Papst Franziskus und eine „Historische Rede“, „Doktrinelles Erdbeben“ oder „Heilsame Protestantisierung“?


50 Jahre Bischofssynoden
Fest­akt: 50 Jah­re Bischofs­syn­ode mit den Synodalen

(Rom) Am Sams­tag fand in der Audi­enz­hal­le „Paul VI.“ im Vati­kan eine Gedenk­fei­er zum 50. Jah­res­tag der Errich­tung der Bischofs­syn­ode durch Paul VI. statt, deren erste ordent­li­che Bischofs­syn­ode 1967 abge­hal­ten wur­de und deren 14. ordent­li­che Bischofs­syn­ode gera­de in Rom statt­fin­det. In sei­ner Rede sag­te Papst Fran­zis­kus: „Ich bin nur ein Getauf­ter“ und kün­dig­te an, das Petrus­amt zu „über­den­ken“ und zu „dezen­tra­li­sie­ren“.

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Kar­di­nal Rein­hard Marx sprach im Anschluß von einer „histo­ri­schen Rede“. Der Öster­rei­chi­sche Rund­funk von einer „pro­gram­ma­ti­schen Rede“. Der Haus- und Hof­va­ti­ka­nist des Pap­stes, Andrea Tor­ni­el­li gar von einer „Wen­de“ für die Kir­che. Il Giorn­a­le hin­ge­gen von einem „dok­tri­nel­len Erdbeben“. 

Radio Vati­kan – Deut­sche Sek­ti­on titel­te: „Papst­an­spra­che: Syn­oda­li­tät für das drit­te Jahr­tau­send“, KAP, die Pres­se­agen­tur der Öster­rei­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz: „Fran­zis­kus: Das drit­te Jahr­tau­send braucht eine syn­oda­le Kir­che“. Die spa­ni­sche katho­li­sche Nach­rich­ten­sei­te Secre­tum meum mihi frag­te hin­ge­gen, ob Papst Fran­zis­kus mit der von ihm ange­kün­dig­ten „Dezen­tra­li­sie­rung“ eine „Pro­te­stan­ti­sie­rung“ der Kir­che wolle.

Plädoyer für die „Synodalität“

Vor den ver­sam­mel­ten Syn­oda­len und Audi­to­ren hielt Papst Fran­zis­kus eine Fest­re­de, die er zum Plä­doy­er für die Syn­oda­li­tät als Ver­wirk­li­chung der Kol­le­gia­li­tät mach­te. Denn die Kol­le­gia­li­tät, wie sie das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil gewünscht habe, sei noch „nicht voll­stän­dig ver­wirk­licht“. Die Kir­che sei erst „auf hal­bem Weg“. Des­halb for­der­te der Papst dazu auf, eine „syn­oda­le Kir­che“ zu bau­en als Kir­che des drit­ten Jahr­tau­sends. Wört­lich sag­te das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt: „Genau der Weg der Syn­oda­li­tät ist der Weg, den Gott sich von der Kir­che des drit­ten Jahr­tau­sends erwartet.“

Erst mit dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus wur­de der neue Begriff „Syn­oda­li­tät“ ein­ge­führt. Die erste Erwäh­nung mach­te Fran­zis­kus in sei­ner Pre­digt am Hoch­fest Peter und Paul 2013. Katho​li​sches​.info ver­öf­fent­lich­te damals den Arti­kel Bischofs­kol­le­gi­um oder Bischofs­syn­ode? Wenn der Über­set­zer den Papst kor­ri­giert. Dazu die voll­stän­di­ge deut­sche Über­set­zung der Pre­digt vom 29. Juni 2013, wie sie heu­te auf der Sei­te des Hei­li­gen Stuhls ver­öf­fent­licht ist.

Ob Papst Fran­zis­kus an eine „Syn­oda­li­tät“ im Sin­ne des Hei­li­gen Syn­od der ortho­do­xen Kir­chen denkt, oder an die Syn­oden der pro­te­stan­ti­schen Lan­des­kir­chen, die mehr Kir­chen­par­la­men­ten ähneln, geht aus der Rede nicht her­vor. Die Rede wirft daher Fra­gen auf. Wäh­rend man­che jubeln, wie der Vor­sit­zen­de der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, äußern ande­re Sor­gen und Beden­ken. „Eine heil­sa­me Pro­te­stan­ti­sie­rung Dezen­tra­li­sie­rung“ der Kir­che“ titel­te bei­spiels­wei­se die katho­li­sche spa­ni­sche Nach­rich­ten­sei­te Secre­tum meum mihi. „Wir haben ‚Pro­te­stan­ti­sie­rung‘ geschrie­ben? Wer weiß, war­um wir das wohl denken?“

„Conversio“ – die „Neuausrichtung“ des Papsttums

Einen Teil sei­ner Fest­re­de vom ver­gan­ge­nen Sams­tag wid­me­te er der Rol­le und Bedeu­tung des Petrus­am­tes. Er for­der­te, wie bereits in Evan­ge­li­um Gau­di­um, eine „con­ver­sio“ des Papst­tums. Gleich­zei­tig sprach Fran­zis­kus den Bischofs­kon­fe­ren­zen eine beson­de­re Bedeu­tung zu und erklär­te, den Weg der „Dezen­tra­li­sie­rung“ der Ent­schei­dungs­pro­zes­se in der Kir­che fort­set­zen zu wol­len. Er erklär­te eben­so, daß die „Orts­bi­schö­fe“ man­che Pro­ble­me auch durch eige­nes Urteils­ver­mö­gen ohne den Papst lösen könnten.

Im Bereich der Öku­me­ne erklär­te sich der Papst zum Vor­sit­zen­den „in der Lie­be“ von „allen Kir­chen“. Die Fra­ge, was als Kir­che ver­stan­den und aner­kannt wird, wur­de nicht behan­delt. Erwäh­nung fan­den die ortho­do­xen Kirchen.

Die Erwäh­nung der „Dezen­tra­li­sie­rung“ im Zusam­men­hang mit der ange­spro­che­nen Über­tra­gung von Ent­schei­dungs­be­fug­nis­sen auf die Orts­bi­schö­fe erfolgt in einem Moment, in dem pro­gres­si­ve Kir­chen­krei­se im Zusam­men­hang mit umstrit­te­nen Fra­gen, die von der Bischofs­syn­ode behan­delt wer­den, von unter­schied­li­chen Lösun­gen in ver­schie­de­nen Erd­tei­len spre­chen. Sie erfolgt auch im Zusam­men­hang mit der von Papst Fran­zis­kus ange­ord­ne­ten Neu­re­ge­lung der Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren, die am kom­men­den 8. Dezem­ber in Kraft tre­ten wird. Dar­in wer­den den Orts­bi­schö­fen bereits neue Befug­nis­se übertragen.

Will der Papst eine per­ma­nent tagen­de Syn­ode (Kir­chen­par­la­ment) oder/​und eine mit Ent­schei­dungs­be­fug­nis­sen aus­ge­stat­te­te Syn­ode, die nicht mehr nur bera­ten­des Organ des Pap­stes ist? Will der Papst die Zurück­stu­fung des Pap­stes zum pri­mus inter pares?

Die vollständige Rede des Papstes in deutscher Übersetzung

Das Echo der pro­gres­si­ven Agen­da der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te scheint kaum zu über­hö­ren. Eben­so der Pres­se­kon­fe­renz von Kar­di­nal Marx Ende Febru­ar 2015, als er erklär­te, die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz sei ja „kei­ne Filia­le Roms“.

Katho​li​sches​.info ver­öf­fent­licht die Rede von Papst Fran­zis­kus voll­stän­dig und in eige­ner Über­set­zung. Eine offi­zi­el­le deut­sche Über­set­zung durch den Hei­li­gen Stuhl liegt der­zeit eben­so­we­nig vor, wie für die Eröff­nungs­re­de zur Bischofs­syn­ode. Die eigen­stän­di­ge Über­set­zung, trotz einer weit­ge­hen­den Über­set­zung durch die Deut­sche Sek­ti­on von Radio Vati­kan schien uns wegen der Bedeu­tung der päpst­li­chen Aus­sa­gen geboten.

Kur­siv gesetz­te Stel­len ent­spre­chen dem vom Vati­kan ver­öf­fent­lich­ten ita­lie­ni­schen Ori­gi­nal der Anspra­che. Unter­stri­che­ne Stel­len wur­den von der Redak­ti­on her­vor­ge­ho­ben. Damit soll die Auf­merk­sam­keit, ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit oder eine syste­ma­ti­sche Ana­ly­se, auf bestimm­te Stel­len gelenkt wer­den. Hier geht es zum voll­stän­di­gen Rede von Papst Fran­zis­kus in deut­scher Über­set­zung.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Secre­tum Meum Mihi

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