(Bogota) Vor zwölf Jahren schrieb Johannes Paul II. in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Europa von einer „schweigenden Apostasie“. So wurde es vom Vatikan ins Deutsche übertragen. Treffender wäre von seiner „stillen Apostasie“ zu sprechen. Doch so still ist sie zum Teil gar nicht, wie die jüngste Nachricht aus Kolumbien in Südamerika zeigt.
In Kolumbien arbeiten eine päpstliche Universität und die Abtreibungslobby Hand in Hand. Für den kommenden 10. November organisieren sie zusammen ein „Forum“, das – wie könnte es anders sein – der Abtreibung gewidmet ist. Alle eingeladenen Redner sind als Abtreibungsbefürworter bekannt.
In dem lateinamerikanischen Land ist die Tötung ungeborener Kinder seit 2006 unter bestimmten Bedingungen vom Gesetz erlaubt. Doch offenbar ist das geltende Gesetz der Abtreibungslobby bereits zu eng geworden. Sie fordert eine noch weitergehende Liberalisierung.
Vor neun Jahren ist es der Abtreibungsorganisation Women’s Link Worldwide unter der Führung von Monica Roa gelungen, in Kolumbien das Lebensrecht ungeborener Kinder auszuhöhlen. In drei Fällen, den üblichen drei Fällen, ist es ihr gelungen, eine Bresche für die Kultur des Todes zu schlagen: bei Gefahr für die Gesundheit der Mutter, bei Mißbildung des ungeborenen Kindes und bei Vergewaltigung.
Seither wurden aufgrund dieses Gesetzes mehr als 22.000 Kinder in Kolumbien getötet. Für die Abtreibungslobby war es nur der Fuß, den man in die Tür setzte. Seither will man die Tür ganz aufstoßen zur schrankenlosen Verfügbarkeit über die ungeborenen Kinder.
Vor kurzem wurde eine neue, vom Gesundheitsministerium gewollte Bestimmung erlassen, dieses Mal zur Euthanasie: eine andere Flanke, an der das Lebensrecht des Menschen angegriffen wird.
Abtreibungsveranstaltung an Päpstlicher Universität
Monica Roa von Women’s Link Wolrdwide, die bekannteste Abtreibungslobbyistin Kolumbiens, und Gesundheitsminister Alejandro Gaviria werden am 10. November als Redner beim Forum auftreten, das von der Päpstlichen Universität Xaveriana in Bogotà organisiert wird. Am Forumstisch wird auch die Parlamentsabgeordnete Angelica Lozano Platz nehmen. Allen gemeinsam ist, daß sie überzeugte Abtreibungsbefürworter sind. Die homosexuelle Rechtsanwältin Lozano sitzt für den Partido Verde, eine den Grünen im deutschen Sprachraum vergleichbare Linkspartei, im kolumbianischen Parlament. Lozano verkörpert jene Allianz zwischen der Homo-Lobby, der Kultur des Todes (Abtreibung und Euthanasie) und der politischen Linken, wie sie auch in Europa prägend ist. Vor allem die Kombination weibliche Homosexualität und Tötung ungeborener Kinder verdient besondere Beachtung.
Das Forum wird von der Jesuitenuniversität zusammen mit dem kolumbianischen Ableger des weltgrößten Abtreibers Planned Parenthood organisiert. „Eine katholische, päpstliche Institution hat die Lehre der Kirche und den römischen Papst zu vertreten“, so InfoCatolica. „Wenn es um Leben oder Tod geht, kann man nicht so tun, als handle man nur eine akademische Frage ab. Erst recht nicht, kann eine päpstliche Universität einseitig, nur Abtreibungsbefürwortern das Wort erteilen, jenen, die auf politischer Ebene die Tötung ungeborener Kinder durchsetzen wollen und aufgrund ihres politischen Mandats durchsetzen können, und jenen, die die Abtreibungskampagne finanzieren und mit der Abtreibung ein Geschäft machen. Damit wird nicht nur die öffentliche Meinung verwirrt, sondern offen gegen die Lehre der katholischen Kirche verstoßen“.
Carlos Novoa: Jesuit und Abtreibungsbefürworter
Die Kontakte zwischen der Jesuitenuniversität und der Abtreibungslobby stellte der Jesuit Carlos Novoa Matallana her. Pater Novoa, der ehemalige Dekan der Theologischen Fakultät, lehrt Ethik an der Päpstlichen Universität Xaveriana und ist einer der streitbarsten Theologen Lateinamerikas – allerdings gegen die katholische Lehre. Novoa ist bekennender Abtreibungsbefürworter. Eine Position, die er an der Universität und ebenso als häufiger Gast in den Medien und von Abtreibungsbefürwortern öffentlich und lautstark vertritt. Der Schritt zur Befürwortung der Euthanasie ist dann nicht mehr weit. Auch Novoa hat ihn gesetzt.
Pater Novoa gehörte zu den Verteidigern der homophilen Veranstaltungsreihe Ciclo Rosa Academico, für die die Päpstliche Universität Xaveriana 2013 in die Kritik geraten ist. Die Homo-Veranstaltung Ciclo Rosa Academico wurde seit 2001 vom Instituto de Estudios Sociales y Culturales PENSAR der Universität veranstaltet und vom Jesuiten Alberto Múnera geleitet. Erst durch den Einsatz Tausender Katholiken beendeten der Vorsitzende der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Kardinal Ruben Salazar und der Apostolische Nuntius Ettore Balestrero das Treiben. Der damalige Rektor, Pater Joaquin Emilio Sánchez Garcàa SJ, verteidigte die Homo-Veranstaltung, die „in keiner Weise irgendeinen Nachteil für den christlichen Glauben gebracht“ habe. Pater Novoa beschimpfte die Gegner der Veranstaltung als „Obskurantisten“, „Karrieristen“ und „Fanatiker“. „Die Inquisition erlebt in einem Teil der katholischen Kirche eine Wiederauferstehung“, ätzte der Jesuit.
Jesuitenuniversität: Abwege statt Ausbildung
Pater Múnera sprach von einer „tendenziösen und absolut anti-ethischen“ Kritik, da die Veranstaltung „nicht den homosexuellen Lebensstil fördert“. Der Generalsekretär der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Msgr. José Daniel Falla widersprach: „Die Veranstaltung ist ohne Zweifel pro gay“.
2007 verteidigte Novoa die Pop-Sängerin Madonna, die auf der Bühne halbnackt die Kreuzigung nachäffte, als „Modell der Evangelisation“. 2015 tönte Novoa, „die Lefebvrianer sind exkommuniziert“.
Gegen die Veranstaltung und die unheilige Kooperation machen die kolumbianischen Lebensrechtsorganisationen mobil. Unter anderem wurden Unterschriften gegen die Veranstaltung gesammelt. Am vergangenen 23. Mai fand gleichzeitig in 32 Städten des Landes ein Marsch für das Leben statt und forderte ein kompromißloses Nein zu Abtreibung und Euthanasie.
Die Päpstliche Universität Xaveriana (Pontificia Universidad Javeriana) wurde 1604 vom Jesuitenorden gegründet. 1767 wurde sie mit der Aufhebung des Ordens geschlossen. 1930 erfolgte die Wiedergründung und die Anerkennung als Universität päpstlichen Rechts. Rektor ist Pater Jorge Humberto Peláez Piedrahita. Großkanzler ist Jesuitengeneral Adolfo Nicolás Pachón.
An der Universität werden mehr als 24.000 Studenten unterrichtet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AciPrensa/Corrispondenza Romana