„Die Welt steht in Flammen“


Plakat: Die Welt steht in Flammen
Plakat: Die Welt steht in Flammen

von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Der­zeit fin­det in der Wie­ner Fran­zis­ka­ner­kir­che eine aus­sa­ge­kräf­ti­ge und gut gestal­te­te Aus­stel­lung über öster­rei­chi­sche bzw. in Öster­reich wir­ken­de Prie­ster und Ordens­leu­te statt, die auf irgend­ei­ne Wei­se zu Opfern des NS-Regimes wur­den. Der Titel lau­tet Die Welt steht in Flam­men – Geist­li­che Schwe­stern und Brü­der als Opfer des NS-Regimes. Trä­ger der Aus­stel­lung sind der Tere­sia­ni­sche Kar­mel in Öster­reich, das Jahr der Orden 2015, die
Edith Stein Gesell­schaft Öster­reich und die Wie­ner Fran­zis­ka­ner. Kura­to­ren sind der Pro­vin­zi­al der Unbe­schuh­ten Kar­me­li­ten in Öster­reich, P. Dr. Rober­to Maria Pira­stu OCD, und der Lin­zer Histo­ri­ker DDr. Hel­mut Wagner.

Es lohnt sich, die Aus­stel­lung genau­er zu studieren.

Der erste Grund dafür ist fol­gen­der: Es gibt zwar seit gut drei­ßig Jah­ren eine Flut an Ver­an­stal­tun­gen, Schul­pro­jek­ten und Publi­ka­tio­nen zur NS-Zeit. Auf­grund derer meist mar­xis­mus­af­fi­nen Aus­rich­tung ist es aber kaum im öffent­li­chen Bewußt­sein ver­an­kert (schon gar nicht bei Schü­lern und Jugend­li­chen), daß vie­le Prie­ster und Ordens­leu­te auf die eine oder ande­re Wei­se im Wider­stand gegen Ideo­lo­gie und Regime des Natio­nal­so­zia­lis­mus gestan­den sind. Es ist auch weit­ge­hend unbe­kannt, daß es eine gewal­ti­ge Zahl an Mär­ty­rern unter Geweih­ten und Lai­en gab.

Es wäre daher eine wün­schens­wer­te Wir­kung der Aus­stel­lung, die Pro­por­tio­nen in der Dar­stel­lung der Geschich­te des Wider­stan­des etwas zurecht zu rücken.

Glaubenszeugnis gegen falsche Ideologien aller Art

"Die Welt steht in Flammen" - Gedächtnisausstellung für Opfer der NS-Zeit
„Die Welt steht in Flam­men“ – Gedächt­nis­aus­stel­lung für Opfer der NS-Zeit

Der ande­re Grund, sich die Aus­stel­lung anzu­se­hen, ist, daß man sich in Zei­ten eines sich radi­ka­li­sie­ren­den Kon­for­mi­täts­drucks mit der Gesin­nung des „Zeug­nis­ses“ (grie­chisch mar­tà½ri­on) näher aus­ein­an­der­set­zen soll­te. Es war ja bei wei­tem nicht nur der deut­sche Natio­nal­so­zia­lis­mus, der mit sei­ner mili­tant heid­nisch-anti­christ­li­chen Ideo­lo­gie die Kir­che und die Chri­sten ver­folg­te. Heu­te geht die Ver­fol­gung in Euro­pa und im Ori­ent und an vie­len ande­ren Orten von ande­rer Sei­te aus.

Ver­schie­de­ne Ideo­lo­gien sind aber bekannt­lich häu­fig nur ver­schie­de­ne For­men immer der­sel­ben dia­bo­li­schen Grund­sät­ze: Radi­ka­le Ableh­nung des Chri­sten­tums, radi­ka­ler Rela­ti­vis­mus zugun­sten par­ti­ku­la­rer Wer­te und Zie­le (Klas­se, Ras­se, Nati­on, Par­tei u. dgl.), radi­ka­le Bestrei­tung des Sit­ten­ge­set­zes und Abschaf­fung eines gerech­ten Rechtssystems.

Genau die­se Din­ge kom­men heu­te wie­der in ande­ren Far­ben und unter ande­ren Vor­zei­chen auf uns zu.

Der­zeit gibt es hier­zu­lan­de kei­ne KZs, in die Dis­si­den­ten gebracht wer­den. Die Dro­hung des Ver­lu­stes der Arbeits­stel­le oder die sozia­le Iso­la­ti­on bringt jedoch vie­le zum Schwei­gen. Auch die sich stän­dig ändern­de Geset­zes­la­ge („Anti­dis­kri­mi­nie­rung“, „Ver­het­zungs­pa­ra­graph“) tut das Ihri­ge, wohl­mei­nen­de Men­schen einzuschüchtern.

Der Charakter des Glaubenszeugen und die verschiedenen Lebensgeschichten

Wenn man sich die in der Fran­zis­ka­ner­kir­che vor­ge­stell­ten Per­so­nen ansieht, wird man sowohl lau­te­ren Cha­rak­ter als auch ein festes Glau­bens­fun­da­ment erken­nen. Alle waren sie bereit, einer staat­li­chen Macht zu trot­zen, die das Unrecht zum Gesetz gemacht hat­te. Eini­ge von ihnen hat­ten einen kom­pli­zier­ten per­sön­li­chen Weg hin­ter sich, min­de­stens einer sym­pa­thi­sier­te zunächst mit der neu­en, „moder­nen“ Ideo­lo­gie des Nationalsozialismus.

Die bekann­te­sten der prä­sen­tier­ten Per­so­nen sind die seli­ge Sr. Maria Resti­tu­ta Kaf­ka (Hart­mann­schwe­ster), der seli­ge Franz Jäger­stät­ter (St. Rade­gund, Ober­öster­reich), der seli­ge Otto Neururer (Pfar­rer von Göt­zens, Tirol), der seli­ge Pro­vi­kar Carl Lam­pert (Inns­bruck-Feld­kirch), Sr. Ange­la Maria Autsch (Tri­ni­ta­rie­rin, der „Engel von Ausch­witz“), P. Titus Hel­de (Sal­va­to­ria­ner), DDr. Hein­rich Mai­er (Kaplan von Gerst­hof, Wien XVIII.) und Roman Karl Scholz (Klo­ster­neu­bur­ger Augu­sti­ner Chor­herr). Sodann wer­den Zister­zi­en­ser der Stif­te Hei­li­gen­kreuz und Wil­he­ring (Abt Bern­hard Burg­stal­ler), Kar­me­li­ten, Jesui­ten und Diö­ze­san­prie­ster vor­ge­stellt. Bemer­kens­wert ist auch das Leben der Barm­her­zi­gen Schwe­ster Anna Ber­tha Grä­fin zu König­segg-Aulen­dorf (die das Regime über­leb­te und 1948 ver­starb), die sich gegen Zwangs­ste­ri­li­sa­ti­on und „Eutha­na­sie“ einsetzte.

Schließ­lich ist die hebräi­sche Katho­li­kin und Ange­hö­ri­ge des III. Ordens des Kar­mel, Sr. Maria Regi­na Fuhr­mann, zu nennen.

Kritik

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber müs­sen auch zwei Kri­tik­punk­te genannt werden.

Unver­meid­li­cher­wei­se wer­den erstens heut­zu­ta­ge auch katho­li­sche Blut­zeu­gen des Natio­nal­so­zia­lis­mus für die all­ge­gen­wär­ti­ge kon­for­me Geschichts­deu­tung her­an­ge­zo­gen. Gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus zu sein, ist der­zeit bekannt­lich wohlfeil.

Auf der Schau­ta­fel, die Hw. Alo­is Poranzl, den Pfar­rer von Arbing (Ober­öster­reich, 1943 im Gefäng­nis in Linz ver­stor­ben), zeigt, wer­den zwei sei­ner Aus­sa­gen zitiert. Die eine lau­tet, daß für ihn Hit­ler und Mus­so­li­ni „die größ­ten Ver­bre­cher des Jahr­hun­derts“ sei­en, die ande­re: „Zehn Kom­mu­ni­sten sind mir lie­ber als so eine brau­ne Bestie.“ Pfar­rer Poranzl hat bei­des so gese­hen und daß er es im Macht­ge­biet der Kri­ti­sier­ten und nicht im siche­ren Exil aus­ge­spro­chen hat, unter­schei­det ihn von so man­chem Maulhelden.

Da es aber hier um sub­jek­ti­ve Ein­schät­zun­gen geht, wird man sagen müs­sen: Hät­te er in Ruß­land oder der Ukrai­ne gelebt oder hät­te er unser heu­ti­ges Wis­sen gehabt, hät­te er sich wohl anders ausgedrückt.

In einer kon­tex­tua­li­sie­ren­den Anmer­kung hät­ten die Kura­to­ren daher durch­aus auch auf die Opfer­zah­len des Sowjet­kom­mu­nis­mus, und zwar schon bis 1932/​1933 (ukrai­ni­scher Holo­do­mor), hin­wei­sen kön­nen. Denn das hät­te auch den Erfolg des Natio­nal­so­zia­lis­mus als selbst­er­klär­tem „Geg­ner“ des Bol­sche­wis­mus (unter ande­rem) zu erklä­ren geholfen.

Der zwei­te Kri­tik­punkt ist, daß man die Aus­stel­lung nicht in einer Kir­che durch­füh­ren hät­te sol­len. Das stän­di­ge Her­um­ge­hen der Besu­cher und deren zwangs­läu­fi­ge Ori­en­tie­rung an der Aus­stel­lung und nicht an dem, für des­sen Ein­woh­nung die Kir­che gebaut ist, sind dem Sakral­raum unangemessen.

Die Ver­ewig­ten waren from­me Leu­te und hät­ten das wohl auch so gesehen.

Im Kreuz­gang des Fran­zis­ka­ner­klo­sters wäre genug Platz gewesen.

Behält man bei­des im Hin­ter­kopf, kann die Aus­stel­lung ein über­aus wert­vol­ler geist­li­cher Impuls sein und zu per­sön­li­chen Resü­mees anregen:

Resümee für die Gegenwart

Machen wir ein Gedan­ken­ex­pe­ri­ment: Wie wür­de man heut­zu­ta­ge Katho­li­ken bezeich­nen, die sich aus katho­li­scher Über­zeu­gung mit einer gera­de „moder­nen“ anti­christ­li­chen Ideo­lo­gie bzw. einer auf die­ser Ideo­lo­gie beru­hen­den Staats­macht anle­gen? Wür­de man sagen „fana­tisch“? Oder „fun­da­men­ta­li­stisch“? „Unfä­hig zum Dia­log“? „Erken­nen die nicht die Zei­chen der Zeit“?

Allei­ne schon die­se Fra­gen zei­gen, wie sich die Zei­ten – trotz man­cher Unter­schie­de im Detail – ähneln. Denn die Mär­ty­rer wur­den damals auch mit sol­chen Vor­wür­fen konfrontiert.

Und auch heu­te beob­ach­ten wir einen mas­si­ven Anschlag auf das mensch­li­che Leben und die Men­schen­wür­de durch den mas­sen­haf­ten, unbe­wein­ten und unge­sühn­ten Mord an den unge­bo­re­nen Kin­dern. Dazu kommt die immer lau­ter dis­ku­tier­te Eutha­na­sie an Alten und Kran­ken. Schließ­lich fin­det ein hun­dert­tau­send­fa­ches Mor­den im Namen eines bestimm­ten „Got­tes“ statt. Auch das kommt immer näher.

Kri­tik an all dem wird immer stär­ker kriminalisiert.

Die Fra­gen sind:

Lohnt es sich über­haupt, sich dage­gen auf­zu­leh­nen? Bringt es etwas?

Genau die­se Fra­gen müs­sen sich die Glau­bens­zeu­gen der NS-Zeit auch gestellt haben. Sie haben sie rich­tig beant­wor­tet. Für man­che bedeu­te­te es das Todesurteil.

So schwer das auch ist, muß man doch immer den Blick auf das Ende und auf die Ewig­keit öffnen:

„Früh voll­endet, hat der Gerech­te doch ein vol­les Leben gehabt; da sei­ne See­le dem Herrn gefiel, ent­eil­te sie aus der Mit­te des Bösen“ (Weish 4,13f).

Von daher emp­fiehlt sich eine nähe­re Kon­sul­ta­ti­on der Ausstellung.

Katho­li­ken, die um die Ver­bin­dung der pil­gern­den Kir­che mit der Kir­che in der Voll­endung wis­sen, wer­den sich die Ver­ewig­ten auch zu Freun­den und Für­spre­chern machen wollen.

Dank und Aner­ken­nung gebührt den Kuratoren.

Die Aus­stel­lung ist bis 10. Novem­ber zu den Öff­nungs­zei­ten der Kir­che zu besichtigen.

Nachtrag: eine Buchempfehlung

Es gibt eine her­vor­ra­gen­de Samm­lung von 18 Kurz­bio­gra­phien katho­li­scher Mär­ty­rer im Öster­reich der NS-Zeit bzw. der unmit­tel­ba­ren Fol­ge­zeit, auf die hier nach­drück­lich hin­ge­wie­sen wer­den soll:

Ilde­fons M. Fux, Für Chri­stus und Öster­reich – Men­schen, die Jesus Chri­stus und ihr Hei­mat­land lieb­ten. Ver­ein Per­fec­tae Cari­ta­tis, Wien 2001; erhält­lich ebd., Tel.: +43 01 799 23 76 (www​.gott​ge​weiht​.at)

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge, Phi­lo­soph, Kate­chist, Grün­dungs­mit­glied der „Platt­form Soli­da­ri­tät mit ver­folg­ten Chri­sten“ (Wien)

Bild: Una Fides

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