Papst-Vertrauter berichtete als erster „Die Verschwörung der Dreizehn“


Torniellis Buch über den Papst, "der die Kirche verändert"
Tor­ni­el­lis Buch über den Papst, „der die Kir­che verändert“

(Rom) Die Nebel lich­ten sich immer mehr, rund um den Beschwer­de­brief der drei­zehn Kar­di­nä­le-Syn­oda­len. Die pro­gres­si­ve Pha­lanx ruft „Skan­dal“ und empört sich, daß das Schrei­ben öffent­lich bekannt­ge­macht wur­de. Zum Schul­di­gen wur­de der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster erklärt. Der renom­mier­te und alt­ge­dien­te Vati­ka­nist gilt unter Berg­o­glia­nern ohne­hin als Papst-Geg­ner Nr. 1 unter den Vati­ka­ni­sten. Auf ihn darf scho­nungs­los ein­ge­dro­schen und damit die Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Ehe- und Moral­leh­re unter den Syn­oda­len gemeint wer­den. Doch die Din­ge lie­gen etwas anders.

Flucht nach vorne: Papst-Vertrauter „enthüllte“ Schreiben der dreizehn Kardinäle

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Auch auf der heu­ti­gen Pres­se­kon­fe­renz, der drit­ten in Fol­ge, kri­ti­sier­te Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di „das schick­sal­haf­te Schrei­ben, das weit mehr Wider­hall gefun­den hat, als es verdient“.

Magi­ster schrieb dar­auf: „Gleich wie auch ein statt­li­ches Heer von Prä­la­ten und Jour­na­li­sten scheint er zu ver­ges­sen, daß der Erste, der die Nach­richt über die­sen ver­trau­li­chen Akt explo­die­ren ließ, nicht ein angeb­li­cher Agent der Unter­zeich­ner war, son­dern der dem Papst freund­schaft­lich ver­bun­de­ne und Fran­zis­kus am näch­sten ste­hen­de Vati­ka­nist, den es nur gibt, der häu­fi­ge Gast in San­ta Mar­ta und sein mehr­fa­cher Inter­view­er: Andrea Tor­ni­el­li, der Koor­di­na­tor des Nach­rich­ten­por­tals Vati­can Insider“.

Tat­säch­lich hat­te Tor­ni­el­li bereits ver­gan­ge­nen Don­ners­tag, den 8. Okto­ber einen Arti­kel über Kri­tik ver­öf­fent­licht, die von „drei­zehn Syn­oden­vä­tern“ an den Papst her­an­ge­tra­gen wur­de. Das war gan­ze vier Tage, bevor Magi­sters Arti­kel erschien. Tor­ni­el­li pla­zier­te sei­nen mit Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen gespick­ten Arti­kel zeit­gleich bei Vati­can Insi­der und der Tages­zei­tung La Stam­pa. Der Zei­tungs­ar­ti­kel setzt vor­aus, daß Tor­ni­el­li ihn bereits am Mitt­woch­abend des 7. Okto­ber fer­tig­ge­stellt hat­te. La Stam­pa ver­öf­fent­lich­te ihn auf Sei­te 9 unter der Rubrik „Hin­ter­grün­de“. Der erstaun­li­cher­wei­se unbe­ach­tet blei­ben­de Arti­kel hat­te einen ein­deu­ti­gen Titel: „Gelenk­te Syn­ode: Die Ankla­ge von 13 Prä­la­ten. Die Ant­wort des Pap­stes: Schluß mit kon­spi­ra­ti­ver Logik“.

Torniellis Artikel vom 8. Oktober in "La Stampa"
Tor­ni­el­lis Arti­kel vom 8. Okto­ber in „La Stampa“

Im Arti­kel berich­te­te Tor­ni­el­li mehr­fach und mit größ­ter Sicher­heit von drei­zehn Syn­oden­vä­tern als Unter­zeich­ner der Kri­tik. Nicht einer mehr und nicht einer weni­ger. Nament­lich genannt wur­de nur Kar­di­nal Geor­ge Pell, der Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats und C9-Kar­di­nals­rats­mit­glied für Ozea­ni­en, den Tor­ni­el­li als „den Här­te­sten“ bezeichnete.

Der Haus- und Hof­va­ti­ka­nist des Pap­stes schrieb nicht aus­drück­lich, daß es sich um einen Brief han­del­te. Wört­lich heißt es bei Tor­ni­el­li, „die drei­zehn Syn­oden­vä­ter haben an den Papst appel­liert“ und zwar am ersten Tag der Syn­oden­ar­bei­ten, am Mon­tag, den 5. Oktober.

Tornielli ließ die Unterzeichner im denkbar schlechtesten Licht erscheinen

Tor­ni­el­li nann­te dann The­men, die sich tat­säch­lich im, am 12. Okto­ber, von Magi­ster ver­öf­fent­lich­ten Brief wie­der­fin­den. Was bedeu­tet, daß Tor­ni­el­li mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit direk­ten Ein­blick in das Beschwer­de­schrei­ben hat­te, nach­dem es dem Papst über­ge­ben wor­den war. Mit ande­ren Wor­ten: Der Papst selbst dürf­te Tor­ni­el­li den Brief gezeigt haben.

Tor­ni­el­li stell­te das Schrei­ben und des­sen Inhalt aller­dings so dar, daß das denk­bar schlech­te­ste Licht auf die drei­zehn Unter­zeich­ner fal­len muß­te. Er bezeich­ne­te sie den gan­zen Arti­kel hin­durch als „Lob­by“, die ver­su­che, von „kon­spi­ra­ti­ver Logik“ gelei­tet, „Druck“ aus­zu­üben zum Zweck, „den Ein­druck zu erwecken, daß die Syn­ode vom Gene­ral­se­kre­ta­ri­at und letzt­lich vom Papst ‚gelenkt‘ sei, damit sie eine Rich­tung der Öff­nung einschlage“.

Der Arti­kel wie­der­hol­te dann aus­führ­lich die „Ant­wort“, die am Mor­gen des 6. Okto­ber vom Syn­oden­ge­ne­ral­se­kre­tär Kar­di­nal Bal­dis­se­ri und Papst Fran­zis­kus in der Syn­ode­nau­la gege­ben wur­de, ohne daß dabei die Beschwer­de­füh­rer oder ihr Schrei­ben erwähnt wur­den. Damit erhob nicht nur Tor­ni­el­li gegen die „drei­zehn Prä­la­ten“ den Vor­wurf der „Ver­schwö­rung“, son­dern der Papst höchstpersönlich.

Die Rekonstruktion

Montag, 5. Oktober 2015

Kar­di­nal Geor­ge Pell über­gibt Papst Fran­zis­kus per­sön­lich am Nach­mit­tag, im Rah­men der 2. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on, das Beschwer­de­schrei­ben, das von drei­zehn Syn­oden­vä­tern, alle­samt Kar­di­nä­le, unter­zeich­net ist und im Namen „vie­ler“ wei­te­rer Syn­oden­vä­ter spricht.
Dem Papst muß die explo­si­ve Bedeu­tung von Schrei­ben und Unter­zeich­nern sofort bewußt gewor­den sein.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Erste Gegen­re­ak­ti­on von Papst Franziskus:
Am Beginn der 3. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on am Mor­gen ergrei­fen Gene­ral­se­kre­tär Kar­di­nal Bal­dis­se­ri und Papst Fran­zis­kus unvor­her­ge­se­hen das Wort. Das Schrei­ben und die Unter­zeich­ner wer­den nicht genannt. Bei­de üben aber schar­fe Kri­tik an Ver­schwö­rungs­theo­rien. Papst Fran­zis­kus warnt aus­drück­lich vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Zwei­te Gegen­re­ak­ti­on von Papst Franziskus:
Papst Fran­zis­kus zeigt Andrea Tor­ni­el­li, sei­nem Ver­trau­ten unter den Vati­ka­ni­sten, das Schrei­ben. Das Schrei­ben ist noch ver­trau­lich. Es wird aber offen­bar damit gerech­net, daß es wahr­schein­lich publik wer­den könn­te. Wer den ersten Schritt setzt, hat einen Vor­sprung und kann am ehe­sten die Rich­tung der Dis­kus­si­on beeinflussen.
Tor­ni­el­li setzt die­sen ersten Schritt, um den Papst-Kri­ti­kern zuvorzukommen.

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Tor­ni­el­li ent­hüllt bei La Stam­pa und Vati­can Insi­der die Sache der „drei­zehn Prä­la­ten“, deren „Sor­gen“ und „Beden­ken“ er als Ver­schwö­rungs­theo­rien dis­kre­di­tiert und die Unter­zeich­ner selbst der Ver­schwö­rung gegen den Papst bezich­tigt. Wahr­schein­lich die zu zusam­men­hang­los dar­ge­stell­te Nega­tiv­zeich­nung und die Tat­sa­che, daß die „Prä­la­ten“ unge­nannt blei­ben, las­sen den Arti­kel jedoch sei­ne Wir­kung ver­feh­len. Er bleibt, trotz der dop­pel­ten Ver­öf­fent­li­chung, fak­tisch unbe­ach­tet. Einer der weni­gen, der ihn auf­merk­sam regi­striert, ist der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster, der nun sei­ne Recher­che beginnt, die am 12. Okto­ber zur Ver­öf­fent­li­chung des Brie­fes und der Unter­zeich­ner führt (wenn auch anfangs mit eini­gen Unklar­hei­ten) und wie eine Bom­be ein­schlägt und das international.

Zu den übri­gen Etap­pen sie­he die Chro­no­lo­gie der Fak­ten.

Empörung über die Veröffentlichung und ihre Adressaten

Wenn also nun vie­le Wor­te und Drucker­schwär­ze ver­schleu­dert wer­den, um Kri­tik an der Ver­öf­fent­li­chung des Beschwer­de­schrei­bens zu üben, gilt sie den fal­schen Adres­sa­ten. Nicht San­dro Magi­ster und nicht den drei­zehn Unter­zeich­nern (von denen der­zeit nur zwölf bekannt sind bzw. zu ihrer Unter­schrift ste­hen) hät­te sie zu gel­ten, son­dern eigent­lich Andrea Tor­ni­el­li und Papst Fran­zis­kus, der die Flucht nach vor­ne antre­ten woll­te, weil Angriff als die beste Ver­tei­di­gung gilt, um sich nicht das Heft des Han­delns ent­win­den zu lassen.

Die­je­ni­gen, die der­zeit am hör­bar­sten über die Art und über­haupt die „Ver­öf­fent­li­chung eines ver­trau­li­chen Schrei­bens“ (Lom­bar­di, Semer­a­ro, Bal­dis­se­ri et al), ihre Nase rümp­fen und mit dem Impe­tus der Empö­rung koket­tie­ren, ärgern sich bei nähe­rem Hin­se­hen in Wirk­lich­keit über den Inhalt des Brie­fes und die pro­mi­nen­ten Unter­zeich­ner. Das Schrei­ben macht einer gan­zen Stra­te­gie einen Strich durch die Rech­nung, bela­stet sie zumin­dest erheb­lich und ver­langt nach mehr oder weni­ger gewünsch­ten Nachbesserungen.

Kar­di­nal Mül­ler, der sei­ne Unter­schrift unter das Beschwer­de­schrei­ben bestä­tig­te, bemän­gel­te auch sei­ne Ver­öf­fent­li­chung. Man­che Jour­na­li­sten inter­pre­tier­ten es als Kri­tik an Magi­ster. In Wirk­lich­keit dürf­te sich die Kri­tik jedoch an den Papst-Ver­trau­ten Tor­ni­el­li gerich­tet haben. Womit der Glau­bens­prä­fekt, für jene die mit den Zusam­men­hän­gen ver­traut sind, und dazu gehört an erster Stel­le der Papst selbst, nach dem Schrei­ben ein zwei­tes Mal auf den Papst zeig­te, ohne ihn beim Namen zu nennen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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