Benedikt XVI. und der Synodenausgang – oder besser – Die Kasperianer und die Zeit nach Franziskus


Benedikt XVI. und Kardinal Schönborn
Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Schönborn

(Rom) Für Auf­se­hen sorg­te unter Katho­li­ken der Arti­kel von Mar­co Ansal­do, dem Vati­ka­ni­sten von La Repubbli­ca, über die ent­schei­den­de Schluß­pha­se der Syn­ode. Ansal­do berich­te­te über ein Mit­tag­essen, das Wiens Erz­bi­schof, Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born, in der letz­ten Syn­oden­wo­che mit Bene­dikt XVI. ein­ge­nom­men hat­te. Das Essen fand in des­sen frei­wil­lig gewähl­tem Refu­gi­um, dem Klo­ster Mater Eccle­siae, im Vati­kan statt. Das ist eine gesi­cher­te Tat­sa­che, die als Besuch eines Schü­lers bei sei­nem alten Leh­rer ver­bucht wurde.

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Nicht gesi­chert ist hin­ge­gen, was Ansal­do andeu­tet oder jeden­falls andeu­ten woll­te, daß Kar­di­nal Schön­born den eme­ri­tier­ten Papst bewegt habe, auf Kar­di­nal Mül­ler und über die­sen auf die Grup­pe der Ver­tei­di­ger des katho­li­schen Ehe­sa­kra­ments ein­zu­wir­ken, damit am Ende doch die Zwei­drit­tel­mehr­heit für den Syn­oden­schluß­be­richt zustan­de­kom­men und die sich abzeich­nen­de öffent­li­che Des­avou­ie­rung von Papst Fran­zis­kus abge­wen­det wer­den konnte.

Die Fakten

Tat­sa­che ist, daß Kar­di­nal Schön­born bereits im Cir­culus Ger­ma­ni­cus in der Rol­le des Mode­ra­tors eine zen­tra­le Rol­le spiel­te, um ein gemein­sa­mes Doku­ment zwi­schen den gegen­sätz­li­chen Posi­tio­nen von Kar­di­nal Kas­per und Kar­di­nal Mül­ler zustan­de­zu­brin­gen. Tat­sa­che ist auch, daß der Bericht der deut­schen Arbeits­grup­pe, wenn auch deut­lich modi­fi­ziert, zur ent­schei­den­den For­mel wur­de, um die Schluß­ab­stim­mung und damit die zwei­jäh­ri­ge Syn­oden­ar­beit „zu ret­ten“. Tat­sa­che ist, daß die Empö­rung unter den Syn­oda­len groß war, als ihnen nach drei Wochen Syn­oden­ar­beit von Papst Fran­zis­kus als Schluß­do­ku­ment fak­tisch wie­der der unver­än­der­te Text des von vie­len so hef­tig kri­ti­sier­ten Instru­men­tum labo­ris vor­ge­legt wurde.

Tat­sa­che ist daher, das wird von Ver­tre­tern aller Sei­ten bestä­tigt, daß die­ses Doku­ment kei­ne Mehr­heit in der Syn­ode gefun­den hät­te. Tat­sa­che ist damit eben­so, daß damit ein schwer­wie­gen­der Riß in der Kir­che sicht­bar gewor­den wäre. Ein Riß, des­sen unab­seh­ba­re Kon­se­quen­zen Ner­vo­si­tät und Sor­ge unter eini­gen Syn­oden­vä­tern aus­ge­löst hat, auch unter den Ver­tei­di­gern der Ehe- und Moral­leh­re. Ein Riß der des­halb und schließ­lich durch fre­ne­ti­sche Ver­hand­lun­gen einen neu­en Text ent­ste­hen ließ, der am Ende die nöti­ge Mehr­heit fand, wenn auch im ent­schei­den­den Para­gra­phen der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, um den sich die gan­ze Syn­ode gedreht hat­te, nur wegen einer ein­zi­gen Stimme.

Tatsache oder gewollter Eindruck?

In kei­ner Wei­se erhär­tet ist bis­her, ob und in wel­cher Wei­se Bene­dikt XVI. tat­säch­lich auf eine Kom­pro­miß­lö­sung ein- oder hin­ge­wirkt hat. Oder ob und inwie­fern Kar­di­nal Schön­born even­tu­ell eine Unter­stüt­zung durch den zurück­ge­tre­te­nen Papst gegen­über ande­ren Syn­oda­len behaup­tet oder auch nur ange­deu­tet hat.

Tat­sa­che ist, daß Ansal­do einen sol­chen Ein­druck erwecken woll­te, ‚über das gemein­sa­me Mit­tag­essen hin­aus, kon­kre­te Bele­ge nen­nen zu kön­nen. Der ent­schei­den­de Punkt in sei­nem Arti­kel war letzt­lich auch gar nicht das Mit­tag­essen oder Bene­dikt XVI., son­dern die Gestalt des Wie­ner Erz­bi­schofs, den er ohne Zögern in den umstrit­te­nen Syn­oden­fra­gen zu den „Pro­gress­si­sten“ zählte.

Tat­sa­che ist auch, daß Mar­co Ansal­do zu den aus­ge­wähl­ten Jour­na­li­sten gehör­te, die im ver­gan­ge­nen Mai an der Gre­go­ria­na am Geheim­tref­fen der Kas­pe­ria­ner teil­nah­men, mit dem sich die Ver­tre­ter der „neu­en Barm­her­zig­keit“ für die Syn­ode orga­ni­sier­ten. Ansal­do ist damit in der Sache Par­tei. Um so mehr Gewicht kommt sei­ner Ein­schät­zung zu, Kar­di­nal Schön­born dem pro­gres­si­sti­schen Lager zuzu­rech­nen, der bis­her all­ge­mein doch ganz anders ein­ge­stuft wur­de. Schön­born hat­te selbst am Geheim­tref­fen teil­ge­nom­men. Und um so mehr darf ange­nom­men wer­den, daß Ansal­do Bene­dikt XVI. mit gewis­ser Absicht in die Sache invol­vie­ren woll­te. Abge­se­hen davon, daß er den deut­schen Papst für sei­ne The­se von Schön­born als dem idea­len Ver­mitt­ler, zwi­schen den bei­den gro­ßen „Frak­tio­nen“ der Kir­che, zwi­schen dem argen­ti­ni­schen und dem deut­schen Papst, brauchte.

Das Anliegen: Kardinal Schönborn für die Franziskus-Nachfolge in Stellung zu bringen

Schön­borns diplo­ma­ti­schem Geschick ist es gelun­gen, so Ansal­do, zwi­schen den Pro­gres­si­sten, zu denen er sich in Sachen wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen und Homo­se­xua­li­tät mehr­fach bekann­te, und den Ratz­in­ge­ria­nern, zu denen er gemein­hin als Schü­ler Ratz­in­gers, als des­sen Mit­ar­bei­ter an der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und wegen des­sen För­de­rung gerech­net wird, zu ver­mit­teln. Er habe damit, so das ver­mit­tel­te Gesamt­bild, die Kir­che vor einem veri­ta­blen Bruch bewahrt und Papst Fran­zis­kus vor einem Gesichts­ver­lust, der auch auf­grund der Per­sön­lich­keits­struk­tur des regie­ren­den Pap­stes unab­seh­ba­re Fol­gen haben konnte.

Ansal­do woll­te vor allem die­sen Bonus, der Schön­born kir­chen­in­tern von eini­gen ange­rech­net wird, her­aus­strei­chen und den Sproß eines alten frän­ki­schen Adels­ge­schlechts, das zahl­rei­che Diplo­ma­ten und Bischö­fe her­vor­ge­bracht hat, als prä­de­sti­nier­ten Kan­di­da­ten für die Fran­zis­kus-Nach­fol­ge ins Bild set­zen, oder anders gesagt, ins Spiel brin­gen. Wohl wis­send, daß Papst Fran­zis­kus, laut eige­nem Bekun­den, als ein­zi­ge Tages­zei­tung täg­lich La Repubbli­ca liest.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: la Torre

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