur­den oder mit einer Lot­te­rie weg­ge­ge­ben wur­den und der Erlös wird für die Armen ver­wen­det. Aber es gibt Din­ge, die man ver­kau­fen kann und die wer­den verkauft.

Stra­at­nieuws: Kön­nen Sie sich vor­stel­len, daß der Reich­tum der Kir­che eine sol­che Art von Erwar­tun­gen wecken kann?

Fran­zis­kus: Ja, wenn wir ein Ver­zeich­nis der Güter der Kir­che erstel­len, dann denkt man: die Kir­che ist sehr reich. Als aber 1929 das Kon­kor­dat mit Ita­li­en über die Römi­sche Fra­ge geschlos­sen wur­de, hat die dama­li­ge ita­lie­ni­sche Regie­rung der Kir­che einen gro­ßen Park in Rom ange­bo­ten. Der dama­li­ge Papst, Pius XI., sag­te: Nein, ich möch­te nur einen hal­ben Qua­drat­ki­lo­me­ter, um die Unab­hän­gig­keit der Kir­che sicher­zu­stel­len. Die­ser Grund­satz gilt immer noch. Ja, die Kir­che hat vie­le Immo­bi­li­en, aber wir nüt­zen sie, um die Struk­tu­ren der Kir­che zu erhal­ten und um vie­le Wer­ke zu erhal­ten in den bedürf­ti­ge­ren Län­dern. Die Aus­bil­dung ist eine wich­ti­ge Sache für die Kin­der. Ich bin zur zustän­di­gen Ver­wal­tung gegan­gen und habe eine ent­spre­chen­de Anwei­sung gege­ben, und die Gel­der wur­den überwiesen.

Stra­at­nieuws: Spre­chen wir über die Nie­der­lan­de. Waren Sie schon ein­mal in unse­rem Land?

Fran­zis­kus: Ja, ein­mal, als ich Pro­vinz­obe­rer der Jesui­ten in Argen­ti­ni­en war. Es war auf der Durch­rei­se wäh­rend einer Rei­se. Ich war in Wijchen, weil wir dort das Novi­zi­at hat­ten. Und ich war für andert­halb Tage in Amster­dam, wo ich das Haus der Jesui­ten besuch­te. Vom kul­tu­rel­len Leben habe ich nichts gese­hen, weil ich nicht die Zeit hatte.

Stra­at­nieuws: Des­halb könn­te es eine gute Idee sein, wenn die Obdach­lo­sen der Nie­der­lan­de Sie zu einem Besuch in unse­rem Land ein­la­den. Was sagen Sie dazu, Hei­li­ger Vater?

Fran­zis­kus: Die Türen zu die­ser Mög­lich­keit sind nicht geschlossen.

Stra­at­nieuws: Wenn es also eine Ein­la­dung dazu gäbe, wür­den Sie sie in Betracht ziehen?

Fran­zis­kus: Ich wer­de sie in Betracht zie­hen. Und jetzt, wo die Nie­der­lan­de eine argen­ti­ni­sche Köni­gin haben [lacht], wer weiß.

Stra­at­nieuws: Haben Sie viel­leicht eine beson­de­re Bot­schaft für die Obdach­lo­sen unse­res Landes?

Fran­zis­kus: Ich ken­ne nicht die beson­de­re Situa­ti­on der Obdach­lo­sen in den Nie­der­lan­den. Ich möch­te sagen, daß die Nie­der­lan­de ein ent­wickel­tes Land sind, mit vie­len Mög­lich­kei­ten. Ich möch­te die nie­der­län­di­schen Obdach­lo­sen auf­for­dern, wei­ter für die drei T zu kämpfen.

Schließ­lich möch­te Marc wis­sen, ob der Papst bereits als er noch klein war, davon geträumt hat, ein­mal Papst zu wer­den. Der Papst ant­wor­tet mit einem ener­gi­schen „Nein“.

Fran­zis­kus: Ich wer­de Euch aber etwas anver­trau­en. Als ich klein war, gab es noch nicht die Geschäf­te, in denen die Din­ge ver­kauft wur­den. Statt des­sen gab es den Markt, wo es den Metz­ger, den Obst- und Gemü­se­händ­ler usw. gab. Ich ging mit Mut­ter und Groß­mutter hin, um den Ein­kauf zu machen. Ich war sehr klein, gera­de ein­mal vier Jah­re alt. Und ein­mal haben sie mich gefragt: „Was möch­test Du ger­ne machen, wenn Du groß bist?“ Und ich habe gesagt: „Metz­ger!“

Stra­at­nieuws: Für vie­le waren Sie bis zum 13. März 2013 ein Unbe­kann­ter. Dann wur­den Sie von einem Moment auf den ande­ren auf der gan­zen Welt berühmt. Wie haben Sie die­se Erfah­rung erlebt?

Fran­zis­kus: Es ist gekom­men und ich habe es nicht erwar­tet. Ich habe nicht den Frie­den ver­lo­ren. Das ist eine Gna­de Got­tes. Ich den­ke nicht so sehr an den Umstand, daß ich berühmt bin. Ich sage mir: Jetzt habe ich einen wich­ti­gen Platz, aber in zehn Jah­ren wird dich nie­mand mehr ken­nen [lacht]. Wißt Ihr, es gibt zwei Arten von Ruhm: den Ruhm der „Gro­ßen“, die gro­ße Din­ge getan haben, wie Madame Curie, und den Ruhm der Eit­len. Aber letz­te­re Art von Ruhm ist wie eine Seifenblase.

Stra­at­nieuws: Sie sagen also: „Jetzt bin ich da und muß das Beste tun“ und wer­den die­se Arbeit fort­set­zen, so lan­ge Sie können?

Fran­zis­kus: Ja.

Stra­at­nieuws: Hei­li­ger Vater, darf man sich eine Welt ohne Arme vorstellen?

Fran­zis­kus: Ich möch­te eine Welt ohne Arme. Wir müs­sen dafür kämp­fen. Aber ich bin gläu­big und weiß, daß die Sün­de immer in uns drin­nen ist. Und es gibt immer die mensch­li­che Gier, den Man­gel an Soli­da­ri­tät, den Ego­is­mus, der die Armen schafft. Des­halb scheint es mir etwas schwie­rig, sich eine Welt ohne Arme vor­zu­stel­len. Wenn Sie an die für Skla­ven­ar­beit aus­ge­beu­te­ten Kin­der den­ken, oder an die durch sexu­el­len Miß­brauch aus­ge­beu­te­ten Kin­der. Und an eine ande­re Form der Aus­beu­tung: Kin­der wegen der Orga­ne zu töten, der Organ­han­del. Kin­der zu töten, um ihnen Orga­ne zu ent­neh­men, ist Hab­gier. Des­halb weiß ich nicht, ob wir die­se Welt ohne Arme schaf­fen wer­den, weil es immer die Sün­de gibt, die uns zum Ego­is­mus führt. Aber wir müs­sen kämp­fen, immer, … immer.

Wir sind fer­tig. Wir dan­ken dem Papst für das Inter­view. Auch er bedankt sich und sagt, daß ihm das Gespräch sehr gefal­len hat. Dann nimmt er einen wei­ßen Umschlag, der die gan­ze Zeit neben ihm auf dem Sofa lag und nimmt für jeden von uns einen Rosen­kranz her­aus. Es wer­den Fotos gemacht, dann ver­ab­schie­det sich Papst Fran­zis­kus. So ruhig und gelas­sen, wie er gekom­men ist, geht er nun zur Tür hinaus.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Stra­at­nieuws (Screen­shot)

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