„Der Disput Kasper gegen Ratzinger, den Franziskus neu entfacht hat“


Ratzinger und Kasper, zwei Kardinäle, zwei Gegenspieler in einem anscheinend endlosen Disput
Ratz­in­ger und Kas­per, zwei Kar­di­nä­le, zwei Gegen­spie­ler in einem anschei­nend end­lo­sen Disput

(Rom) In der aktu­el­len Aus­ga­be des Wochen­ma­ga­zins L’Espresso (44/​2015) faß­te der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster im Rück­blick die zwei ver­gan­ge­nen Syn­oden­jah­re zusam­men. Im Arti­kel: „Dis­put Kas­per gegen Ratz­in­ger, der nicht enden will“ zeich­net Magi­ster die Bruch­li­ni­en in der Kir­che nach, die durch die Fami­li­en­syn­ode zuta­ge getre­ten sind. Zum Dis­put schreibt Magi­ster: „Fran­zis­kus hat ihn neu ange­facht und die Syn­ode hat ihn nicht gelöst. In den Para­gra­phen über die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen kommt das Wort ‚Kom­mu­ni­on‘ nicht vor. Der Papst könn­te es aber, kraft sei­ner Auto­ri­tät, hinzufügen“. 

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„Die Unzu­frie­den­heit war spür­bar“, die Papst Fran­zis­kus über den Syn­oden­aus­gang heg­te. In sei­ner Schluß­re­de vor der Syn­oden­ver­samm­lung und in der Pre­digt zum Syn­oden­ab­schluß nahm er sich noch ein­mal die „kon­spi­ra­ti­ve Her­me­neu­tik“ vor: gegen die „Indok­tri­nie­rer“, die das Evan­ge­li­um „zu toten Stei­nen machen wol­len, mit denen man die ande­ren bewer­fen kann“ und gegen „die ver­schlos­se­nen Her­zen […], die sich oft sogar hin­ter den Leh­ren der Kir­che oder hin­ter den guten Absich­ten ver­stecken, um sich auf den Stuhl des Mose zu set­zen und – manch­mal von oben her­ab und mit Ober­fläch­lich­keit – über die schwie­ri­gen Fäl­le und die ver­letz­ten Fami­li­en zu richten.“

„Dabei“, so Magi­ster, „ist der am 24. Okto­ber beschlos­se­ne Schluß­be­richt eine ein­zi­ge Hym­ne an die Barm­her­zig­keit, von der ersten bis zur letz­ten Zei­le“. Ein Text, was Magi­ster nicht erwähnt, den der Vati­kan, nach wie vor nicht für wert befun­den hat, außer Ita­lie­nisch auch noch in ande­ren Spra­chen vor­zu­le­gen. Auch dar­in kommt eine Gering­schät­zung, oder wie Magi­ster sagt, die „spür­ba­re Unzu­frie­den­heit“ des Pap­stes, zum Ausdruck.

Aller­dings „fin­det sich in die­sem Doku­ment kein Wort, das die Dok­trin und die Dis­zi­plin der katho­li­schen Kir­che von jenem ‚Nein‘ zur Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne löst, das die wirk­li­che Mau­er war, die die Neue­rer ein­rei­ßen und damit eine Bre­sche auf­tun woll­ten, die direkt zur Zulas­sung der Schei­dung und der Zweit­ehe geführt hätte“.

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„Zwei Jah­re dau­er­te das Unter­neh­men von der Ankün­di­gung der Dop­pel­syn­ode bis zu ihrem Abschluß. Dabei war der Beginn im Febru­ar 2014 so blen­dend durch den deut­schen Theo­lo­gen und Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, ein Erneue­rer zeit sei­nes Lebens, den Fran­zis­kus damit beauf­tragt hat­te, den zum Kon­si­sto­ri­um ver­sam­mel­ten Kar­di­nä­len die Linie zu diktieren.

Die Wahl Kas­pers als Haupt­dar­stel­ler war selbst bereits Pro­gramm. Seit 30 Jah­ren lie­fer­te er sich ein Duell mit sei­nem histo­ri­schen Gegen­spie­ler, sei­nem Lands­mann Joseph Ratz­in­ger, auch er Theo­lo­ge, dann Kar­di­nal und schließ­lich Papst, und das genau zu den bei­den Haupt­streit­punk­ten der zu Ende gegan­ge­nen Syn­ode: die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne und die Ver­schie­bung der Zustän­dig­kei­ten von der Welt­kir­che zu den Ortskirchen.

An bei­den Fron­ten war Ratz­in­ger bereits als Kar­di­nal sieg­reich dank der Auto­ri­tät von Johan­nes Paul II., den er hin­ter sich wuß­te. Als er selbst Papst wur­de, grenz­te er sei­nen Gegen­spie­ler aber weder aus noch demü­tig­te er ihn. Viel­mehr behielt er ihn mit einem pre­sti­ge­träch­ti­gen Auf­trag an sei­ner Sei­te als Vor­sit­zen­der des Päpst­li­chen Rates zur För­de­rung der Ein­heit der Christen.

Dann aber kam Fran­zis­kus und eröff­ne­te das gan­ze Spiel neu, und mit ihm kehr­te auch Kas­per zurück als äußerst akti­ver Wort­füh­rer der Erneue­rer, wäh­rend Ratz­in­ger sich selbst als eme­ri­tier­ter Papst zu Schwei­gen und Gebet in Zurück­ge­zo­gen­heit ver­pflich­tet hatte.

Der Feh­ler der Neue­rer war aber, daß sie über­trie­ben haben. Bei der Syn­ode im Okto­ber 2014 scho­ben sie in den Zwi­schen­be­richt eine Rei­he eff­eft­hei­schen­der For­mu­lie­run­gen ein, die sofort ein media­les Geschrei über eine „Revo­lu­tio­nie­rung“ der katho­li­schen Dok­trin nicht nur in Sachen Ehe, son­dern auch in Sachen Homo­se­xua­li­tät auslösten.

Die­se For­mu­lie­run­gen spie­gel­ten aber kei­nes­wegs wider, was in der Syn­ode­nau­la gesagt wor­den war. Der Gegen­schlag war töd­lich. Die bei­den Kar­di­nä­le, der Ungar Peter Erdö und der Süd­afri­ka­ner Wil­frid Fox Napier, kri­ti­sier­ten öffent­lich das Manö­ver und benann­ten im Syn­oden­son­der­se­kre­tär Bru­no For­te den Haupt­ver­ant­wort­li­chen der Mani­pu­la­ti­on. Der Schluß­be­richt 2014 lösch­te die will­kür­lich ein­ge­füg­ten Sät­ze und die Homo­se­xua­li­tät ver­schwand aus der Synodenagenda.

Die Fra­ge der Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen blieb aber um so deut­li­cher offen. Papst Fran­zis­kus bestä­tig­te For­te auch für die zwei­te und letz­te Syn­oden­ses­si­on als Son­der­se­kre­tär und stärk­te durch geziel­te Ernen­nun­gen die Mann­schaft der Erneuerer.

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Und so kom­men wir zum Oktober.

Der Brief von drei­zehn nam­haf­ten Kar­di­nä­len, dar­un­ter Napier, den sie am ersten Arbeits­tag der Syn­ode dem Papst über­ge­ben, irri­tiert zwar den Emp­fän­ger, erreicht aber letzt­lich das gewoll­te Ziel: daß sich Manö­ver wie im Vor­jahr nicht wiederholen.

In der Aula und in den nach Spra­chen getrenn­ten Arbeits­grup­pen zeich­net sich sofort eine brei­te Mehr­heit gegen die Kom­mu­ni­on für die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen ab, die an vor­der­ster Front die Bischö­fe Nord­ame­ri­kas, Ost­eu­ro­pas und vor allem Afri­kas zeigt.

Die Wahl des Rates am 22. Okto­ber, der als Brücke zwi­schen einer Syn­ode und der näch­sten die­nen soll, prä­miert in mas­si­ver Dosie­rung der Stim­men drei der drei­zehn Unter­zeich­ner des Beschwer­de­schrei­bens an den Papst: die Kar­di­nä­le Geor­ge Pell, Robert Sarah und Wil­frid Napier, eben­so drei wei­te­re Kar­di­nä­le und Bischö­fe der­sel­ben Richtung.“

Was Magi­ster an die­ser Stel­le nicht erwähnt: Die­ses Votum der Syn­ode war die Ant­wort auf den Ver­such von Papst Fran­zis­kus, den Syn­oda­len nach drei Wochen der Syn­oden­ar­beit fak­tisch den­sel­ben Text des Instru­men­tum labo­ris als Schluß­be­richt vor­zu­le­gen, der von Anfang an auf hef­ti­ge Kri­tik und Ableh­nung unter den Syn­oden­vä­tern gesto­ßen war. Ein erstaun­lich unge­schick­ter Schritt des Pap­stes, der gera­de­zu zwangs­läu­fig als offe­ner Affront auf­ge­faßt wer­den muß­te und auch wurde.

„Zu die­ser Zeit reift im von Kas­per domi­nier­ten Cir­culus Ger­ma­ni­cus die Ent­schei­dung, auf eine Mini­mal­lö­sung umzu­schwen­ken. Auf­grund der Stim­mung in der Syn­ode scheint das der ein­zi­ge noch denk­ba­ren Weg zu sein, um noch einen Mini­mal­erfolg zu ret­ten: die ‚Unter­schei­dung‘ der Fäl­le samt mög­li­cher Zulas­sung zu den Sakra­men­ten soll dem ‚Forum inter­num‘ anver­traut wer­den und damit dem Betrof­fe­nen zusam­men mit dem Beichtvater.

Die­sen Weg hat­te selbst Bene­dikt XVI. nicht aus­ge­schlos­sen“, aller­dings auch nicht gut­ge­hei­ßen, „son­dern gemeint, daß die Fra­ge einer ‚gründ­li­chen Unter­su­chung und Klä­rung‘ unter­zo­gen wer­den müs­se“, um ein abschlie­ßen­des Urteil abge­ben zu kön­nen. „Die­sem Weg stimm­te Kar­di­nal Mül­ler, der Glau­bens­prä­fekt und treu­er Ratz­in­ge­ria­ner im Cir­culus Ger­ma­ni­cus zu.

Im Schluß­be­richt fin­det sich in den drei Para­gra­phen zu den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen der deut­sche Text block­wei­se wie­der, aller­dings mit eini­gen maß­geb­li­chen Strei­chun­gen. Andern­falls hät­te der Text noch immer kei­ne Mehr­heit gefunden.

So fin­den sich im Text, der mit einer Stim­me Mehr­heit geneh­migt wur­de, die Wor­te ‚Zugang zu den Sakra­men­ten‘ nicht mehr. Man kann sie sich besten­falls mit­den­ken. Eben­so­we­nig das Wort ‚Kom­mu­ni­on‘ oder irgend­ein Äqui­va­lent dafür.

Die Schluß­ent­schei­dung steht allein Fran­zis­kus zu. Er könn­te die gestri­che­nen Wor­te wie­der ein­fü­gen. Doch eines steht fest, die Syn­ode, die er so sehr woll­te, hat sich auf eine Wei­se geäu­ßert, die weit von sei­nen Erwar­tun­gen ent­fernt ist.“

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Donum fidei

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